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Heft 9

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209

Deutsche Vorposten im fernen Südosten.
Von Stephan Steinlein.
Mit Bildern nach Aufnahmen von k. u. k. Hofphot. Erdely, Budapest.
Ob unk- die See, ob uns die Berge trennen,
So sind wir eines Stammes doch nnd BlnteS. schiller
ir sind uns im Frieden nicht immer bewußt gewesen, welch hohen
Wert das Deutschtum in: Auslaud für uns besitzt. Noch weniger
waren uns die Leiden jener Stammesbrüder bekannt, die, von
andersrassigen Völkerschaften umgeben, die härtesten Kämpfe zu besteheu
hatten. In den Zeiten schwerer Leiden, die der Weltkrieg über unsere
Blutsverwandten im feindlichen Ausland hereinbrechen sah, ist manches ge-
schehen, dessen wir uns nach dem Frieden dauernd erinnern müssen. Das
Vaterland darf seine Artgenossen nirgends in der Welt vergessen, wenigstens
jene nicht, die ihre Zugehörigkeit zu ihm weder verleugnen noch allzu rasch
vergessen und preisgeben. Viel¬
leicht kommt nun endlich nach so
viel offener Gehässigkeit, die den
Deutschen überall entgegeutrat,
auch die Zeit, wo wir erleben,
daß die Menschen unseres Blutes
sich selber mehr nach ihrem Wert
schätzen lernen. Schon,Zdtzt hat
nicht nur uns der Verlauf der
unerhörten Kämpfe gezeigt, daß
es uns vollgültig zusteht, den
Namen von Deutschen mit Ehren
zu tragen, und die Zeit der eige¬
nen Geringschätzung ist nach dieser
furchtbaren Kraftprobe vorüber.
Das bittere Wort eines unserer
größten Geschichtschreiber, daß der
Deutsche der Völkerdünger für
das Aufblühen anderer Nationen
sei, wird in diesem Jahrhundert
seine Berechtigung einbüßen
müssen. Solche Forderung hat
nichts mit dem so billigen als ge¬
fährlichen Größenwahn zu tun,
sich, wie England es gewöhnt ist,
für das auserwühlte Volk und
den Herrn der Erde zu halten. Wir dürfen und müssen den Platz in der
Welt fordern, auf den uns Art und die Geschichte des eigenen Volkes das
vollste Recht verbürgen.
Wie es Deutsche vermochten, mitten unter fremden Völkern durch
lange Jahrhunderte ihre Wesensart zu erhalten, lehren uns die im fernen
Osten lebenden „Sachsen" Siebenbürgens. Seit dem räuberischen Ein-
bruch der Rumänen, die noch vor der Kriegserklärung am 27. August 1616
in Siebenbürgen einfielen, sind uns die Schicksale der Deutscher: in diesem
Lande wieder nähergerückt. Dort leben Menschen, die ihre deutsche

Sprache nie aufgegeben haben und an der: Pässen und Hängen der
Transsylvanischen Alpen mit hartstirniger Entschlossenheit die Vorwacht
für europäische Kultur halten. Die Brandfackel des Krieges loderte über
einem Boden auf, der Jahrhunderte hindurch die furchtbarsten Kämpfe
gesehen. Die Tage der Hunneneinbrüche mit all ihrer wilden, verbreche-
rischen Grausamkeit, wenn auch nicht mit Mord, Brand und Vergewalti-
gung in gleich gräßlichen Formen, wie sie in Dobritsch, Baltschik und
Silistria geschahen, kehrten für die Heimstätten Siebenbürgens wieder.
Im Osten der österreichisch-ungarischen Monarchie erhebt sich aus
den unabsehbaren Tiefebenen der Theiß und der unteren Donau ein Hoch-
land, gering an Größe, doch reich an Schönheiten und Schützen der Natur.
Ungarns nördlicher Bergwall und die mächtigen Gebirgsketten der schnee-
bedeckten Karpathen umgeben es ringsum. Wenige schwer gangbare Pässe
führen gegen Süden in das Tiefland der unteren Donau und im Osten
zu den weiten Slawenebenen Rußlands. Im Süden und Nordosten des
Landes, auf weiter Strecke mitten zwischen Völkern fremder Zunge und
Art, wohnen seit mehr als sieben
Jahrhunderten Deutsche. Und
wenn das Land reich ist an Wun-
dern der Natur, so ist es gewiß
kein kleines Wunder, daß fern
vom Mutterlande hier deutsche
Stämme sich angesiedelt, Sprache
und Volkstum bewahrt und in
Freiheit und Gleichheit ein Ge-
meinwesen sich gegründet, das
seinesgleichen wenig hatte, so-
weit die Sonne scheint.
Das sind Worte des evangeli-
schen Landesbischofs Deutsch, des
besten Kenners der Geschichte
Siebenbürgens, dessen Forschun-
gen nach dieses Land erst durch
deutsche Ansiedler zu einen: ge-
sicherten Besitztun: der ungarischen
Krone geworden ist; der Ungarn,
die sich darauf berufen, daß ihr
König Stephan un: das Jahr tau-
send jene Strecken erobert habe,
und die es in neuerer Zeit au
Undank gegen die „Schwaben"
nie fehlen ließen. Sie möchten
auch davon am liebsten nichts wissen, wenn nicht die Geschichte es be-
stätigte, daß die Deutschen von dem ungarischen König Geisa dem Zweiten
(1141—1161) als „Gäste" in: alten, höchst ehrenvollen Sinne des Wortes
nach Siebenbürgen gerufen wurden; das war länger als ein Jahrhundert
nach Stephans Tod, nach dessen Abscheiden das Land durch Zwietracht und
Bürgerkriege dauernd erschüttert war. Die Menschen jener Zeit waren der
Segnungen der reichen Natur unwert. Städte gab es im Reich nicht;
gemauerte Wohnungen fanden sich beinahe keine, auch hölzerne Häuser-
waren selten, die meisten nur aus Rohr. In: Sommer und Herbst wohnte


Aus Siebenbürgen: Hochzeitszug mit der Mitgifi.


Bauernfrauen vom Törzburger Paß.


Junges Mädchen mit Brautkrone.


Szekterehepaar aus Mausenburg.
 
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