Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
282

DasBuchfürAüe

8M 12

Die Pciile-Bas, die neugierig war, stand von ihrer Bant auf,
sagte aber gleich darauf: „I weist et — des isch nur doch z'domm,
so vor älle dene Leut..."
Aber da uindrängten sie schon die anderen und schrien: „A Kunst-
stück! Er will no aKonststückle mache! Mit sellem Weib macht er oins."
Und der Paile-Bas, die von allen Seiten nach vorn gedrängt und
gedrückt wurde, blieb nichts anderes übrig, als sich in Gottes Namen
auf den Sessel vom verstorbenen Eichhörnleswirts-Schwiegervater
hinzusetzen. Den Luike-Hannes schickte der Kunststückler zurück zu
den übrigen. Um die Paile-Bas herum aber stellte er den roten
Bettschirm, grad wie vorher um seine eigene Frau, und begann
wieder sein Herenzeug, derweil der Hannes mehr tot als lebendig
dasast. Endlich aber nahm er den Bettschirm fort und richtig —
dem Hannes lief es eiskalt den Buckel hinunter — das Paile war
weg. Ganz weg. Nicht
einmal ihre Schuhe standen
mehr da.
Das Wunder war ge¬
schehen. Die Paile-Bas war
verschwunden. Ein wohli¬
ger Schauer durchrieselte den
Hannes, und aufgeseufzt hat
er aus tiefster Brust. Hinter
ihm die immer noch jubeln¬
den Leute alle... Vor ihm
aber eine neue Erde, ein neuer
Himmel, ein neues Leben —
ohne das Paile .. .
Da auf einmal aber wurde
an d em Zelt d es Hexenmeisters
der Vorhang zurückgerissen,
und wer sprang heraus, rot
vor Zorn, gerade auf ihn zu,
beide Fäuste in der Luft? Das
Paile! Herrgott im Himmel
— das leibhaftige Paile!
„Was send denn des für
Narresbosse? Haltscht du mi
zom Besetzte, vor älle dui
Leut, du Luder, du?"
„Mei Geld!" schrie der
Hannes ganz unsinnig und
fuhr auf den Scheuren-
purzler los. „Hänt Sui mir
et mei Weib verschwende
wölle laon? Ond jetzet isch
sui scho wieder do, ond hätft
doch fortbleibe solle für älle
Zeit ond Ebigkeit!"
„Meine Frau kommt auch
jedesmal wieder zurück," antwortete der Scheurenpurzler ganz ver-
zagt; ihm wurde angst und bang vor dem Luike-Hannes. „Sehen
Sie, dort drinnen in der Wirtsstube itzt sie jetzt zu Nacht, Kartoffel-
salat und Knöpfte."

Und der Hannes sah wirklich durchs Fenster das blaue Kleid mit
den weisten Blümlein und die Frau dazu, wie sie behaglich ast, ganz
wie ein anderer Mensch von Fleisch und Blut auch.
„Sui hänt mi betröge!" Der Luike-Hannes schrie es in bitterer
Wut. „Verschwende hänt Sui se lasse solle, jo, aber et wieder
komme. Betröge hänt Sui mi! Mei Geld raus, sag i, oder —"
Jetzt mengte sich auch das Paile mit Gezeter in den Streit, und
mit einem Mordslärm umdrängten sie die übrigen Gäste.
„De Schandarm, de Schandarm her!" rief der Hannes einmal
über das andere, und der Wirt mahnte umsonst zur Ruhe; auf ihn
achtete niemand mehr.
Es wäre zu einer regelrechten Prügelei gekommen, wenn der
Scheurenpurzler, dem es nimmer geheuer war, sich nicht freiwillig er-
boten hätte, die Hälfte des Geldes, dreihundertzweiundvierzig Mark
und fünfzig Pfennig, wieder
Herauszug eben. Er habe sein
Wort gehalten und das Paile,
wie ihm jedermann von den
Anwesenden bezeugen könne,
richtig verschwinden lassen.
Dast es nachher wieder erschie-
nen sei, dafür könne er nichts.
Damit mutzte sich der Han-
nes zufrieden geben, denn die
Bauern alle stimmten dem
Scheurenpurzler bei. Sie
hatten alle mit eigenen Augen
gesehen, wie die Paile-Bas
verschwand.
Mit hängendem Kopf steckte
der Hannes die dreihundert-
zweiundvierzig Mark und
fünfzig Pfennig wieder ein,
und zwei Tränen rollten ihm
dabei in den Stoppelbart.
So ist er wieder heimge-
zogen, derLuike-Hannes: ohne
die Schecke, aber mit der
Paile-Bas, und im Sack statt
sechshunderrfünfundachtzig
Mark nur die Hälfte . . . Da-
zu schimpfte und zerfte sein
Paile auf dem ganzen langen
Weg ins Dorf zurück wie vor
dem Verkauf von der Schecke
auch, nur noch viel, viel ärger.
Oft blieb der Hannes un-
terwegs stehen, seufzte und
kratzte sich im Genick. Ihm
war die ganze Welt vergällt.
Es war nur gut, datz sein Paile nicht so recht wutzte, was er eigent-
lich mit dem Verschwinden im Sinn gehabt. Das Regiment würde
sie aber führen, wie bisher auch, das stand fest und immer so
fort, bis an sein oder ihr seliges Ende.


c lon 3 - Lee













lll







-----

s






Übersichtskarte zu den Kämpfen in Deutsch-Ostafrika.



ft zr>/'///^.

MM , >




F-V//T<7/7


Oeutsch-Ostafrika im Weltkrieg.
Von Georg Martin.
Mit vier Bildern vom Leipziger Presse-Büro und einer Kartenskizze.
er Vorschlag der deutschen Regierung, den europäischen
Krieg nicht auf afrikanischen Boden auszudehnen, hatte
keine Zustimmung bei der Entente gefunden. Die Folge
war, datz um den deutschen Kolonialbesitz bald nach der Kriegs-
erklärung die Feindseligkeiten begannen, bei denen in der Haupt-
sache die farbigen Hilfstruppen der beiden Parteien gegeneinander-
kämpften zum Schaden des Ansehens aller Europäer, der nie
wieder gut zu machen ist. Das Schicksal der deutschen Kolonien
wird zwar in Europa entschieden, aber es ist nicht zu verhindern
gewesen, datz einstweilen Deutsch-Togo, Kamerun und Südwestafrika
fast ganz von den Engländern besetzt wurden. Wesentlich anders
gestalteten sich die Verhältnisse in Deutsch-Ostafrika, das auch heilte

noch, nach dreitzigmonatigen Kämpfen gegen eure von allen Seiten
anstürmende, zahlenmätzig weit überlegene Macht, erfolgreichen
Widerstand leistet.
Das deutsche Schutzgebiet in Ostafrika, das mit 941 000 Quadrat-
kilometern Flächeninhalt und einer Bevölkerung von ungefähr
lll/4 Millionen Farbigen und etwas über 2500 Deutschen von einer
Schutztruppe gehalten wird, die wenige tausend Mann zählt, ist in-
folge der Abschneidung jeder Zufuhr von vornherein nur auf die
Verteidigung angewiesen gewesen. Der Kommandeur der Schutz-
truppe, Oberst v. Lettow-Vorbeck, sah die wirkungsvollste Ver-
teidigung des weiten Landes darin, datz er den Feind im eigenen
Gebiet angriff, um die dortige Operationsbasis nach Möglichkeit
lahm zu legen. Zu dein Ende wurde im August 1914 Hauptmann
Schulz mit einer Abteilung Askari von Moschi im Kilimandscharo-
gebiet aus nach Britisch-Ostafrika geschickt. Dieser Truppe folgte
später mit einer weiteren Abteilung Oberleutnant Spalding. Den
englischen Widerstand im Grenzgebiet brechend, drangen die deutschen
 
Annotationen