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DnsBuchfürTlllc
SÄ 8
Kach einem Gemälde von H. Siemiradzki
Mit Genehmigung der >
„. . . Die Abenddämmerung war noch nicht herabgesunken, als die ersten Fluten
von Zuschauern in die kaiserlichen Gärten strömten. . . Man hatte in Nom freilich
ost schon Menschen an pfählen verbrennen sehen, aber nie zuvor in solcher Menge.
Oer Cäsar und Tigellinus, da sie mit den Christen ein Cnde machen und zugleich
der aus den Gefängnissen über die ganze Stadt sich ausbreitenden Pest vorbeugen
wollten, befahlen, alle Gefängnisse zu räumen.
Als die Menge die Gartenpforten durchschritt, blieb sie stumm vor Bewunderung.
Alle Haupt- und Geitenalleen, die mitten durch das Dickicht, rings um die Wiesen,
Nasenplätze, Teiche und Blumenbeete liefen, waren mit teerbestrichenen pfählen beseht,
an die die Opfer festgebunden waren. Von den höher gelegenen Stellen, wo keine
Bäume die Aussicht hinderten, konnte man ganze Neihen von pfählen und Leibern
wahrnehmen, die, mit Blumen, Myrtenblättern und Cseu bekränzt, sich bis in die
Tiefen hinein über Anhöhen und Niederungen hinzogen, fo weithin, daß, während die
näherstehenden wie Mastbäume erschienen, die entferntesten nur wie farbige, in die
Crde gebohrte Thyrsosstäbe und Lanzen anzusehen waren. Ihre Massenhastigkeit
überschritt die Crwartungen des Volkes selber...
Mittlerweile brach die Dämmerung an, und am Himmel erglänzten die ersten
Sterne. Bei einem jeden der Verurteilten nahm ein Sklave mit brennender Fackel
Aufstellung, und als der Schall der Posaunen in den verschiedenen Teilen der Gärten
ertönte, zum Zeichen, daß das Schauspiel begann, legten die Sklaven die Flamme
an den Fuß der pfähle.
Das mit Blumen verhüllte und mit Pech übergossene Stroh entstammte alsbald
Heft 8
DasBuchsürAtle
181
^n-Charlottenburg d.
I.l
U 'M
in Heller Lohe, die, jeden Augenblick stärker werdend, die Cfeugirlanden löste, immer
höher emporzüngelte und die Füße der Opfer erfaßte. Das Volk schwieg; die
Gärten widerhallten von einem einzigen großen Stöhnen und von Schmerzens-
schreien. Einige der Opfer erhoben die Häupter zu dem sternenbesäten Himmel und
Dimmten Lieder zu Chren Christi an . . . Oie Flamme schlug empor und durch-
brannte immer neue Nosen- und Cfeukränze. Die Haupt- und die Seitenalleen, die
^aumgruppcn und die Wiesen, die Blumenbeete stammten auf, das Wasser in den
wichen erglänzte, die zitternden Blätter an den Bäumen färbten sich rosig, und es
wurde hell wie bei Tag. Der Dunst der verbrannten Leiber erfüllte die Gärten,
über in diesem Augenblick fingen die Sklaven an, auf absichtlich zwischen den pfählen
vorbereiteten Pfannen Myrrba und Aloe zu streuen. Aus der Menge erhob sich
dann und wann ein Schrei, aber es war unsicher, ob es ein Schrei des Mit-
gefühls, des Nausches oder der Freude war, der immer stärker wurde, zugleich
mit dem Feuer, welches die pfähle umzüngelte, zu der Brust der Opfer empor-
kletterte, mit seinem glühenden Hauch die Haare auf ihren Köpfen zusammen-
ballte, ihre geschwärzten Gesichter wie mit einem Schleier überzog und schließlich
noch höher emporschoß, wie zum Sieg und Triumph jener Kraft, die es anzuzünde^
befahl..."
Henryk Gienkiewicz schildert so in seinem über die ganze Welt verbreiteten
Werke „Ouo vaclis". eine der schauerlichsten Szenen aus der Zeit der Christcnverfolgung
nach dem Brande Noms. Siebzig Zahre alt, ist dieser bekannteste aller polnischen
Schriftsteller am iS. November 4916 in der Schweiz gestorben.
DnsBuchfürTlllc
SÄ 8
Kach einem Gemälde von H. Siemiradzki
Mit Genehmigung der >
„. . . Die Abenddämmerung war noch nicht herabgesunken, als die ersten Fluten
von Zuschauern in die kaiserlichen Gärten strömten. . . Man hatte in Nom freilich
ost schon Menschen an pfählen verbrennen sehen, aber nie zuvor in solcher Menge.
Oer Cäsar und Tigellinus, da sie mit den Christen ein Cnde machen und zugleich
der aus den Gefängnissen über die ganze Stadt sich ausbreitenden Pest vorbeugen
wollten, befahlen, alle Gefängnisse zu räumen.
Als die Menge die Gartenpforten durchschritt, blieb sie stumm vor Bewunderung.
Alle Haupt- und Geitenalleen, die mitten durch das Dickicht, rings um die Wiesen,
Nasenplätze, Teiche und Blumenbeete liefen, waren mit teerbestrichenen pfählen beseht,
an die die Opfer festgebunden waren. Von den höher gelegenen Stellen, wo keine
Bäume die Aussicht hinderten, konnte man ganze Neihen von pfählen und Leibern
wahrnehmen, die, mit Blumen, Myrtenblättern und Cseu bekränzt, sich bis in die
Tiefen hinein über Anhöhen und Niederungen hinzogen, fo weithin, daß, während die
näherstehenden wie Mastbäume erschienen, die entferntesten nur wie farbige, in die
Crde gebohrte Thyrsosstäbe und Lanzen anzusehen waren. Ihre Massenhastigkeit
überschritt die Crwartungen des Volkes selber...
Mittlerweile brach die Dämmerung an, und am Himmel erglänzten die ersten
Sterne. Bei einem jeden der Verurteilten nahm ein Sklave mit brennender Fackel
Aufstellung, und als der Schall der Posaunen in den verschiedenen Teilen der Gärten
ertönte, zum Zeichen, daß das Schauspiel begann, legten die Sklaven die Flamme
an den Fuß der pfähle.
Das mit Blumen verhüllte und mit Pech übergossene Stroh entstammte alsbald
Heft 8
DasBuchsürAtle
181
^n-Charlottenburg d.
I.l
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in Heller Lohe, die, jeden Augenblick stärker werdend, die Cfeugirlanden löste, immer
höher emporzüngelte und die Füße der Opfer erfaßte. Das Volk schwieg; die
Gärten widerhallten von einem einzigen großen Stöhnen und von Schmerzens-
schreien. Einige der Opfer erhoben die Häupter zu dem sternenbesäten Himmel und
Dimmten Lieder zu Chren Christi an . . . Oie Flamme schlug empor und durch-
brannte immer neue Nosen- und Cfeukränze. Die Haupt- und die Seitenalleen, die
^aumgruppcn und die Wiesen, die Blumenbeete stammten auf, das Wasser in den
wichen erglänzte, die zitternden Blätter an den Bäumen färbten sich rosig, und es
wurde hell wie bei Tag. Der Dunst der verbrannten Leiber erfüllte die Gärten,
über in diesem Augenblick fingen die Sklaven an, auf absichtlich zwischen den pfählen
vorbereiteten Pfannen Myrrba und Aloe zu streuen. Aus der Menge erhob sich
dann und wann ein Schrei, aber es war unsicher, ob es ein Schrei des Mit-
gefühls, des Nausches oder der Freude war, der immer stärker wurde, zugleich
mit dem Feuer, welches die pfähle umzüngelte, zu der Brust der Opfer empor-
kletterte, mit seinem glühenden Hauch die Haare auf ihren Köpfen zusammen-
ballte, ihre geschwärzten Gesichter wie mit einem Schleier überzog und schließlich
noch höher emporschoß, wie zum Sieg und Triumph jener Kraft, die es anzuzünde^
befahl..."
Henryk Gienkiewicz schildert so in seinem über die ganze Welt verbreiteten
Werke „Ouo vaclis". eine der schauerlichsten Szenen aus der Zeit der Christcnverfolgung
nach dem Brande Noms. Siebzig Zahre alt, ist dieser bekannteste aller polnischen
Schriftsteller am iS. November 4916 in der Schweiz gestorben.