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sprüche, die ich übertrieben finde. Sie wissen ja, daß ich das Geld
seinerzeit in die Ehe gebracht habe, und nun soll ich kochen, was
gut und teuer ist, nur weil der Zängerl Magenweh hat. Da trinkt
man halt Tausendguldenkrauttee und beansprucht nicht Henderln*)
und andere Lu.ruritüten."
Hochaufgerichtet, in ihrer ganzen Dürre sah Frau Zängerl da,
als verbiete sie sich von vornherein jeden Widerspruch.
Die gütige Frau Direktor atmete auf, als die blasse, leidende
Frau des Geschichtsprofessors Vernik langsam an der Taruswand
vorüberkann Sie blieb manchmal stehen und schaute über die Sann
hinüber in die liebliche Landschaft, auf die wellige Hügelkette, an
deren Ende der viereckige Turm des alten Nikolaikirchleins aus den
Weingärten und Wäldern hervorschaute. Von der Sann her klang
das jauchzende Schelmenlied eines übermütigen Flößers.
Ein paar Schritte ging die Gastgeberin der gequält atmenden
Frau Vernik entgegen, legte mütterlich den Arm um die schmächtige
Gestalt und schalt: „Aber mein liebes Frauerl, warum laufen Sie
denn so? Da möcht' auch ich den Atem verlieren. Sie müssen sich
doch schonen, hat der Herr Doktor befohlen. Gewiß haben Sie da
heim noch für die Kinder alles ganz allein vorbereitet und sich dabei
recht abstrapaziert?"
„Freilich, Frau Direktor! Der Paul und der Hans werden
hungrig aus der Schule kommen. Wenn die alte Traudel vergißt,
ihnen die Jause zu geben, dann zanken sie mit ihr, und mir ist nichts
peinlicher als solcher Verdruß."
Frau Zängerl, eifersüchtig auf den umschlingenden Arni, sagte
bissig: „Aber Frau Vernik, setzen Sie sich doch; die Frau Direktor
wird Ihretwegen nicht so lange stehen wollen."
„Oh, das macht gar nichts," versicherte Frau Vielmann, „kommen
Sie, meine Liebe, es plaudert sich doch besser, wenn man sitzt."
Sorglich schob sie der hustenden Frau ein Bänkchen unter die Füße.
Die Gattin des Lateinprofessors Fink, eine sehr geputzte, etwas
ältliche Dame, kam mit der jungen Frau Biwald. Bei dem großen
Gartenbeet mit den Zentifolienbüschen holte sie Fräulein Luise ein,
die noch Blumen für den Tisch brachte.
Etwas schüchtern trat Lina in den Kreis der älteren Frauen.
Sie hatte den Winter über einsam in ihrem kleinen Haushalt ge
waltet, nur hie und da einer: Besuch auf dem Landussihof gemacht.
Erst im Frühjahr war Karl zu bewegen gewesen, sein Frauchen bei
den Kollegen einzuführen. Da mußte sie wohl noch allen örtlichen
Gepflogenheiten und Geschehnissen ziemlich fremd gegenüberstehen.
Aber die sanfte Frau Vernik nahm sich ihrer liebevoll an; wurde
ein fremder Name genannt, gab sie Aufschlüsse und Erläuterungen,
so daß Lina sich bald auskannte in der Gesellschaft des Städtchens.
Als man schon das zweite Mal die Tassen mit dem braunen
Tranke füllte, sah man in einem lichtblau und weiß gestreiften
Musselinkleid und unter einem neuen Florentinerhut Frau v. Landussi
ein wenig eilig auf dem Kiesweg näher kommen. Wie eine schöne
Fee trat sie in den Kreis der Damen; gleich rauschte das Gespräch
lebhafter und die jüngeren Frauen lachten Heller.
„Hat die gnädige Frau Direktor noch ein Schaleri Kaffee für
mich? Hat das liebe Fräulein Luise mir noch ein Stückeri Guglhupf
mit recht vielen Rosinen aufgehoben? Oh, vergelt's Gott! Ich hab'
schon Platz. Bitte sich ja nicht stören zu lassen. Wen haben denn
die Damen grab' ausgerichtet? Wird wohl nicht die Frau Regerl
vorn Landussihof gewesen sein, denn ich hab' nicht ein bisserl Schnackerl-
stoßen gehabt. Dank dir schön, Linerl!"
Die stellte der Freundin einen Sessel zwischen sich und Frau
Fink. Die Frau Direktor erkundigte sich nach dem Befinden des
Herrn v. Landussi.
„Danke schön. Mein Mann, der grabt halt wieder, als wenn
er dafür gezahlt kriegen tät. Gestern haben s' ein paar alte Vasen
gefunden; ich glaub', Amoren heißt man die Dinger."
Die Frau Professor Fink sagte hochmütig: „Meine liebe Frau
v. Landussi, Sie meinen wohl Amphoren, steinerne Krüge?"
«Ja, ja, so heißen s'! Sind halt alte Häfen."
Fräulein Luise bot Regina noch einmal den Kucheukorb und
strich bewundernd über den feinen Stoff des neuen Kleides. „Ich
muß nur immer Ihren guten Geschmack bewundern, gnädige Frau.
Das Kleid ist gewiß iu Grätz gemacht worden?"
„Ja, gefällt es Ihnen, Fräulein Luise? Eigentlich hat es meine
Mutter ausgewählt und mir noch ein zweites geschickt; es ist genau
so gearbeitet, aber rosenrot."
„Die Frau Dietelhauser muß das wohl verstehen," mengte Frau
Fink sich in das Gespräch, „ich erinnere mich sehr gut, daß ihre
Mutter eine Schneiderin in der Stempfergassen war und auch für
meine Mama gearbeitet hat."
„Das kann schon sein. Es leben in Grätz noch viele Frauen, die
bei meiner Großmutter arbeiten ließen. Sie war eine sehr brave
Frau. Sie hat nach dem vorzeitigen Tode ihrer Eltern mit ihren
fleißigen Händen sieben kleine Geschwister erziehen und versorgen
müssen. Damals hat es bei den noblen Damen manchmal mit der
Zahlung gehapert und die gute Großmutter ist gar oft um die Früchte
ihrer Arbeit gekommen," sagte Regina gutmütigen Tones. „Es
macht meiner Mutter auch sehr viel Spaß, für mich neue Kleider
auszudenken, weil sie weiß, wie sehr ich die Abwechslung liebe."
„Ja, wenn man es so hat wie Sie," sagte die neidige Frau
Fink, „unsere Väter verdienten eben nicht so viel wie der Herr
Bäckermeister von der Hofgassen zu Grätz."
Da hatte Frau v. Landussi wieder ihren Klaps. Es herrschte
ein steter Kleinkrieg zwischen den beiden. Frau Fink war die Tochter-
einer bekannten Schauspielerin irr Graz und hatte erst in vorge-
rückten Jahren den Professor Fink geheiratet. Regina kannte genau
das Vorleben der jetzt so hochmütigen Frau und gab ihr dies oft
zu verstehen. Aber den Krieg hatte doch die Frau Professor be-
gonnen, indem sie gleich bei der erster: Kaffeegesellschaft Rechnen
gefragt, ob sie auch Kipfeln backen könne.
„O ja, das kann ich schon," erhielt sie zur Antwort, „aber dafür
weiß ich nicht, wie man Briefe schreibt, un: die Studenten zu einem
Stelldichein in die Seufzerallee einzuladen."
Die Frau Direktor wandte sich ar: Lina: „Nur:, wie hat sich
denn unser jüngstes Frauchen bei uns eingelebt? Man sagt zwar,
ein Ehepaar lernt sich erst näher kennen, wem: es einen Scheffel
Salz gemeinsam verbraucht hat, doch ich hoffe, Sie, liebe Frau
Biwald, werde:: auch jetzt schor: recht glücklich und zufrieden mit
Ihrem Manne leben?"
„O ja. Frau Direktor sind zu gütig," antwortete Lina, ihr dunkles
Köpfchen noch tiefer über die mühsame Häkelarbeit senkend.
Regina hatte ihrer boshaften Nachbarin schor: wieder verziehen
und wandte sich an sie, ein Stück Papier arrs der Tasche ziehend:
„Sehen Sie doch, Fr.au v. Fink, was ich hier habe. Da hat mü-
der Herr Professor Triller, der eingefleischte Junggeselle, der mich
immer wie eine Pagode anstarrt, ein Gedicht geschickt. Denken Sie
sich, der zuwidere Mensch hat uns neulich gesehen, wie wir beim
Badhäusl der Frau Direktor herumgespritzt haben. Ist ja leicht mög-
lich, weil am anderen Ufer Weiden stehen. Und nun deklamiert er:
-Venus Anadyomene.
Aus dem Wasser sah ich's steigen,
Nah dem Ranft der Blumenau.
Wollte sich die Göttin zeigen?
War es eine schöne Frau?
Hab' gegrübelt viele Stunden,
Was des Rätsels Lösung ist.
Nun gesteh' ich unumwunden,
Dah du Frau und Venus bist/"
Frau Fink wurde gelb in: Gesicht, Regina aber fuhr in voller
Unbefangenheit fort: „Bitte, meine liebe Frau v. Fink, Sie ver
stehn was von der Götterlehre, wie heißt denn der grausliche
Kerl, der die zwei Hörndln am Kopf hat und die Bocksfußerln?
Könnt' man den Professor Triller nicht mit den: vergleichen? Denn
eine Antwort muß er doch kriegen auf das unverschämte Gedicht."
„Sie meinen wohl einen Faun oder einen Satyr?" brachte Frau
Fink endlich hervor.
„Ja, ja," sagte Regina lebhaft, „den mein' ich. Den: Herrn
Professor soll schon der Gusto vergehen, mich nut einer Göttin zu
vergleichen."
Der Frau Direktor, die Rechnens Schönheit und harmlose Fröh-
lichkeit liebte, war es nicht recht, daß Frau v. Landussi das Gedicht
den Kolleginnen gezeigt hatte; denn in den: kleinen Städtchen
wurde auch ohue besonderen Anlaß getratscht genug.
Frau Zängerl, wegen eines freundlichen, bewundernden Worts
ihres Mannes stets eifersüchtig auf Regina, sagte nut ihrer falschen
*) Brathühner.
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sprüche, die ich übertrieben finde. Sie wissen ja, daß ich das Geld
seinerzeit in die Ehe gebracht habe, und nun soll ich kochen, was
gut und teuer ist, nur weil der Zängerl Magenweh hat. Da trinkt
man halt Tausendguldenkrauttee und beansprucht nicht Henderln*)
und andere Lu.ruritüten."
Hochaufgerichtet, in ihrer ganzen Dürre sah Frau Zängerl da,
als verbiete sie sich von vornherein jeden Widerspruch.
Die gütige Frau Direktor atmete auf, als die blasse, leidende
Frau des Geschichtsprofessors Vernik langsam an der Taruswand
vorüberkann Sie blieb manchmal stehen und schaute über die Sann
hinüber in die liebliche Landschaft, auf die wellige Hügelkette, an
deren Ende der viereckige Turm des alten Nikolaikirchleins aus den
Weingärten und Wäldern hervorschaute. Von der Sann her klang
das jauchzende Schelmenlied eines übermütigen Flößers.
Ein paar Schritte ging die Gastgeberin der gequält atmenden
Frau Vernik entgegen, legte mütterlich den Arm um die schmächtige
Gestalt und schalt: „Aber mein liebes Frauerl, warum laufen Sie
denn so? Da möcht' auch ich den Atem verlieren. Sie müssen sich
doch schonen, hat der Herr Doktor befohlen. Gewiß haben Sie da
heim noch für die Kinder alles ganz allein vorbereitet und sich dabei
recht abstrapaziert?"
„Freilich, Frau Direktor! Der Paul und der Hans werden
hungrig aus der Schule kommen. Wenn die alte Traudel vergißt,
ihnen die Jause zu geben, dann zanken sie mit ihr, und mir ist nichts
peinlicher als solcher Verdruß."
Frau Zängerl, eifersüchtig auf den umschlingenden Arni, sagte
bissig: „Aber Frau Vernik, setzen Sie sich doch; die Frau Direktor
wird Ihretwegen nicht so lange stehen wollen."
„Oh, das macht gar nichts," versicherte Frau Vielmann, „kommen
Sie, meine Liebe, es plaudert sich doch besser, wenn man sitzt."
Sorglich schob sie der hustenden Frau ein Bänkchen unter die Füße.
Die Gattin des Lateinprofessors Fink, eine sehr geputzte, etwas
ältliche Dame, kam mit der jungen Frau Biwald. Bei dem großen
Gartenbeet mit den Zentifolienbüschen holte sie Fräulein Luise ein,
die noch Blumen für den Tisch brachte.
Etwas schüchtern trat Lina in den Kreis der älteren Frauen.
Sie hatte den Winter über einsam in ihrem kleinen Haushalt ge
waltet, nur hie und da einer: Besuch auf dem Landussihof gemacht.
Erst im Frühjahr war Karl zu bewegen gewesen, sein Frauchen bei
den Kollegen einzuführen. Da mußte sie wohl noch allen örtlichen
Gepflogenheiten und Geschehnissen ziemlich fremd gegenüberstehen.
Aber die sanfte Frau Vernik nahm sich ihrer liebevoll an; wurde
ein fremder Name genannt, gab sie Aufschlüsse und Erläuterungen,
so daß Lina sich bald auskannte in der Gesellschaft des Städtchens.
Als man schon das zweite Mal die Tassen mit dem braunen
Tranke füllte, sah man in einem lichtblau und weiß gestreiften
Musselinkleid und unter einem neuen Florentinerhut Frau v. Landussi
ein wenig eilig auf dem Kiesweg näher kommen. Wie eine schöne
Fee trat sie in den Kreis der Damen; gleich rauschte das Gespräch
lebhafter und die jüngeren Frauen lachten Heller.
„Hat die gnädige Frau Direktor noch ein Schaleri Kaffee für
mich? Hat das liebe Fräulein Luise mir noch ein Stückeri Guglhupf
mit recht vielen Rosinen aufgehoben? Oh, vergelt's Gott! Ich hab'
schon Platz. Bitte sich ja nicht stören zu lassen. Wen haben denn
die Damen grab' ausgerichtet? Wird wohl nicht die Frau Regerl
vorn Landussihof gewesen sein, denn ich hab' nicht ein bisserl Schnackerl-
stoßen gehabt. Dank dir schön, Linerl!"
Die stellte der Freundin einen Sessel zwischen sich und Frau
Fink. Die Frau Direktor erkundigte sich nach dem Befinden des
Herrn v. Landussi.
„Danke schön. Mein Mann, der grabt halt wieder, als wenn
er dafür gezahlt kriegen tät. Gestern haben s' ein paar alte Vasen
gefunden; ich glaub', Amoren heißt man die Dinger."
Die Frau Professor Fink sagte hochmütig: „Meine liebe Frau
v. Landussi, Sie meinen wohl Amphoren, steinerne Krüge?"
«Ja, ja, so heißen s'! Sind halt alte Häfen."
Fräulein Luise bot Regina noch einmal den Kucheukorb und
strich bewundernd über den feinen Stoff des neuen Kleides. „Ich
muß nur immer Ihren guten Geschmack bewundern, gnädige Frau.
Das Kleid ist gewiß iu Grätz gemacht worden?"
„Ja, gefällt es Ihnen, Fräulein Luise? Eigentlich hat es meine
Mutter ausgewählt und mir noch ein zweites geschickt; es ist genau
so gearbeitet, aber rosenrot."
„Die Frau Dietelhauser muß das wohl verstehen," mengte Frau
Fink sich in das Gespräch, „ich erinnere mich sehr gut, daß ihre
Mutter eine Schneiderin in der Stempfergassen war und auch für
meine Mama gearbeitet hat."
„Das kann schon sein. Es leben in Grätz noch viele Frauen, die
bei meiner Großmutter arbeiten ließen. Sie war eine sehr brave
Frau. Sie hat nach dem vorzeitigen Tode ihrer Eltern mit ihren
fleißigen Händen sieben kleine Geschwister erziehen und versorgen
müssen. Damals hat es bei den noblen Damen manchmal mit der
Zahlung gehapert und die gute Großmutter ist gar oft um die Früchte
ihrer Arbeit gekommen," sagte Regina gutmütigen Tones. „Es
macht meiner Mutter auch sehr viel Spaß, für mich neue Kleider
auszudenken, weil sie weiß, wie sehr ich die Abwechslung liebe."
„Ja, wenn man es so hat wie Sie," sagte die neidige Frau
Fink, „unsere Väter verdienten eben nicht so viel wie der Herr
Bäckermeister von der Hofgassen zu Grätz."
Da hatte Frau v. Landussi wieder ihren Klaps. Es herrschte
ein steter Kleinkrieg zwischen den beiden. Frau Fink war die Tochter-
einer bekannten Schauspielerin irr Graz und hatte erst in vorge-
rückten Jahren den Professor Fink geheiratet. Regina kannte genau
das Vorleben der jetzt so hochmütigen Frau und gab ihr dies oft
zu verstehen. Aber den Krieg hatte doch die Frau Professor be-
gonnen, indem sie gleich bei der erster: Kaffeegesellschaft Rechnen
gefragt, ob sie auch Kipfeln backen könne.
„O ja, das kann ich schon," erhielt sie zur Antwort, „aber dafür
weiß ich nicht, wie man Briefe schreibt, un: die Studenten zu einem
Stelldichein in die Seufzerallee einzuladen."
Die Frau Direktor wandte sich ar: Lina: „Nur:, wie hat sich
denn unser jüngstes Frauchen bei uns eingelebt? Man sagt zwar,
ein Ehepaar lernt sich erst näher kennen, wem: es einen Scheffel
Salz gemeinsam verbraucht hat, doch ich hoffe, Sie, liebe Frau
Biwald, werde:: auch jetzt schor: recht glücklich und zufrieden mit
Ihrem Manne leben?"
„O ja. Frau Direktor sind zu gütig," antwortete Lina, ihr dunkles
Köpfchen noch tiefer über die mühsame Häkelarbeit senkend.
Regina hatte ihrer boshaften Nachbarin schor: wieder verziehen
und wandte sich an sie, ein Stück Papier arrs der Tasche ziehend:
„Sehen Sie doch, Fr.au v. Fink, was ich hier habe. Da hat mü-
der Herr Professor Triller, der eingefleischte Junggeselle, der mich
immer wie eine Pagode anstarrt, ein Gedicht geschickt. Denken Sie
sich, der zuwidere Mensch hat uns neulich gesehen, wie wir beim
Badhäusl der Frau Direktor herumgespritzt haben. Ist ja leicht mög-
lich, weil am anderen Ufer Weiden stehen. Und nun deklamiert er:
-Venus Anadyomene.
Aus dem Wasser sah ich's steigen,
Nah dem Ranft der Blumenau.
Wollte sich die Göttin zeigen?
War es eine schöne Frau?
Hab' gegrübelt viele Stunden,
Was des Rätsels Lösung ist.
Nun gesteh' ich unumwunden,
Dah du Frau und Venus bist/"
Frau Fink wurde gelb in: Gesicht, Regina aber fuhr in voller
Unbefangenheit fort: „Bitte, meine liebe Frau v. Fink, Sie ver
stehn was von der Götterlehre, wie heißt denn der grausliche
Kerl, der die zwei Hörndln am Kopf hat und die Bocksfußerln?
Könnt' man den Professor Triller nicht mit den: vergleichen? Denn
eine Antwort muß er doch kriegen auf das unverschämte Gedicht."
„Sie meinen wohl einen Faun oder einen Satyr?" brachte Frau
Fink endlich hervor.
„Ja, ja," sagte Regina lebhaft, „den mein' ich. Den: Herrn
Professor soll schon der Gusto vergehen, mich nut einer Göttin zu
vergleichen."
Der Frau Direktor, die Rechnens Schönheit und harmlose Fröh-
lichkeit liebte, war es nicht recht, daß Frau v. Landussi das Gedicht
den Kolleginnen gezeigt hatte; denn in den: kleinen Städtchen
wurde auch ohue besonderen Anlaß getratscht genug.
Frau Zängerl, wegen eines freundlichen, bewundernden Worts
ihres Mannes stets eifersüchtig auf Regina, sagte nut ihrer falschen
*) Brathühner.