6 DasBuchfürAlLs _ 125
Winter in Afrika.
Phot. W. Plüschow, Frankfurt a. M.
„Ich verstehe nicht die Spur!" rief der dicke Generalarzt. „Was
glotzt Ihr denn, Kallnein?"
„Ein Spitzbube bist du!" fuhr Obendorff den Bauern an. „Fandest
du keinen schlechteren Platz, um das Mädel zu verstecken? Nun rveitz
der Lasse mehr, als dir lieb sein kann. Gott gnade dir, wenn er
mich anschwärzt!"
„Von einem Liebeshandel, nicht wahr?" fragte der Generalarzt.
„Ich weiß selbst nicht, wie es kam," stotterte Kallnein. „Aber
auf einmal war er da."
„Henken sollte man dich, henken, wie den Kuchinka an den Galgen
henken! Alle seid ihr Halunken, einer wie der andere!"
Der Kriegsgerichtsrat ries nach seinem Pferd. Als er auf der
Dorfstratze nach seinem General fragte, erfuhr er, der Stab sei längst
nach Nowo-Wielki aufgebrochen, die ganze Strecke zwischen jener
Gegend und Radomysl liege im stärksten feindlichen Artilleriefeuer.
Der lange Trainoffizier Andrei Pawlowitsch lachte ihn aus. „Ver-
schlafen habt ihr's, du und der dicke Kasimir Mazowietsch. Eine
halbe Stunde später, und die Ungarn konnten euch aus dem Bett
ziehen."
„Sahst du den verrückten Ssanin Alerandrowitsch?"
„Ja, er saß bei deinem Divisionär im Kraftwagen. Hat uns
übrigens schön hinters Licht geführt, der Heuchler! Das schönste
Frauenzimmerchen, das hier im Ort war, küßte ihm zum Abschied
die Hände. Er hat mit Unteroffizier Wanjotkin ein scharfes Verhör
angestellt und dir ins Handwerk gepfuscht."
„Wanjotkin, wo steckt der Kerl?"
„Den hat de>' General nach Radomysl ins Loch gesteckt. Deinen
Bauern haben sie freigegeben, an dem du tausend Nüdelchen ver-
dienen wolltest!"
Der Kriegsgerichtsrat fluchte; der lange Nikolai lachte ihm breit
ins verärgerte Gesicht.
„Tröste dich, Freundchen!" sagte er. „Man soll nicht so Hinterm
Geld her sein, das tut manchmal nicht gut; hörst du? Gestern wollte
ich auch das Glück zwingen; mit sechshundert Nüdelchen bin ich
in der Kreide geblieben. Der große Staatsbankrott im kleinen!"
Lachend reichte er Obendorff seine Feldflasche. „Trink, Brüderchen,
auf den nüchternen Magen wird dir das gut tun, ich glaube, es wird
ein böser Tag heute." _
Mit dem größten Teil seiner Kaiserjäger war Oberst Lohmann
zum Sturm auf Schloß Nowo-Wielki vorgebrochen. Bis an die
Zähne verschanzt waren die Russen in dieser Gegend. Nachhuten
konnten das allein nicht sein, die hier nur den Rückzug decken sollten.
Wie kleine Festungen waren die Gräben ausgebaut, mit breiten
Drahthindernissen weithin geschützt. Stellung hinter Stellung war
angelegt worden. Vom Munit'ionsmangel der Artillerie, von dem
man so viel zu sagen wußte, war hier nichts zu spüren. Jeder Schritt
vorwärts mußte hart errungen werden. Den Preußen, die links
von den Kaiserjägern angriffen, ging es nicht besser als den tapferen
Verbündeten. Es war ein Bataillon von den Berliner „Franzern".
Der Fahnenträger war in die Knie gesunken, ein hochgewachsener
Gefreiter griff die Fahne nach ihm auf. Nnn lag auch er geirosfen;
Winter in Afrika.
Phot. W. Plüschow, Frankfurt a. M.
„Ich verstehe nicht die Spur!" rief der dicke Generalarzt. „Was
glotzt Ihr denn, Kallnein?"
„Ein Spitzbube bist du!" fuhr Obendorff den Bauern an. „Fandest
du keinen schlechteren Platz, um das Mädel zu verstecken? Nun rveitz
der Lasse mehr, als dir lieb sein kann. Gott gnade dir, wenn er
mich anschwärzt!"
„Von einem Liebeshandel, nicht wahr?" fragte der Generalarzt.
„Ich weiß selbst nicht, wie es kam," stotterte Kallnein. „Aber
auf einmal war er da."
„Henken sollte man dich, henken, wie den Kuchinka an den Galgen
henken! Alle seid ihr Halunken, einer wie der andere!"
Der Kriegsgerichtsrat ries nach seinem Pferd. Als er auf der
Dorfstratze nach seinem General fragte, erfuhr er, der Stab sei längst
nach Nowo-Wielki aufgebrochen, die ganze Strecke zwischen jener
Gegend und Radomysl liege im stärksten feindlichen Artilleriefeuer.
Der lange Trainoffizier Andrei Pawlowitsch lachte ihn aus. „Ver-
schlafen habt ihr's, du und der dicke Kasimir Mazowietsch. Eine
halbe Stunde später, und die Ungarn konnten euch aus dem Bett
ziehen."
„Sahst du den verrückten Ssanin Alerandrowitsch?"
„Ja, er saß bei deinem Divisionär im Kraftwagen. Hat uns
übrigens schön hinters Licht geführt, der Heuchler! Das schönste
Frauenzimmerchen, das hier im Ort war, küßte ihm zum Abschied
die Hände. Er hat mit Unteroffizier Wanjotkin ein scharfes Verhör
angestellt und dir ins Handwerk gepfuscht."
„Wanjotkin, wo steckt der Kerl?"
„Den hat de>' General nach Radomysl ins Loch gesteckt. Deinen
Bauern haben sie freigegeben, an dem du tausend Nüdelchen ver-
dienen wolltest!"
Der Kriegsgerichtsrat fluchte; der lange Nikolai lachte ihm breit
ins verärgerte Gesicht.
„Tröste dich, Freundchen!" sagte er. „Man soll nicht so Hinterm
Geld her sein, das tut manchmal nicht gut; hörst du? Gestern wollte
ich auch das Glück zwingen; mit sechshundert Nüdelchen bin ich
in der Kreide geblieben. Der große Staatsbankrott im kleinen!"
Lachend reichte er Obendorff seine Feldflasche. „Trink, Brüderchen,
auf den nüchternen Magen wird dir das gut tun, ich glaube, es wird
ein böser Tag heute." _
Mit dem größten Teil seiner Kaiserjäger war Oberst Lohmann
zum Sturm auf Schloß Nowo-Wielki vorgebrochen. Bis an die
Zähne verschanzt waren die Russen in dieser Gegend. Nachhuten
konnten das allein nicht sein, die hier nur den Rückzug decken sollten.
Wie kleine Festungen waren die Gräben ausgebaut, mit breiten
Drahthindernissen weithin geschützt. Stellung hinter Stellung war
angelegt worden. Vom Munit'ionsmangel der Artillerie, von dem
man so viel zu sagen wußte, war hier nichts zu spüren. Jeder Schritt
vorwärts mußte hart errungen werden. Den Preußen, die links
von den Kaiserjägern angriffen, ging es nicht besser als den tapferen
Verbündeten. Es war ein Bataillon von den Berliner „Franzern".
Der Fahnenträger war in die Knie gesunken, ein hochgewachsener
Gefreiter griff die Fahne nach ihm auf. Nnn lag auch er geirosfen;