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Phot. Presse-Photo-Dertri'eb Paul Wagner, Berlin.

An der Scheinwerferstation.


Phot. rr Sennecke, Berlin.

Nach dem Abstieg zur Moldau.

Ohne aufzustehen, reichte der Fremde dem Uniformierten seinen Paß.
„So — hm — Arel Barloff, Bürger der Vereinigten Staaten.
Woher kommen Sie?"
„Neuyork."
„Und wohin wollen Sie?"
„Nach Hamburg."
„Beruf?"
Der blonde Hüne lachte über das ganze Gesicht, als er leichthin
antwortete: „Wird
sich erst finden."
Der Gendarm
schüttelte den Kopf.
Er konnte nichts ma¬
chen. Der Paß war
in Ordnung, beim
Bettel überraschte er
den Wandersmann
nicht und im Stra¬
ßengraben durfte je¬
der sitzen. Er bestieg
sein Pferd wieder
und ritt weiter. Arel
sah ihmspöttischnach.
Nach einer Weile
tauchte von Süden
her eine Gestalt auf,
ein ganz „Wasch¬
echter", den der Gen¬
darm wohl nicht so
leichten Kaufs hätte
laufen lassen. Der
Mann war untersetzt
und breit in den
Schultern, sein Ge¬
sicht starrte von
grauenBartstoppeln,
an der Joppe fehlte
dieHalftederKnöpfe,
sein Hut war für eine Feldscheuche zu schlecht. Er setzte die Zehen
vorsichtig auf den harten Kiesgrund; manche Meile lag hinter seinen
Füßen-
Als er näherkam und den Genossen am Grabenrand entdeckte, machte
er einen Bogen auf die andere Seite. Arel sprang auf und starrte
demPennbruderinsGesicht.
„Mensch, Bagge, bist
du es?"
„Wür'sliebernicht," ent¬
gegnete der ehemalige Le¬
gionär mürrisch und lupfte
seine Hosen nach Matrosen¬
art; „wo kommst du her?"
„Direkt aus Amerika."
„Hast du Tabak mit¬
gebracht?"
Arel lachte. Die Frage
klang gar zu komisch bei
diesem unvermuteten Wie¬
dersehen. Als sie sich in der
algerischen Wüste trennten,
stopfte Bagge gerade seinen
Stummel und hatte keine
Hand frei; jetzt zog er wie¬
der eine schwarzgerauchte
Pfeife aus dem Sack.
„,Old English- kannst du haben," entgegnete Arel, „der ist besser
als der verdammte ,Capora?, den Marianne uns lieferte."
Sie setzten sich zusammen und qualmten. Hinter ihnen wetter-
leuchtete es aus der schwarzen Wolkenbank. Der Jüngere hatte
seine Flucht nach Algier geschildert und wie er auf den Amerikaner
kam; dann fuhr er fort: „Verdammt will ich sein, wenn es drüben
nett war, aber man ließ mir wenigstens meine Freiheit. Ich bin aller-
lei gewesen: Kohlentrimmer auf einem Mississippidampfer, Cowboy

im fernen Westen, zuletzt Baarkeeper in Neuyork. Ich habe Englisch
gelernt wie meine Muttersprache, das amerikanische Bürgerrecht
blieb an mir hängen, und nun - sitze ich hier auf der Straße."
„Warum?" fragte Bagge.
„Weiß nicht, Niels, das ist so 'ne verfluchte Sache. Ich wollte
mal wieder übers Wasser, sehen, wie es da ausschaut. Drüben sagten
sie, die Deutschen würden nächstens Prügel kriegen, King Eduard
hätte ihnen eine Suppe danach angerichtet. Na, nun ist er ja tot."
Bagge spuckte aus
.— — ^d) sah ins Leere.
Arel fragte: „War-
um bliebst du nicht
in der Legion?"
„Meine Zeit war
um, befördert hätten
sie mich nie. Ich sitze,
solang ich lebe, zwi-
schen zwei Stühlen,
und jetzt erst recht.
KeinKapitän heuert
einen alten Matro-
sen, es wird wohl das
beste sein, ich bleibe
auf der Walze, bis
die Raben mich Hin-
term Zaun finden."
Er war anders ge-
word en,der alte Niels
Bagge, nicht weni-
ger hinterhältig, aber
fahriger in seinem
Wesen und mit noch
scheuerem Blick als
ehedem. Er sah hin-
ter sich in das schwar-
ze Gewölk, stand auf
und hing sich den
„Berliner" um.
„Es kommt doch herauf. Du machst ja wohl nach der anderen
Seite, dann können wir hier gleich Abschied nehmen. Gib mir noch
'ne Pfeife voll von dem ,old Engliskst."
„Du hast noch einen Stein im Brett bei mir," entgegnete Arel,
„vorläufig bleiben wir zusammen; ich gehe auch nach Norden, bis
Hamburg und weiter hin-
-—- auf."
Recht schien es dem an-
deren nicht zu sein, denn
er brummte etwas in die
Bartstoppeln, fügte sich
indessen doch und griff
das letzte Wort des neuen
Gefährten auf.
„Einen Stein hab' ich
bei dir im Brett, Kame-
' rad. Wegen der alten Ge¬
schichte — na ja, meinet-
wegen, die kannst du jetzt
wett machen. Du kommst
von Bremen, was?"
„Ja, mit dem Lloyd,
Zwischendeck."
„Glaub' ich. Nach erster
Kajüte riechst du nicht ge-
rade von weitem. Ich bin
vom Süden heraufgetippelt, immer der Magnetnadel nach ... Gestern
hab' ich was Dummes angestellt. Ich lag mit der Pfeife in einer
Strohdieme, und das Zeug fing an zu brennen. Nun sind sie
mir natürlich auf den Hacken. Verstehst du mich, Junge, wenn
wir schon von Bremen her beisammen waren, dann kann mir kein
Mensch was wollen wegen der Strohdieme."
Arel nickte gleichgültig: „Wenn's weiter nichts ist, den Gefallen kann
ich dir tun. llbrigens ritt vorhin ein Gendarm vorbei." «Fory-tz. folgt.»
 
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