Heftis
DasBuchsürAll«
321
ab und zu auf deu wandern-
werdeu
aber aus den Augeu. Ging es dir heute nicht
widerfahren
Wegen des
nach auf
Sie mutzte allein gehen, denn
. Das junge
Fragen
zu eut-
Drahthindenüsse an einem See des Kaestgebieles.
„Ja, es ist jetzt manchmal schon ein bißchen frisch in den
Nächten."
Sie schauderte, ging an ihre Kommode und reichte ihm
Geld.
„Fünfzig Maik; nimm das. Mehr hab' ich im Augenblick nicht,
aber mein Gehalt wird bald fällig. Beiden kannst du bei mir nicht,
Arel. Nicht einmal bis heute früh. Ich muß dich bitten, zu gehen.
Suche das nächste Hospiz und miete dir morgen eine Dachkammer.
In der Volksküche kannst du essen."
„Und später?" fragte er mutlos.
„Eins nach dem anderen, Arel. Der häßliche Fleck auf deiner
Ehre wird sich schon tilgen lassen; dann wird man dir auch Arbeit
geben."
„Du glaubst an meine Unschuld glaubst, das; ich kein Mörder
bin?"
„Ja," entgegnete sie ruhig. „Und nun geh, in meiner Nachbar-
schaft wohnen Leute, die früh zur Arbeit müssen."
Zuletzt hatte sie doch ihr starres Wesen abgestreift und war weich
geworden, aber als Arel zum Abschied ihre Lippeu küsseu wollte,
wehrte sie ihn leise ab; sie fühlte, das; ihn in diesem Augenblick
Dankbarkeit dazu trieb. Als A.rel auf der Straße stand, schlug es
drei Uhr. Horteuse hätte uoch eiu paar Stunden schlafen können;
aber sie blieb bei der brennenden Lampe sitzen und grübelte bis
der Morgen dämmerte.
Dann ging sie in das Schlafzimmer, um die heißen Augen mit
Wasser ZU kühlen. «Fortsetzung folgt.)
den Zeiger der Uhr
und schilderte ihr
kurz alles, was ihm
seit der Flucht aus
dem Vaterhaus bis
zur Entlassung aus
der Untersuchungs-
haft
war.
immer
ihm ruhenden Ver-
dachts hatte er nir-
gends Arbeit finden
können, höchstens
hie und da einen
kleinen Verdienst als
Zettelträger für eine
Zeitung.
Hortense unter-
brach ihn mit kei-
nem Mort; als er
schwieg, fragte sie:
„Aber eine Woh-
nung hast du doch?"
„Nein."
„Jetzt, Ende Ok-
tober!"
Wünsche Berücksichtigung fänden,
oder im Kriegsministerium; man hat dort immer verläßliche Kräfte
nötig."
Danrit brach die Unterhaltung ab. Es war spät geworden und
Hortense dachte an den Heimwege D'
das Ehepaar wohnte in einer anderen Stadtgegend.
Mädchen wußte sich selbständig genug, zu benehmen, und von der
Dorotheenstraße, wo die Weinstube lag, bis in die Behrendstraße
war die Entfernung nur genug.
Unter den Linden begann das Leben abzuebben; als Hortense
in den Durchgang einbog, lag alles sckwn still. Sie beeilte sich,
denn gerade in diesem langen Raurst traf man nach Mitternacht ver-
dächtige Gestalten. Der nächste Schutzmannsposten stand erst an der
Kreuzung der Friedrich- und Behreüdstraße.
Hortense war bis über die Mit^e gelangt, als aus einer Seiten-
nische eine Gestalt in das grelle Licht der Bogenlampen trat.
Hortense sah sofort, wen sie vor sich Hätte, sie glaubte es wenig-
steus zu wissen: dieser große, hübsche Mann mit dem blasser Ge-
sicht und dem blonden Vollbart war Einer jener Obdachlosen, die sich
mit allerhand An¬
erbieten dem Nacht¬
schwärmer aufdrün-
gen, und gerade
noch anständig ge¬
nug gekleidet sind
um deu
der Polizei
gehen.
Selten
Frauen von solchen
Leuten belästigt.
Hort en sc bog aus.
Plötzlich hörte sic
ihren Namen ner¬
ven. Der Klang
dieser Slimmc er¬
schreckte sie. Sie
blieb stehen.
„A.rel, nm Got¬
tes willen, bist du
es wirklich?"
„Erraten," ent¬
gegnete er und trat
neben das Mädchen.
„Ich sah dich neu¬
lich schou auf der
Straße, verlor dich
gut?"
Horteuse schoß das Blut ius Gesicht; traurig sagte sie: „Was
denkst du, A.rel?"
„Ich kauu mich irren, aber wo kommst du um diese Stunde
her?"
„Aus eiuer Weinstube, wo ich mit Bekaunteu war — einen: jungen
Ehepaar..."
„So," sagte A.rel gedehnt.
Sie gingen neben einander; plötzlich lachte Arel hart auf.
„Dann hast du wahr scheiulich auch zu Abeud gegessen?"
„Natürlich! Du nicht?"
„Das kommt nicht jeden Tag an mich," sagte er undeutlich.
„Ich bin ein Lump geworden," setzte er in bitterem Spott hinzu.
Hortense sagte nur: „Hast du Hunger?"
„Ein wenig — ja."
Das Mädchen biß die Zähne zusammen, um uicht laut hinaus
zu schreieu; danu blieb sie am Ausgaug des Durchgangs stehen und
sah sich um. h
„Dort drüben ist noch offen, aber ich weiß nicht-"
Are! strich über seinen schlechten Rock und meinte: „Man wird
auch scheel ansehen..."
„Gut," sagte sie entschlossen, „komm mit nach meiner Wohnung,
dort kann ich dir etwas geben; das übrige wird sich finden."
Auf den: kurzen Wege sprachen beide kein Wort mehr. Arel
schien Fragen nach seinen Erlebnissen zu erwarten und sah Hortense
vielleicht im Auswärtigen Amt wiederholt von der Seite an, aber sie war ganz mit dem Nächst-
liegenden beschäftigt und ging so schnell, daß er ihr bei seinem
erschöpften Zustand kaum folgen konnte. Sie kamen durch zwei
finstere Höfe; Horteuse mußte Arel an der Hand führen. Mit leiser
Stimme gab sie ihnr die nötigen Anweisungen, schloß geräuschlos
auf und benahm sich so umsichtig, daß in Arel abermals häßlicher
Verdacht aufstieg. Hortense schien auch das zu ahnen, denn als
er endlich in dem hübsch eingerichteten Zimmer auf dem Sofa saß,
warf sie einen Blick auf die Uhr und sagte: „Arel, du bist der erste
Mann, der diesen Raunr betritt. Vergiß nie, daß wir als Geschwister
aufgewachsen sind, wenn auch vielleicht etnmal eine Jugendtorheit
zwischen uns stand. Ich verdiene mein Brot ehrlich, was ich dir
jetzt davon gebe, ist durch rpeine Arbeit erworben."
Darrn setzte sie ihnrEssen vor; er war zu hungrig, um es verbergen
zu können. Mit gefalteten Händen und großen Augen saß Hortense
neben ihnr. Es war kaum zu ertragen, ihn in diesem Zustand an-
zusehen. Als er gesättigt war, fragte sie: „Willst du mir nun er-
zählen, Arel?"
Er drückte sich irr die S
XIV. 1917.
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ab und zu auf deu wandern-
werdeu
aber aus den Augeu. Ging es dir heute nicht
widerfahren
Wegen des
nach auf
Sie mutzte allein gehen, denn
. Das junge
Fragen
zu eut-
Drahthindenüsse an einem See des Kaestgebieles.
„Ja, es ist jetzt manchmal schon ein bißchen frisch in den
Nächten."
Sie schauderte, ging an ihre Kommode und reichte ihm
Geld.
„Fünfzig Maik; nimm das. Mehr hab' ich im Augenblick nicht,
aber mein Gehalt wird bald fällig. Beiden kannst du bei mir nicht,
Arel. Nicht einmal bis heute früh. Ich muß dich bitten, zu gehen.
Suche das nächste Hospiz und miete dir morgen eine Dachkammer.
In der Volksküche kannst du essen."
„Und später?" fragte er mutlos.
„Eins nach dem anderen, Arel. Der häßliche Fleck auf deiner
Ehre wird sich schon tilgen lassen; dann wird man dir auch Arbeit
geben."
„Du glaubst an meine Unschuld glaubst, das; ich kein Mörder
bin?"
„Ja," entgegnete sie ruhig. „Und nun geh, in meiner Nachbar-
schaft wohnen Leute, die früh zur Arbeit müssen."
Zuletzt hatte sie doch ihr starres Wesen abgestreift und war weich
geworden, aber als Arel zum Abschied ihre Lippeu küsseu wollte,
wehrte sie ihn leise ab; sie fühlte, das; ihn in diesem Augenblick
Dankbarkeit dazu trieb. Als A.rel auf der Straße stand, schlug es
drei Uhr. Horteuse hätte uoch eiu paar Stunden schlafen können;
aber sie blieb bei der brennenden Lampe sitzen und grübelte bis
der Morgen dämmerte.
Dann ging sie in das Schlafzimmer, um die heißen Augen mit
Wasser ZU kühlen. «Fortsetzung folgt.)
den Zeiger der Uhr
und schilderte ihr
kurz alles, was ihm
seit der Flucht aus
dem Vaterhaus bis
zur Entlassung aus
der Untersuchungs-
haft
war.
immer
ihm ruhenden Ver-
dachts hatte er nir-
gends Arbeit finden
können, höchstens
hie und da einen
kleinen Verdienst als
Zettelträger für eine
Zeitung.
Hortense unter-
brach ihn mit kei-
nem Mort; als er
schwieg, fragte sie:
„Aber eine Woh-
nung hast du doch?"
„Nein."
„Jetzt, Ende Ok-
tober!"
Wünsche Berücksichtigung fänden,
oder im Kriegsministerium; man hat dort immer verläßliche Kräfte
nötig."
Danrit brach die Unterhaltung ab. Es war spät geworden und
Hortense dachte an den Heimwege D'
das Ehepaar wohnte in einer anderen Stadtgegend.
Mädchen wußte sich selbständig genug, zu benehmen, und von der
Dorotheenstraße, wo die Weinstube lag, bis in die Behrendstraße
war die Entfernung nur genug.
Unter den Linden begann das Leben abzuebben; als Hortense
in den Durchgang einbog, lag alles sckwn still. Sie beeilte sich,
denn gerade in diesem langen Raurst traf man nach Mitternacht ver-
dächtige Gestalten. Der nächste Schutzmannsposten stand erst an der
Kreuzung der Friedrich- und Behreüdstraße.
Hortense war bis über die Mit^e gelangt, als aus einer Seiten-
nische eine Gestalt in das grelle Licht der Bogenlampen trat.
Hortense sah sofort, wen sie vor sich Hätte, sie glaubte es wenig-
steus zu wissen: dieser große, hübsche Mann mit dem blasser Ge-
sicht und dem blonden Vollbart war Einer jener Obdachlosen, die sich
mit allerhand An¬
erbieten dem Nacht¬
schwärmer aufdrün-
gen, und gerade
noch anständig ge¬
nug gekleidet sind
um deu
der Polizei
gehen.
Selten
Frauen von solchen
Leuten belästigt.
Hort en sc bog aus.
Plötzlich hörte sic
ihren Namen ner¬
ven. Der Klang
dieser Slimmc er¬
schreckte sie. Sie
blieb stehen.
„A.rel, nm Got¬
tes willen, bist du
es wirklich?"
„Erraten," ent¬
gegnete er und trat
neben das Mädchen.
„Ich sah dich neu¬
lich schou auf der
Straße, verlor dich
gut?"
Horteuse schoß das Blut ius Gesicht; traurig sagte sie: „Was
denkst du, A.rel?"
„Ich kauu mich irren, aber wo kommst du um diese Stunde
her?"
„Aus eiuer Weinstube, wo ich mit Bekaunteu war — einen: jungen
Ehepaar..."
„So," sagte A.rel gedehnt.
Sie gingen neben einander; plötzlich lachte Arel hart auf.
„Dann hast du wahr scheiulich auch zu Abeud gegessen?"
„Natürlich! Du nicht?"
„Das kommt nicht jeden Tag an mich," sagte er undeutlich.
„Ich bin ein Lump geworden," setzte er in bitterem Spott hinzu.
Hortense sagte nur: „Hast du Hunger?"
„Ein wenig — ja."
Das Mädchen biß die Zähne zusammen, um uicht laut hinaus
zu schreieu; danu blieb sie am Ausgaug des Durchgangs stehen und
sah sich um. h
„Dort drüben ist noch offen, aber ich weiß nicht-"
Are! strich über seinen schlechten Rock und meinte: „Man wird
auch scheel ansehen..."
„Gut," sagte sie entschlossen, „komm mit nach meiner Wohnung,
dort kann ich dir etwas geben; das übrige wird sich finden."
Auf den: kurzen Wege sprachen beide kein Wort mehr. Arel
schien Fragen nach seinen Erlebnissen zu erwarten und sah Hortense
vielleicht im Auswärtigen Amt wiederholt von der Seite an, aber sie war ganz mit dem Nächst-
liegenden beschäftigt und ging so schnell, daß er ihr bei seinem
erschöpften Zustand kaum folgen konnte. Sie kamen durch zwei
finstere Höfe; Horteuse mußte Arel an der Hand führen. Mit leiser
Stimme gab sie ihnr die nötigen Anweisungen, schloß geräuschlos
auf und benahm sich so umsichtig, daß in Arel abermals häßlicher
Verdacht aufstieg. Hortense schien auch das zu ahnen, denn als
er endlich in dem hübsch eingerichteten Zimmer auf dem Sofa saß,
warf sie einen Blick auf die Uhr und sagte: „Arel, du bist der erste
Mann, der diesen Raunr betritt. Vergiß nie, daß wir als Geschwister
aufgewachsen sind, wenn auch vielleicht etnmal eine Jugendtorheit
zwischen uns stand. Ich verdiene mein Brot ehrlich, was ich dir
jetzt davon gebe, ist durch rpeine Arbeit erworben."
Darrn setzte sie ihnrEssen vor; er war zu hungrig, um es verbergen
zu können. Mit gefalteten Händen und großen Augen saß Hortense
neben ihnr. Es war kaum zu ertragen, ihn in diesem Zustand an-
zusehen. Als er gesättigt war, fragte sie: „Willst du mir nun er-
zählen, Arel?"
Er drückte sich irr die S
XIV. 1917.