Heft 20
DasBuchfüvAlle
471
E. Ducker. Auf der Mole.
sich denn durch solch traurige Gedanken? Sie können doch wieder
gesund werden."
„Gesund? Nein. Ich weiß, datz meine Tage gezählt sind. Erst
habe ich tage- und nächtelang um meine Gesundheit gebetet und
um Erhörung aufgeschrien zum Himmel. Dann hat mein lieber
Freund, der hochwürdige Pater Emanuel, als ich wieder einmal
zerflossen bin vor Sehnsucht nach der Gesundheit, mir zugeredet,
ich soll mich in den Willen Gottes
ergeben. Verständnislos habe ich
ihn angeschaut, doch allgemach nach
vielen durchwachten Nächten ist es
mir klar geworden, was das Sprüch¬
lein bedeutet, das er mir immer
wieder vorgesagt hat: ,Der hat viel
gelernt, der Gott still gehorchen ge¬
lernt b Wenn ich dann so allein lag
und mein Mann mit den Kindern
fort war, damit ich wirklich Ruhe
hätte, ist der Pater manchmal auf
ein Stündchen zu mir gekommen.
Die Stubentür hat er weit aufge¬
tan, datz die Traudel in der Küche
jedes Wort hat hören können, und
dann hat er mir erzählt von den
Freuden, die wir nicht begreifen
können, die uns drüben erwarten,
wenn wir hier geduldig unser Kreuz
tragen. Weinte ich um meine Kin¬
der, so sagte er, datz ich sie vom
Himmel herab noch viel besser werde
schützen können. Hatte ich Sehnsucht
nach meiner alten Mutter, die zu
gebrechlich ist, um herzureisen, so
meinte er, Gott werde meine Seele
den Heimweg so nehmen lassen,
datz ich tief drunten die schöne
Riegersburg im Abendsonnenschein
liegen sähe und all die Wiesen und
Wälder meiner glücklichen Jugend¬
zeit, und die Mutter würde am
Brunnen sitzen unter dem grotzen
Apfelbaum und gen Himmel schauend denken, was für eine schöne,
weitze Taube dort oben fliegt...."
Lina neigte sich über die Hand der Kranken und drückte einen
leisen Kutz darauf. „Wahrlich, Sie sind eine kleine Heilige."
Schöne Stunden nehmen oft ein rasches Ende. Die Damen
Zängerl und Fink kamen zu Besuch, das Gespräch wurde allgemein,
und Frau Fink lenkte es auf ihre Feindin, Frau v. Candussi. Sauer
lächelnd fragte sie: „Ach, meine lieb-
ste Frau v. Biwald, Sie kommen ja
sehr oft hinaus auf den Candussihof,
können Sie mir nicht sagen, warum
der Herr Baron v. Sonneck fast jeden
Nachmittag dort zu treffen ist?"
„Verzeihung, Frau v. Fink, aber
ich traf ihn erst einmal dort. Aller-
dings erzählte mir meine Freundin,
datz der Herr Baron sich sehr für
die Grabungen des Herrn Doktors
interessiert und ihn oft auf den Fahr-
ten in die Umgebung begleitet."
„Oh, das kennt man schon,"
zischte Frau Zängerl, „nachmittags
fährt der Baron mit dem Manne,
abends entschädigt ihn dann für
die langweiligen Gespräche die Ge-
sellschaft der schönen Frau."
Verwirrt sah Lina zu Boden.
Die Kranke kam ihr mutig zu
Hilfe. „Aber meine Damen, schel-
ten Sie mir nicht die Frau v. Can-
dussi. Ist sie nicht die Güte selbst?
Was bringt sie mir alles an Früch-
ten und Blumen; stundenlang
hat sie meine Kinder drautzen auf
ihrem herrlichen Besitz. Und wenn
man sie ansieht, so mutz man sich
freuen an ihrer Munterkeit und
ihrer Schönheit. Ein Meisterstück
der Natur — so hat selbst der hoch-
würdige Pater Emanuel sie neu-
lich genannt."
Französischer Horchposien bei der Äelauschung deutscher Minenarbeiten.
Nach englischer Darstellung,
DasBuchfüvAlle
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E. Ducker. Auf der Mole.
sich denn durch solch traurige Gedanken? Sie können doch wieder
gesund werden."
„Gesund? Nein. Ich weiß, datz meine Tage gezählt sind. Erst
habe ich tage- und nächtelang um meine Gesundheit gebetet und
um Erhörung aufgeschrien zum Himmel. Dann hat mein lieber
Freund, der hochwürdige Pater Emanuel, als ich wieder einmal
zerflossen bin vor Sehnsucht nach der Gesundheit, mir zugeredet,
ich soll mich in den Willen Gottes
ergeben. Verständnislos habe ich
ihn angeschaut, doch allgemach nach
vielen durchwachten Nächten ist es
mir klar geworden, was das Sprüch¬
lein bedeutet, das er mir immer
wieder vorgesagt hat: ,Der hat viel
gelernt, der Gott still gehorchen ge¬
lernt b Wenn ich dann so allein lag
und mein Mann mit den Kindern
fort war, damit ich wirklich Ruhe
hätte, ist der Pater manchmal auf
ein Stündchen zu mir gekommen.
Die Stubentür hat er weit aufge¬
tan, datz die Traudel in der Küche
jedes Wort hat hören können, und
dann hat er mir erzählt von den
Freuden, die wir nicht begreifen
können, die uns drüben erwarten,
wenn wir hier geduldig unser Kreuz
tragen. Weinte ich um meine Kin¬
der, so sagte er, datz ich sie vom
Himmel herab noch viel besser werde
schützen können. Hatte ich Sehnsucht
nach meiner alten Mutter, die zu
gebrechlich ist, um herzureisen, so
meinte er, Gott werde meine Seele
den Heimweg so nehmen lassen,
datz ich tief drunten die schöne
Riegersburg im Abendsonnenschein
liegen sähe und all die Wiesen und
Wälder meiner glücklichen Jugend¬
zeit, und die Mutter würde am
Brunnen sitzen unter dem grotzen
Apfelbaum und gen Himmel schauend denken, was für eine schöne,
weitze Taube dort oben fliegt...."
Lina neigte sich über die Hand der Kranken und drückte einen
leisen Kutz darauf. „Wahrlich, Sie sind eine kleine Heilige."
Schöne Stunden nehmen oft ein rasches Ende. Die Damen
Zängerl und Fink kamen zu Besuch, das Gespräch wurde allgemein,
und Frau Fink lenkte es auf ihre Feindin, Frau v. Candussi. Sauer
lächelnd fragte sie: „Ach, meine lieb-
ste Frau v. Biwald, Sie kommen ja
sehr oft hinaus auf den Candussihof,
können Sie mir nicht sagen, warum
der Herr Baron v. Sonneck fast jeden
Nachmittag dort zu treffen ist?"
„Verzeihung, Frau v. Fink, aber
ich traf ihn erst einmal dort. Aller-
dings erzählte mir meine Freundin,
datz der Herr Baron sich sehr für
die Grabungen des Herrn Doktors
interessiert und ihn oft auf den Fahr-
ten in die Umgebung begleitet."
„Oh, das kennt man schon,"
zischte Frau Zängerl, „nachmittags
fährt der Baron mit dem Manne,
abends entschädigt ihn dann für
die langweiligen Gespräche die Ge-
sellschaft der schönen Frau."
Verwirrt sah Lina zu Boden.
Die Kranke kam ihr mutig zu
Hilfe. „Aber meine Damen, schel-
ten Sie mir nicht die Frau v. Can-
dussi. Ist sie nicht die Güte selbst?
Was bringt sie mir alles an Früch-
ten und Blumen; stundenlang
hat sie meine Kinder drautzen auf
ihrem herrlichen Besitz. Und wenn
man sie ansieht, so mutz man sich
freuen an ihrer Munterkeit und
ihrer Schönheit. Ein Meisterstück
der Natur — so hat selbst der hoch-
würdige Pater Emanuel sie neu-
lich genannt."
Französischer Horchposien bei der Äelauschung deutscher Minenarbeiten.
Nach englischer Darstellung,