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DaWuMüeAll«

DB 22


versprochenen Besuch des Barons. Ihre besten Kleider zog sie an
und war sich nie schön genug.
An einem Hellen Märznachmittag schürzte Regina den Rock und
wanderte durch den Park. Der Frühlingswind brauste um die alteu
Kronen und schüttelte sie, als wolle er die letzten dürren Astlein
und Blättlein wegfegen, damit Platz würde für frisches Leben.
Den Florschleier um die Löckchen, die Pelzjacke geöffnet, strebte
Regina dem Wind entgegen, hinaus in die Felder um den Can-
dussihof.
In zartem Grün flatterte die junge Saat, schon hoch genug,
um die Lerche zu verstecken, ehe sie jubelnd aufstieg. Am Rande des
Horizontesleuchtetendie
schneebedecktenHäupter
der Sanntaler Alpen.
Hell beschien die Sonne
weitum die Landschaft.
Wie tat das erfri-
s ch end e Wand ern wohl!
Der Wind zerwühlte
die Haare der jungen
Frau. Immer mehr
der krausen Löckchen
fächelte er unter dem
leichten Florgewebe her¬
vor, daß im Licht der
Sonne ein Heller Schein
um ihr schönes Gesicht
erglänzte.
Zur Kapelle mit
dem eisernen Kreuz
kam Regina. Sie ver¬
suchte, an den Gekreu¬
zigten zu denken. Ihre
Gedanken flogen mit
dem Winde davon. Sie
steckte Primeln und
Anemonen zwischen die
Stäbe des Gitters, dann
lieh sie sich hinter der
Kapelle auf der Bank
unter den Linden nie¬
der. Das Plätzchen war
geschützt, doch über ihr
bogen und schaukelten
sich knarrend die Aste
der Bäume.
WürdeEgon v. Sonn¬
eck noch einmal kom¬
men? War er ohne
Abschied fort? Unauf¬
hörlich stellte sich Regina
die gleichen Fragen.
Ein leichtes Klap¬
pern von Hufen, ein
nahender Reiter — es
war der heitz Ersehnte. ,
Als der Baron Re- Zeitig.
ginens gewahr wurde, stieg er vom Pferde, führte es am Zaume
und kam grüßend näher.
„Gnädige Frau, ein gütiges Geschick mahnte mich heute, den
Feldweg zu reiten; daheim hätte ich Sie also wieder nicht ge-
troffen. Ich komme, Abschied zu nehmeu."
„Herr Baron," fast hochmütig sagte es Regina, „ich weiß nicht,
ob die Tatsache, mich nicht daheim zu treffen, Ihnen gar zu ärgerlich
gewesen wäre."
Erstaunt erhob der Baron den Blick und sah das sonst so fröhliche
Gesicht von Spuren des Leidens durchzogen.
„Gnädige Frau wissen selbst am besten, wie sehr ich die Stunden
in Ihrem gastlichen Heime geschätzt habe. Ich werde ihrer auch
in den sonnigen Gefilden Hellas^ dankbarst gedenken und ihre Wieder-
kehr herbeiwünschen mit allen Fasern meines Herzens."
Regina bereute ihre Bitterkeit. Etwas gefaßter sprach sie:

„Ich war ja uur böse, daß der Herr Barou die arme Regina auf
einen Besuch so lange warten ließen."
Der Baron konnte seine Bewegung nicht länger verbergen:
„Meine teuerste Frau — es mußte sein. Darf ich mir erlauben,
noch einen Kuß auf Ihre Hände zu drücken? Ich bitte meiner als
eines Einsamen zu gedenken, der sehr gut weiß uud es schmerzlich
empfindet, was er in dieser traurigen Stunde verliert."
Zärtlich führte er die eine und dann die andere Hand Rechnens an
seine Lippen; mit tiefer Verbeugung trat er zu seinem Rappen zurück.
Still uud starr stand Regina da.
Der Frühlingssturm hielt inne — eine Wolke trat vor die Sonne.
Als der Baron, sich
abwendend, aufsteigen
wollte, stürzte Regina
vor und rief mit schmerz-
lichem Ton: „Egon!"
Der Baron wandte
sich und fing die Wan-
kende in seinen Armen
auf: „Regina, teure
Frau!" Er sah das
schöne Gesicht mit ge-
schlossenen Augen an
seiner Schulter sich ber-
gen, und er konnte
nicht widerstehen; einen
leisen Kuß drückte er
rückwärts am Halse in
die zitternden Löckchen.
„Egon, geh nicht
von mir! Ich ertrage
es nicht!"
Der Baron faßte
Regina um die Schul-
ter und führte sie zart
wie eine Kranke zu
dem Bänklein zurück.
„Regina, soll ich wie
jener Sonneck handeln,
der das Weib seines
Freundes stehlen wollte
und in den Tod darum
gehen mußte? Nein,
Regina, viel zu teuer
bist du mir zu solch
frevlem Spiel. Dein
ruhiges Eheglück darf
durch mich nicht zer-
stört w erd en, eh erwürde
ich die Hand gegen mich
selbst erheben."
Er kniete nieder und
nahm die Hände der
jungen Frau in die
seinen: „Regina! Ich
ich dich
--er Dries, erstemal sah, und
weil ich nimmer von dir lassen kann, will ich das Weltmeer zwischen
uns legen. Du bist jung, du wirst vergessen lernen. Nie darf ich
meine Hand ausstrecken nach meines Freundes Eigentum. Wahr-
lich, es ist nicht meine Schuld, daß dies Bekenntnis heißester Liebe
auf meine Lippen kommt. Ein Zufall fügte es so — ob ich ihn segnen
soll, weiß ich nicht."
Rechnens einfacher, offener Sinn war gerührt durch diese
Worte. „Egon, auch ich will dir sagen, was für mich eine Schmach
ist — ich liebe dich!"
Sie barg das erglühende Antlitz in die Hände. Leise zog der
Baron sie wieder herab: „Regina, teuerste Frau — ich danke dir
für dieses Wort — es wird mich ein Lebenlang begleiten. Aber
nenne es nicht Schmach! Zwei ehrliche Menschen, wie wir es
sind, können ihre Liebe vor einander nicht verbergen. Frei und
offen haben wir sie bekannt, wir brauchen uns ihrer nicht zu
 
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