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Heft 8
DäsBuchsüvAlltz
So empfing einst Zar Peter den bei ihm beglaubigten preußischen Ge-
sandten mit der Einladung, einer Hinrichtung beizuwohnen, die er selbst
an einem armen Sünder durch Enthaupten vornahm. Der zweite Übel-
täter sollte auf Peters Aufforderung von dem Gesandten hingerichtet
werden. Durch die Weigerung des Diplomaten wurde der Zar sehr
ungehalten, und es fehlte nicht viel, so wäre darüber die zwischen
dem moskowitischen Reiche und Preußen bestehende Freundschaft in
die Brüche gegangen. Eine neue Schwierigkeit entstand, als im Jahre
1687 ein russischer Gesandter in Berlin eintraf, um mit dem Großen
Kurfürsten über den polnischen ewigen Frieden zu verhandeln und ihn
zu einer Alliance gegen die Türken und Tataren aufzufordern. Da
der Kurfürst das letztere Ansinnen ablehnte, zog sich der Aufenthalt des
russischen Gesandten in Berlin in die Länge, und unter dem Vorgeben,
wegen der russischen Fastenzeit aus Moskau mitgebrachte Speisen ver-
zehren zu müssen, verlangte der Gesandte aus der kurfürstlichen Kasse
Einbände bezeichnet. Frankreich gab damals das seither auch von den
übrigen Staaten befolgte Beispiel, indem es sogenannte Gelbbücher ver-
öffentlichte. Ihnen folgten englische Gelbbücher, preußisch-deutsche Weiß-
bücher, österreichisch-ungarische Rotbücher, die grünen Bücher Italiens
und Rumäniens und das orangegebundene Buch Rußlands. Da es sich
bei diesen Veröffentlichungen nur um die Schlußprotokolle getroffener
Vereinbarungen handelt, bleibt die persönliche Ansicht des Gesandten und
seine.Beobachtung über die Dinge in dem Land, in welchem er beglaubigt
ist, verborgen.
Der große Philosoph der Leipziger Universität Wilhelm Wundt sagte:
„Erst im Krieg bekommt man zu hören, was die Staatsmänner der sich
bekämpfenden Völker wirklich voneinander denken, und die konventionelle
Lüge des diplomatischen Verkehrs, die in Friedenszeiten den Kampf der
Meinungen mildernd umhüllt, kann sich in die böswillige Lüge wandeln,
die den Kampf der Waffen durch die moralische Verunglimpfung des
Karl,Maria Stadler. Stille Stunde.
eine sehr hoch berechnete Kostenvergütung. Schließlich war das Zere-
moniell für die Audienz festgesetzt, da verlangte der Russe plötzlich, den
Kurfürsten mit Handschlag begrüßen zu dürfen, was ihm verweigert wurde.
Inzwischen erkrankte der Kurfürst, und um den halbasiatischen Diplomaten
endlich loszuwerden, röollte er ihn, im Bett liegend, empfangen. Der
Russe war einverstanden unter der Bedingung, daß er sich, mit Stiefeln
und Pelzmütze im Bett liegend, zur Audienz tragen ließe. Das wurde
natürlich auch nicht zugestanden. Schließlich ging die Audienz unter nor-
malen Formen noch vonstatten.
Im allgemeinen wurden die Gesandten fremder Staaten zu allen
Zeiten als unverletzlich betrachtet und auch dann, wenn sie aus Feindes-
land kamen, mit allen nur denkbaren Ehrungen behandelt. Es ist unserer
Zeit vorbehalten gewesen, daß mit diesem überlieferten Brauch von
unseren Feinden gebrochen wurde. Bekanntlich sind unsere Konsuln in
Saloniki und in Griechenland entgegen allem Völkerrecht von der Entente
verhaftet und über die Schweiz nach Hause geschickt worden, nachdem
man sich an ihrem Eigentum in der schamlosesten Weise vergriffen hatte.
Diplomatische Verhandlungen von einem Hof zum anderen werden
im allgemeinen geheim gehalten und nur nach Abschluß der Verhand-
lungen bisweilen in ihrem Ergebnis durch die Tageszeitungen oder in
Büchern der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Letztere werden einer aus
dem Jahre 1852 stammenden Gepflogenheit znfiüge nach der Farbe ihrer
Gegners zu unterstützen sucht." Im Reichstag behauptete ein Redner:
„Die Scheiben, die von den Diplomaten eingeschlagen werden, müssen
von den Völkern bezahlt werden." Der sächsische Minister Beust, der
bekanntlich später in österreichische Dienste trat und dessen politischen
Treibereien die Kriege von 1864 und 1866 mit zur Last zu legen sind,
pflegte zu seinen Freunden zu sagen: „Ich spreche hier nicht als Diplomat,
sondern als Ehrenmann." Der berühmte italienische Staatsmann Cavour
bekannte einst: „Ich habe die Kunst herausgefunden, Diplomaten zu
täuschen; ich spreche die Wahrheit und bin sicher, daß sie mir nicht glauben."
Präsident Fallieres, der Vorgänger Poincarös, gestand freimütig: „In
der Politik handelt es sich um Geschäfte, und man wühlt zum Diplomaten
den, der die besten Geschäfte zu machen versteht."
Der deutschen Diplomatie wird vielfach der Vorwurf gemacht, daß
sie die Zustände der internationalen Lage vor dem Kriege nicht rechtzeitig
erkannt habe, daß sie sich durch die gewiegteren Diplomaten unserer heu-
tigen Gegner über deren wirkliche Absichten täuschen ließ. Es wird
einer späteren Zeit Vorbehalten bleiben festzustellen, ob daran etwas
Wahres ist. Jedenfalls haben die deutschen Diplomaten ihre Aufgaben
im Gegensatz zu denen unserer Gegner mit reinen Händen erledigt und
es verschmäht, in ähnlicher Weise wie die diplomatischen Agenten der
Entente mit Bestechungen sich den Abschaum der Länder, in denen sie
tätig waren, dienstbar zu machen.
Heft 8
DäsBuchsüvAlltz
So empfing einst Zar Peter den bei ihm beglaubigten preußischen Ge-
sandten mit der Einladung, einer Hinrichtung beizuwohnen, die er selbst
an einem armen Sünder durch Enthaupten vornahm. Der zweite Übel-
täter sollte auf Peters Aufforderung von dem Gesandten hingerichtet
werden. Durch die Weigerung des Diplomaten wurde der Zar sehr
ungehalten, und es fehlte nicht viel, so wäre darüber die zwischen
dem moskowitischen Reiche und Preußen bestehende Freundschaft in
die Brüche gegangen. Eine neue Schwierigkeit entstand, als im Jahre
1687 ein russischer Gesandter in Berlin eintraf, um mit dem Großen
Kurfürsten über den polnischen ewigen Frieden zu verhandeln und ihn
zu einer Alliance gegen die Türken und Tataren aufzufordern. Da
der Kurfürst das letztere Ansinnen ablehnte, zog sich der Aufenthalt des
russischen Gesandten in Berlin in die Länge, und unter dem Vorgeben,
wegen der russischen Fastenzeit aus Moskau mitgebrachte Speisen ver-
zehren zu müssen, verlangte der Gesandte aus der kurfürstlichen Kasse
Einbände bezeichnet. Frankreich gab damals das seither auch von den
übrigen Staaten befolgte Beispiel, indem es sogenannte Gelbbücher ver-
öffentlichte. Ihnen folgten englische Gelbbücher, preußisch-deutsche Weiß-
bücher, österreichisch-ungarische Rotbücher, die grünen Bücher Italiens
und Rumäniens und das orangegebundene Buch Rußlands. Da es sich
bei diesen Veröffentlichungen nur um die Schlußprotokolle getroffener
Vereinbarungen handelt, bleibt die persönliche Ansicht des Gesandten und
seine.Beobachtung über die Dinge in dem Land, in welchem er beglaubigt
ist, verborgen.
Der große Philosoph der Leipziger Universität Wilhelm Wundt sagte:
„Erst im Krieg bekommt man zu hören, was die Staatsmänner der sich
bekämpfenden Völker wirklich voneinander denken, und die konventionelle
Lüge des diplomatischen Verkehrs, die in Friedenszeiten den Kampf der
Meinungen mildernd umhüllt, kann sich in die böswillige Lüge wandeln,
die den Kampf der Waffen durch die moralische Verunglimpfung des
Karl,Maria Stadler. Stille Stunde.
eine sehr hoch berechnete Kostenvergütung. Schließlich war das Zere-
moniell für die Audienz festgesetzt, da verlangte der Russe plötzlich, den
Kurfürsten mit Handschlag begrüßen zu dürfen, was ihm verweigert wurde.
Inzwischen erkrankte der Kurfürst, und um den halbasiatischen Diplomaten
endlich loszuwerden, röollte er ihn, im Bett liegend, empfangen. Der
Russe war einverstanden unter der Bedingung, daß er sich, mit Stiefeln
und Pelzmütze im Bett liegend, zur Audienz tragen ließe. Das wurde
natürlich auch nicht zugestanden. Schließlich ging die Audienz unter nor-
malen Formen noch vonstatten.
Im allgemeinen wurden die Gesandten fremder Staaten zu allen
Zeiten als unverletzlich betrachtet und auch dann, wenn sie aus Feindes-
land kamen, mit allen nur denkbaren Ehrungen behandelt. Es ist unserer
Zeit vorbehalten gewesen, daß mit diesem überlieferten Brauch von
unseren Feinden gebrochen wurde. Bekanntlich sind unsere Konsuln in
Saloniki und in Griechenland entgegen allem Völkerrecht von der Entente
verhaftet und über die Schweiz nach Hause geschickt worden, nachdem
man sich an ihrem Eigentum in der schamlosesten Weise vergriffen hatte.
Diplomatische Verhandlungen von einem Hof zum anderen werden
im allgemeinen geheim gehalten und nur nach Abschluß der Verhand-
lungen bisweilen in ihrem Ergebnis durch die Tageszeitungen oder in
Büchern der Öffentlichkeit bekannt gemacht. Letztere werden einer aus
dem Jahre 1852 stammenden Gepflogenheit znfiüge nach der Farbe ihrer
Gegners zu unterstützen sucht." Im Reichstag behauptete ein Redner:
„Die Scheiben, die von den Diplomaten eingeschlagen werden, müssen
von den Völkern bezahlt werden." Der sächsische Minister Beust, der
bekanntlich später in österreichische Dienste trat und dessen politischen
Treibereien die Kriege von 1864 und 1866 mit zur Last zu legen sind,
pflegte zu seinen Freunden zu sagen: „Ich spreche hier nicht als Diplomat,
sondern als Ehrenmann." Der berühmte italienische Staatsmann Cavour
bekannte einst: „Ich habe die Kunst herausgefunden, Diplomaten zu
täuschen; ich spreche die Wahrheit und bin sicher, daß sie mir nicht glauben."
Präsident Fallieres, der Vorgänger Poincarös, gestand freimütig: „In
der Politik handelt es sich um Geschäfte, und man wühlt zum Diplomaten
den, der die besten Geschäfte zu machen versteht."
Der deutschen Diplomatie wird vielfach der Vorwurf gemacht, daß
sie die Zustände der internationalen Lage vor dem Kriege nicht rechtzeitig
erkannt habe, daß sie sich durch die gewiegteren Diplomaten unserer heu-
tigen Gegner über deren wirkliche Absichten täuschen ließ. Es wird
einer späteren Zeit Vorbehalten bleiben festzustellen, ob daran etwas
Wahres ist. Jedenfalls haben die deutschen Diplomaten ihre Aufgaben
im Gegensatz zu denen unserer Gegner mit reinen Händen erledigt und
es verschmäht, in ähnlicher Weise wie die diplomatischen Agenten der
Entente mit Bestechungen sich den Abschaum der Länder, in denen sie
tätig waren, dienstbar zu machen.