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Heft 22

DasBuchfüvAiis

509


auf die Karte, mit der sich Hoist hatte aumeiden lassen und die noch
auf der Schreibtischplatte lag: „Darf ich fragen, womit ich dienen
kann? Hatte noch nie die Auszeichnung. Geschäftliches?"
„Ja."
„Bitte, was verschafft mir die Ehre?"
„Sie stehen mit meinen: Freund, dein Assessor Pahlzow, in
Verbindung?"
Golonsky wühlte in seinen: Bart, wiegte den kahlen Schädel
und schloß die Augen; nach einer Weile sagte er: „Verzeihung,
Herr Forstassessor, ich verhandle in Geschüftsangelegenheiten nur
unmittelbar mit meinen Kunden. Ja, ich gebe sogar Auskunft
über diese meine Kunden nur mit deren ausdrücklicher Genehmigung."
„Das ist ganz außerordentlich, ich würdige es. Aber mein
Freund ist leider nicht selbst in der Lage; ich komme im Interesse
seiner Frau."
„Zweifle keinen Augenblick, aber ich kann zunächst nicht einmal
zugeben, daß Herr Assessor Pahlzow, den ich allerdings kenne, mit
nur in geschäft¬
lichen Beziehun¬
gen steht."
„Wie Siebe¬
lieben. Mir ge¬
nügt, daß ich es
bestimmt weiß.
Wie lange Sie
eine mir uner¬
klärliche Zurück¬
haltungaufrecht¬
erhalten wollen,
muß ich Ihnen
vorläufig noch
überlassen."
„Sie sagen,
der Herr Assessor
sei nicht in der
Lage, selbst zu
kommen?"
„Er ist ver¬
reist."
„Dam: wird er
wiederkommen.
Darf ich fragen:
warum besuchte
mich die Frau
Assessor nicht?"
„Weil sie zur¬
zeit krank ist."
„So! Nun, nehmen wir an, daß ich wirklich, wie Sie sagten,
mit Herrn Assessor Pahlzow in Geschäftsverbindung sei, ich habe
es nicht gesagt — es sind nur Ihre Worte — aber nehmen wir den
Fall an, was berechtigt Sie, Herr Forstassessor ..."
„Die Lage der Sache, die ich Ihnen gleich auseinanderseßen
will. Ich verhehle nicht, daß ich keine schriftliche Vollmacht besitze."
„Bedauerlich, aber lassen Sie hören."
Holst erzählte so viel er für gut hielt und schloß: „Das Tele-
gramm deutet auf finanzielle Verluste empfindlichster Art, der Schreck
darüber scheint bei Frau Pahlzow einen Nervenchok und bei Herrn
Pahlzow einen plötzlichen Reiseentschluß herbeigeführt zu haben.
Ich kam zu Ihnen, um Aufschlüsse zu erhalten, ohne vorläufig die
Gerichte in Anspruch zu nehmen, was mein nächstes sein wird,
sobald ich Sie verlassen habe. Morgen muß es geschehen."
Golonskys Gesicht veränderte sich auffällig. Die schlaffen,
sanften Züge spannten sich, die tiefen Lider gingen hoch und die
dunkeln Augen flimmerten unruhig. Mit kühler Beherrschtheit im
Ton sagte er: „In der Tat scheint dies eine sehr unangenehme
Sache zu sein; inan sollte sie nicht durch Einmischung der Gerichte
noch unangenehmer gehalten. Was an mir liegt, will ich tun, um das
zu verhüten. Obgleich meine Geschäfte jede Untersuchung vertragen."
Holst begriff, daß der erste Widerstand gebrochen sei: „Sie geben
die Geschäftsverbindung zu?"
„Sie scheinen mir so weit unterrichtet zu sei::, daß ich meine
Grundsätze nicht verletze, wenn ich's zugebe."

„Gut; alles weitere wird sich noch zeigen."
„Was -wünschen Sie, Herr Forstassessor, nun von mir, was soll
ich Ihnen sagen?"
„Ich wünsche ohne Umschweife Klarheit. Holst hat durch Ihre
Vermittlung spekuliert?"
„Das heißt, ich weiß wahrhaftig nicht, ob ich berechtigt bin,
mehr zu sagen, das verstößt gegen Treu uud Glauben."
„Sie werden verstehen, daß ich zur Sicherung des Vermögens,
das noch zu retten ist, jedes Mittel ergreifen werde, es liegt an
Ihne,:, mir dazu behilflich zu sein, wenn es ohne Zwang geschehen
soll. Frau Pahlzow steht uuter meinem Schutze. Genügt Ihnen
das?"
„Um über Aufträge und Abschlüsse des Herrn Assessor Pahlzow
Rechnung abzulegen, oder wohl gar einen etwaigen Gewinn oder
Restbetrag an Sie auszuhändigen; wie soll ich Sie verstehen?"
„Nur Abrechnung wünsche ich. Gewinne oder Restbeträge
mögen Sie auf den Namen der Frau Pahlzow bei der Reichsbank
hinterlegen. Ich
habe aber selbst-
verständlich auf
keinen Pfennig
ein persönliches
Recht —"
„Das meinte
ich — allerdings
ohne es so schroff
zu sagen."
„Die Wahr-
heit mag schroff
klingen. Jedoch
verletzen wird sie
mich niemals."
„Gut; ich sagte
Ihnen ja, meine
Geschäfte scheuen
keinerlei Unter-
suchung."
„Umso besser,
dann können Sie
auch wagen, mir
Rechnung abzu-
legen."
„Ich bin aber
immer noch nicht
ohne Bedenken."
„Sie wünschen
also, daß ich das
Gericht anrufe, dem Sie die Bücher dann gewiß nicht verweigern
werden."
„Das würde den Skandal nur vergrößern."
„Deshalb mache ich den gütlichen Versuch, ohne Rechtszwang
zum Ziel zu kommen. In: Augenblick ist alles noch eine rein persön-
liche Auseinandersetzung."
Golonsky faßte einen rettenden Gedanken: „Schön, Herr Forst-
assessor, aber wir gehen wie die Katze um den heißen Brei. Wir
nehmen an, daß Herrn Assessor Pahlzow ein Telegramm von:
Verluste eines Vermögens in Kenntnis gesetzt habe, wir nehmen an,
daß er geflohen sei, um nicht wiederzukommen. Wir nehmen an,
daß die Frau Assessor vor Schreck über die Flucht erkrankt sei, und
wir wollen, so scheint es, durchaus nicht abwarten, ob wir uns irren
oder nicht. Wir warten nicht ab, ob ein ganz anderes Zerwürfnis
zu Flucht und Trennung geführt hat, ob der Herr Assessor hente,
morgen oder übermorgen wiederkommt, die Depesche hat viel-
leicht eine ganz andere Bedeutung? Das alles warten wir nichchab,
sondern spielen hier die Rolle eines unbestellten himmlischen Vor-
mundes —"
Die spitzen Worte trafen Holst scharf und heftig. Er stutzte, und
Golonsky durchschaute sofort die Vorteile dieses Schachzuges, ohne
indes Holsts Betroffenheit ganz zu verstehen.
„Wer gibt uns, Ihnen und mir das Recht?" fragte Golonsky.
Sein feistes Biedermeiergesicht erhellte sich.
Der Assessor legte die Hand schwer auf den Schreibtisch und

Deutsches Wasserflugzeug übernimmt auf hoher See wichtige erbeutete Papiere von einem deutschen U-L»oot.
 
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