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Hsft 24


er den lauernden Blick des Fremden fühlte, beherrschte er sich, sprach
einige verbindliche Worte und fragte, bis zu welcher Zeit die Kom-
position gewünscht werde.
„Es ist wohl anzunehmen," sprach der Besucher, „daß der be-
rühmte Meister sehr beschäftigt ist, doch man hat den Wunsch, die
Messe so bald als möglich zu besitzen."
„Ich werde mich bemühen, Ihre Wünsche so bald als möglich zu
erfüllen," erwiderte Mozart, dem daran lag, der bedrückenden Nähe
des unheimlichen Gastes bald enthoben zu werden.
Der Fremde sprach eilig weiter: „Man wünscht wohl die Namen
der Freunde des großen Künstlers zu verschweigen, aber man will

von seiner Hand geschrieben nicht vorzustellen vermochte; so oft br-
auch daran dachte, schien es ihm, daß es unmöglich sein würde,
jemals damit zu Ende zu kommen.
Nach den: unerwarteten Auftauchen des seltsamen Boten vor
seiner Abreise überfielen ihn verwandte Stimmungen. Er lehnte
im Wagen und grübelte lange und schmerzlich, seine Gedanken spielten
mit Tod und Sterben, aber keine seiner Empfindungen verdichtete
sich ihm wie sonst zu Gestalten und Tönen. Bitternis erfüllte sein
Herz, über die er nicht weg kam, die ihn qualvoll erregte. Er nahm
die Partitur der Oper hervor; aber das trübe Licht, das Rütteln
des Wagens und die Wirrnis seiner Gefühle ließen ihm bald gewiß


Zn der (Abmarsch.

pbct. Gerndt, Hamburg.

Sie nicht ohne Sicherheit lassen; ich bitte, mir die Summe zu nennen,
die Sie für Ihre Arbeit fordern."
Mozart atmete auf; vielleicht kam der wunderliche Mann im
Namen eines großmütigen Förderers zu ihm, der nicht genannt sein
wollte? Vielleicht war der Auftrag nur ein Vorwand, man wollte
ihm mit Geld beistehen, ohne ihn zu kränken. Beruhigter durch
diesen Gedanken, nannte er einen Betrag. Der Fremde entnahm
das Geld seiner Börse, legte es auf den Tisch und empfahl sich nach
einigen verbindlichen Worten mit gleich frostiger Förmlichkeit, wie
er gekommen war.
Konstanze, die, als sie zurückkam, das Geld liegen sah, war er-
freut; Mozart, obgleich ihn die unerwartet erhaltene Summe von
augenblicklicher Sorge befreite und ihm neue Arbeitskraft lieh, blieb
lange noch still nachdenklich. Tage hindurch verfolgte ihn die kalte
Art des Fremden, die ganze Seltsamkeit seiner Erscheinung und
seines Gebarens. Die Totenmesse dünkte ihm ein Werk, das er sich

werden, daß ihn nichts von dem Druck weher Empfindungen befreien
konnte. Wohl waren ihm einige Sätze der Totenmesse durch den
Kopf gegangen, nie aber hatte er sich in Gedanken tiefer damit be-
schäftigt. Jetzt, nach der Mahnung des Unbekannten, fing es in
ihm an zu tönen. Er horchte in sich hinein, lange und tieftraurig,
beklommen bewegt; eine Folge von Klängen formte sich in seinem
Sinn, voll von Weh, Trauer und Sterbenssehnsucht; für Worte
waren sie nicht- gedacht. Von Streichinstrumenten und sanften
Flötentönen getragen, mußte die Totenmesse klingen. Seine dunkle
Stimmung wandelte sich zu seltsam klingender tröstender Musik.
Kaum konnte er die erste Station der Reise erwarten, die Ruhe
eines Zimmers im Gasthause. Noch in dieser Nacht wollte er die
Dotenmesse beginnen. Unmerklich war es tiefer Abend geworden,
von der Landschaft, die draußen vorüberglitt, waren kaum mehr die
nächsten Umrisse wahrzunehmen.
Endlich rollte der Wagen über das Pflaster der kleinen Stadt
 
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