Hefty
211
DarVuchfüvAtle
Trajana stand, liegt jetzt unter Trüinmerwerk das walachische Dorf
Eredischtje.
Der Reichtum der um 1560 ungarisch gewordenen. Stadt Klausen-
burg war sprichwörtlich, und gleiches galt von den Plätzen Hermannstadt,
Kronstadt und Bistritz. Die fremden Naubhorden wußten zu jeder Zeit,
daß sich glückliche Überfälle lohnten. Die rechtmäßig erhobenen Steuern
allein betrugen im Sachsenlande um 1585 die stattliche Summe von
85 000 Gulden. Damals kosteten drei Maß des besten Weines drei
Pfennig, eineinhalb Pfund
Fleisch einen Pfennig, und
ein Kübel Getreide wurde
mit zehn Pfennig gewertet.
Das Geld stand im zehn- bis
Zwanzigfachen Wert gegen
den heutigen Kurs. Nicht
zuletzt dankte das Sachsen¬
land seinen Reichtum dem
Handel. Die Donaugegend
wimmelte von räuberischen
Piraten, und so ging im sech¬
zehnten Jahrhundert ein statt¬
licher Teil des Levantehan¬
dels, aus Furcht der Kauf¬
leute vor den Türken,Alber
Siebenbürgen nach Danzig.
Erst der Seeweg ums Kap
der Guten Hoffnung brachte
diese Beziehungenzum Stocken
und Erlahmen.
Von der großen geschicht¬
lichen Vergangenheit dieses
merkwürdigen Landes wissen
wir leider fast nichts, und nur¬
wenig von seinen tragischen
Kämpfen in unserer Zeit.
Heute sind die Walachen, die vor dem zwölften Jahrhundert im Land
noch unbekannt waren, und die Rumänen zu gewaltiger Überzahl ge-
diehen. Die Deutschen Siebenbürgens, von fremden und offenkundig
feindlichen Völkerschaften umringt, hielten mit rührender Treue an ihrer
Muttersprache und an heimatlichen Bräuchen und Sitten fest,' sie blieben
deutsch gesinnt unter fremdem Druck, mehr als man es bei unserer
früheren Gleichgültigkeit gegen ihr Schicksal er¬
warten durfte.
Noch findet man ältestes Herkommen unter
ihnen bewahrt und Gewohnheiten lebendig, die
sie vor siebenhundert Jahren ins fremde Land
brachten und die im Mutterland längst erloschen
sind. Mit Recht konnte gesagt werden, die
Siebenbürger seien ein Stück ältester lebendig
gebliebener Vergangenheit, ein verlegtes Blatt
aus einer alten Chronik.
Wird in Siebenbürgen ein neuer Hausstand
gegründet, so erscheinen die Freunde des jungen
Mannes im Haus der Eltern, die eine heirats¬
fähige Tochter haben. Nach uraltem deutschem
Brauch darf kein Mann persönlich um die Braut
freien; die Werbung muß durch Abgesandte nach
vorgeschriebenen Regeln mit Worten geschehen,
die seit Jahrhunderten feststehen. Gibt der Braut¬
vater seine Zustimmung, so folgt nach einigen
Tagen das „Brautvertrinken" als das eigentliche
Verlöbnis. Danach werden im Pfarrhof die
Ringe gewechselt; die Braut und der Verlobte
erscheinen vor dem Geistlichen, jedes trägt einen
fast zwei Fuß hohen Strauß aus künstlichen
Blumen mit goldenen Blättern und rauschendem
Flittergold in der Hand. Nach altem Herkommen
finden Hochzeiten auf den Dörfern gemeinschaft¬
lich statt, und immer zu Zeiten, wo die Feste
keine Störung in die Haus- und Feldwirtschaft
bringen; um Ostern und Pfingsten sind keine
glücklichen Tage dafür. Zur richtigen Zeit gilt der Mittwoch al» Glückstag
für den Eheschluß. Sind junge Paare einander zur Hochzeit bestimmt,
dann senden die Nachbarn ihre Geschenke: Eier, Butter, Hühner, Mehl und
alles zum Fest Nötige. Schon am Freitag und Samstag helfen die grauen
des Dorfes im Hochzeitshause bei den Vorbereitungen. Am Sonntag gehen
junge Burschen im schönsten Staat mit einem weißen Stab, dessen oberes
Ende ein Strauß ziert, an dem ein langes rotes Band flattert, von Haus
zu Haus und laden die Gäste ein. Die nächsten Verwandten müssen drei¬
mal aufgefordert werden, andere werden nur „ehrenhalber" geladen; sie
erscheinen nicht, schicken aber ihre Gaben zum Hochzeitsmahl. Am Montag
ziehen die Frauen, welche die Nacht im Brauthause verbrachten, durchs
Dorf und machen Lärm mit Schaufeln, Feuerzangen und Pfannen; sie
wecken die Freundinnen der Braut, die zur Arbeit helfen müssen. Wer
fernzubleiben wagt, wird gebunden und. mit Gewalt abgeholt. Der
Dienstag vergeht mit weiteren Vorbereitungen zum Haupttag. Am Abend
nimmt die Braut Abschied von ihren jungen Genossinnen, die im Lauf
des Tages Sträuße für die zur
Hochzeit geladenen Burschen
banden und verteilten. Der
Vorabend endet mit einem
Lied, das die Mädchen vor
der Braut singen.
Am eigentlichen Hochzeits-
tag, am Mittwoch sendet der
Bräutigam in aller Frühe
der Verlobten die „Morgen-
gabe". An manchen Orten
sind es neue Schuhe. Nach alt-
germanischer Auffassung be-
deutet das Anziehen der vom
Bräutigam geschenkten Schuhe,
daß die Braut sich dem Manne
unterwirft; sie gibt ihm da-
für das von ihr reich gestickte
Hemd, das der Mann nur am
Hochzeitstage trügt. Nach der
Trauung wird es in: Kasten
bewahrt und erst als Leichen-
kleid wieder angezogen.
Dann wird die Braut von
den Freunden' des Bräuti-
gams, mit ihm an der Spitze,
eingeholt. Zigeuner marschie-
ren mit lustigen Weisen dem Zug voraus, dem auf einem Wagen die Mit-
gift, der mit bunten Bändern reich aufgeputzte Hausrat, folgt. Der Verlobte
trägt einen stattlichen Strauß; farbige Bänder schmücken das Gebilde aus
künstlichen Blumen mit goldenen Blättern. Schon am Sonntag vorher
stand der Hochzeitsstrauß vor dem Kirchenplatz des jungen Mannes. Um-
ständlich wird von den Eltern die Herausgabe der Braut erbeten; von zwei
Führern geleitet, erscheint sie, um mit dem Zug
in die Kirche zu gehen. Dort schweigt die Musik,
und nach alter Sitte suchen die Geschlechter von-
einander getrennt ihre Plätze auf. Später holt
jeder Jungmann seine Braut von ihrem Sitz und
geleitet sie vor den Altar, wo der Geistliche sie
einsegnet. Nur ein „versprochenes" Mädchen
trägt die rundliche Kopfbedeckung mit dem gold-
gestickten Saum.
Nach dem Kirchgang beginnt das Hochzeitsfest
mit Lustbarkeit und Tanz, das als Feier für den
ganzen Ort drei Tage und Nächte dauert.
Am zweiten Tag erscheint die junge Frau im
Kopfputz der verheirateten Frau. Den Mädchen-
schmuck nahmen ihr vorher die Gespielinnen ab
und banden ihr dafür ein schneeweißes Linnentuch
um, das an die klösterlichen Hauben erinnert; nur
reicher geschmückt ist es mit Knöpfen von Perlen
und Granaten. Ehe die junge Frau dies Zeichen
der Frauenwürde erhielt, wurde ihr das lange
Haar abgeschnitten, der einzige, von Bändern
durchzogene Schmuck ihrer Mädchenzeit. Das
abgenommene Haar, das an manchen Orten mit
schönen Bändern geschmückt an der Zimmerwand
aufgehängt wird, ist ein anderes altgermanisches
Sinnbild der verlorenen Freiheit. Nicht in allen
Gegenden sind die Bräuche die gleichen, so wenig
wie die bunten herrlichen Trachten.
In den freundlichen, überaus reinlich gehal-
tenen Zimmern hängen nahe an der Decke endlose
Reihen von kleinen Krügen aus gebranntem Ton; diese nirgends fehlende
Zierde — zuweilen sind es Hunderte solcher Krüge — ist der Stolz der
Frauen bei häuslichen großen Festen. Die Truhe in der Wohnstube, die
Türen, der Schrank und die Bettstätten sind buntfarbig bemalt; meist
heben sich auf lichtblauem Grund rote und weiße Blumen mit gefälligen
Ornamenten ab. Die reichen Linnenschütze werden im Hause gesponnen,
gewoben und farbenfröhlich gestickt. Der sächsische Bauer speichert gern auf.
Ein Sprichwort lautet: „Geld kann gestohlen werden, nicht aber Korn."
Aus Siebenbürgen: Szeklermadchen am Webstuhl.
Am Ziehbrunnen.
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DarVuchfüvAtle
Trajana stand, liegt jetzt unter Trüinmerwerk das walachische Dorf
Eredischtje.
Der Reichtum der um 1560 ungarisch gewordenen. Stadt Klausen-
burg war sprichwörtlich, und gleiches galt von den Plätzen Hermannstadt,
Kronstadt und Bistritz. Die fremden Naubhorden wußten zu jeder Zeit,
daß sich glückliche Überfälle lohnten. Die rechtmäßig erhobenen Steuern
allein betrugen im Sachsenlande um 1585 die stattliche Summe von
85 000 Gulden. Damals kosteten drei Maß des besten Weines drei
Pfennig, eineinhalb Pfund
Fleisch einen Pfennig, und
ein Kübel Getreide wurde
mit zehn Pfennig gewertet.
Das Geld stand im zehn- bis
Zwanzigfachen Wert gegen
den heutigen Kurs. Nicht
zuletzt dankte das Sachsen¬
land seinen Reichtum dem
Handel. Die Donaugegend
wimmelte von räuberischen
Piraten, und so ging im sech¬
zehnten Jahrhundert ein statt¬
licher Teil des Levantehan¬
dels, aus Furcht der Kauf¬
leute vor den Türken,Alber
Siebenbürgen nach Danzig.
Erst der Seeweg ums Kap
der Guten Hoffnung brachte
diese Beziehungenzum Stocken
und Erlahmen.
Von der großen geschicht¬
lichen Vergangenheit dieses
merkwürdigen Landes wissen
wir leider fast nichts, und nur¬
wenig von seinen tragischen
Kämpfen in unserer Zeit.
Heute sind die Walachen, die vor dem zwölften Jahrhundert im Land
noch unbekannt waren, und die Rumänen zu gewaltiger Überzahl ge-
diehen. Die Deutschen Siebenbürgens, von fremden und offenkundig
feindlichen Völkerschaften umringt, hielten mit rührender Treue an ihrer
Muttersprache und an heimatlichen Bräuchen und Sitten fest,' sie blieben
deutsch gesinnt unter fremdem Druck, mehr als man es bei unserer
früheren Gleichgültigkeit gegen ihr Schicksal er¬
warten durfte.
Noch findet man ältestes Herkommen unter
ihnen bewahrt und Gewohnheiten lebendig, die
sie vor siebenhundert Jahren ins fremde Land
brachten und die im Mutterland längst erloschen
sind. Mit Recht konnte gesagt werden, die
Siebenbürger seien ein Stück ältester lebendig
gebliebener Vergangenheit, ein verlegtes Blatt
aus einer alten Chronik.
Wird in Siebenbürgen ein neuer Hausstand
gegründet, so erscheinen die Freunde des jungen
Mannes im Haus der Eltern, die eine heirats¬
fähige Tochter haben. Nach uraltem deutschem
Brauch darf kein Mann persönlich um die Braut
freien; die Werbung muß durch Abgesandte nach
vorgeschriebenen Regeln mit Worten geschehen,
die seit Jahrhunderten feststehen. Gibt der Braut¬
vater seine Zustimmung, so folgt nach einigen
Tagen das „Brautvertrinken" als das eigentliche
Verlöbnis. Danach werden im Pfarrhof die
Ringe gewechselt; die Braut und der Verlobte
erscheinen vor dem Geistlichen, jedes trägt einen
fast zwei Fuß hohen Strauß aus künstlichen
Blumen mit goldenen Blättern und rauschendem
Flittergold in der Hand. Nach altem Herkommen
finden Hochzeiten auf den Dörfern gemeinschaft¬
lich statt, und immer zu Zeiten, wo die Feste
keine Störung in die Haus- und Feldwirtschaft
bringen; um Ostern und Pfingsten sind keine
glücklichen Tage dafür. Zur richtigen Zeit gilt der Mittwoch al» Glückstag
für den Eheschluß. Sind junge Paare einander zur Hochzeit bestimmt,
dann senden die Nachbarn ihre Geschenke: Eier, Butter, Hühner, Mehl und
alles zum Fest Nötige. Schon am Freitag und Samstag helfen die grauen
des Dorfes im Hochzeitshause bei den Vorbereitungen. Am Sonntag gehen
junge Burschen im schönsten Staat mit einem weißen Stab, dessen oberes
Ende ein Strauß ziert, an dem ein langes rotes Band flattert, von Haus
zu Haus und laden die Gäste ein. Die nächsten Verwandten müssen drei¬
mal aufgefordert werden, andere werden nur „ehrenhalber" geladen; sie
erscheinen nicht, schicken aber ihre Gaben zum Hochzeitsmahl. Am Montag
ziehen die Frauen, welche die Nacht im Brauthause verbrachten, durchs
Dorf und machen Lärm mit Schaufeln, Feuerzangen und Pfannen; sie
wecken die Freundinnen der Braut, die zur Arbeit helfen müssen. Wer
fernzubleiben wagt, wird gebunden und. mit Gewalt abgeholt. Der
Dienstag vergeht mit weiteren Vorbereitungen zum Haupttag. Am Abend
nimmt die Braut Abschied von ihren jungen Genossinnen, die im Lauf
des Tages Sträuße für die zur
Hochzeit geladenen Burschen
banden und verteilten. Der
Vorabend endet mit einem
Lied, das die Mädchen vor
der Braut singen.
Am eigentlichen Hochzeits-
tag, am Mittwoch sendet der
Bräutigam in aller Frühe
der Verlobten die „Morgen-
gabe". An manchen Orten
sind es neue Schuhe. Nach alt-
germanischer Auffassung be-
deutet das Anziehen der vom
Bräutigam geschenkten Schuhe,
daß die Braut sich dem Manne
unterwirft; sie gibt ihm da-
für das von ihr reich gestickte
Hemd, das der Mann nur am
Hochzeitstage trügt. Nach der
Trauung wird es in: Kasten
bewahrt und erst als Leichen-
kleid wieder angezogen.
Dann wird die Braut von
den Freunden' des Bräuti-
gams, mit ihm an der Spitze,
eingeholt. Zigeuner marschie-
ren mit lustigen Weisen dem Zug voraus, dem auf einem Wagen die Mit-
gift, der mit bunten Bändern reich aufgeputzte Hausrat, folgt. Der Verlobte
trägt einen stattlichen Strauß; farbige Bänder schmücken das Gebilde aus
künstlichen Blumen mit goldenen Blättern. Schon am Sonntag vorher
stand der Hochzeitsstrauß vor dem Kirchenplatz des jungen Mannes. Um-
ständlich wird von den Eltern die Herausgabe der Braut erbeten; von zwei
Führern geleitet, erscheint sie, um mit dem Zug
in die Kirche zu gehen. Dort schweigt die Musik,
und nach alter Sitte suchen die Geschlechter von-
einander getrennt ihre Plätze auf. Später holt
jeder Jungmann seine Braut von ihrem Sitz und
geleitet sie vor den Altar, wo der Geistliche sie
einsegnet. Nur ein „versprochenes" Mädchen
trägt die rundliche Kopfbedeckung mit dem gold-
gestickten Saum.
Nach dem Kirchgang beginnt das Hochzeitsfest
mit Lustbarkeit und Tanz, das als Feier für den
ganzen Ort drei Tage und Nächte dauert.
Am zweiten Tag erscheint die junge Frau im
Kopfputz der verheirateten Frau. Den Mädchen-
schmuck nahmen ihr vorher die Gespielinnen ab
und banden ihr dafür ein schneeweißes Linnentuch
um, das an die klösterlichen Hauben erinnert; nur
reicher geschmückt ist es mit Knöpfen von Perlen
und Granaten. Ehe die junge Frau dies Zeichen
der Frauenwürde erhielt, wurde ihr das lange
Haar abgeschnitten, der einzige, von Bändern
durchzogene Schmuck ihrer Mädchenzeit. Das
abgenommene Haar, das an manchen Orten mit
schönen Bändern geschmückt an der Zimmerwand
aufgehängt wird, ist ein anderes altgermanisches
Sinnbild der verlorenen Freiheit. Nicht in allen
Gegenden sind die Bräuche die gleichen, so wenig
wie die bunten herrlichen Trachten.
In den freundlichen, überaus reinlich gehal-
tenen Zimmern hängen nahe an der Decke endlose
Reihen von kleinen Krügen aus gebranntem Ton; diese nirgends fehlende
Zierde — zuweilen sind es Hunderte solcher Krüge — ist der Stolz der
Frauen bei häuslichen großen Festen. Die Truhe in der Wohnstube, die
Türen, der Schrank und die Bettstätten sind buntfarbig bemalt; meist
heben sich auf lichtblauem Grund rote und weiße Blumen mit gefälligen
Ornamenten ab. Die reichen Linnenschütze werden im Hause gesponnen,
gewoben und farbenfröhlich gestickt. Der sächsische Bauer speichert gern auf.
Ein Sprichwort lautet: „Geld kann gestohlen werden, nicht aber Korn."
Aus Siebenbürgen: Szeklermadchen am Webstuhl.
Am Ziehbrunnen.