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ÄasöuchfüvÄtte


Ehering gelassen hast, den dir dein guter Mann im Angesichte
Gottes vor dem Altäre an den Finger gesteckt hat."
Die junge Frau machte Miene aufzustehen. Die Bäckermeisterin
legte die Hand auf die Schulter der schönen Tochter.
„Halt, noch ein' Augenblick! Und was wär' denn, wenn —
wie sagt dein Mann? — deine Gewissensehe Folgen haben tüt.
Sag mir, Regin, was wolltest du den unschuldigen Kinderlippen
antworten, wenn sie
dich das erstemal nach
ihrem Namen fragen?
Da ist mir doch der
Name Dietelhauserviel
zu gut dazu, als daß
du ihn da nennen dürf¬
test. Vor ein paar
hundert Jahren schon,
als die beiden steiri¬
schen Ritter, der Baum-
kircher und der Greisen¬
egger, wie rasend von
der kaiserlichen Burg
durch die Hofgassen
herabgelaufen sind, um
vor dem Vesperläuten
noch durch das Mur¬
tor zu kommen, da soll
schon ein Dietelhauser
auf unserem Hause das
ehrsame Handwerk be¬
trieben haben. Und
so ein altes Bürgerge¬
schlecht sowdie Schande
erleben, daß sein letz¬
ter Sproß ein durchge¬
gangenes Eheweib ist?
Nein, Regin! Ich und
dein Vater täten dich
dann nit mehr kennen,
das schwör ich dir. Aus¬
tilgen täten wir das
Andenken an die kleine,
herzige Regerl, die uns
so lieb war!"
Die Bäckermeisterin
bedeckte ihr Gesicht mit
beiden Händen und
weinte.
Das Gewitter war
verzogen. Hell schien
die Sonne in das Ge¬
mach, draußen schüttelte
der Wind die Tropfen
aus den, Baumkronen
und eine Amsel be¬
gann ihr Abendlied zu
singen.
Die schönsten Zenti¬
folien und Lilien hatte
Regina zu einem mäch¬
tigen Strauße gebunden
und ging nachmittags
dem Städtchen zu, um die kranke Frau Vernik wieder zu besuchen.
Unterwegs kam ihr der Hauptmann Wenger entgegen. Er
wollte nur mit einer tiefen Verbeugung an der schönen Mau
vorübergehen, um sie nicht neuerlichem Gerede auszusetzen. Man
schwätzte im Städtchen sehr viel über Frau v. Candussi.
Die Damen Fink und Zängerl hatten schon das übliche Maß
des Ehrabschneidens überschritten; sie behaupteten, zwischen dem
Doktor und dem Baron hätte ein Duell stattgefunden. Schwer-
verwundet läge der Baron auf Schloß Sonneck. Die Reise nach
Griechenland wäre nur ein Märchen.

Als aber der Hauptmann an der schönen Frau so sichtbare Spuren
des Leides gewahrte, blieb er stehen und wagte einen Handkuß.
„Ach, gnädige Frau, wie lange ist mir die Sonne des Glückes
nicht aufgegangen. Uber vierzehn Tage blieb mir Ihr Anblick ver-
wehrt !"
„Die'Herren müssen schon verzeihen, wenn ich ihren Besuch nicht
annehmen konnte. Mein Mann ist verreist und ich war etwas unpaß."
„Hoffentlich nichts
Ernstes, schönste Her-
rin?"
„Ach nein! Ver-
stimmungen und Kopf-
schmerz."
Traurig glitten Re-
ginas Augen über den
lebensfrohen Mann, mit
dem sie früher so gerne
gelacht und gescherzt
hatte.
„Gnädige Frau,"
eindringlich und warm
sprach er, „man hat
Ihnen doch nicht wehe
getan? Sagen Sie es
mir, bitte! Jederzeit
bin ich bereit, mit dem
Degen für Ihr Glück
und Ihre Ehre einzu-
treten. Meine Ver-
ehrung ist grenzenlos,
wenn sie sich auch immer
nur in den Schranken
der größtenHochachtung
bewegt. Ich bitte da-
von überzeugt zu sein!"
Regina lächelte: „Ich
glaube es Ihnen schon,
lieber H err Hauptmann,
lassen Sie nur ruhig
Ihren Säbel in der
Scheide. Ich weiß, daß
Sie ein treuer Freund
sind, wenn Sie mich
auch manchmal mit den
Ausbrüchen Ihrer Ver-
ehrung geärgert haben.
Bleiben Sie der armen
Regina nur ein wenig
gut, sie ist jetzt recht
ein trauriges Menschen-
kind."
Sie winkte ihm mit
der Hand zu und ver-
schwand in einem Sei-
tengäßchen.
Der Hauptmann sah
ihr bewundernd nach.
Er nahm die Kappe
vom Kopfe und, sich
durch das schon spärliche
Haupthaar streichend,
rief er leise: „Verdammt
will ich sein, wenn das nicht die schönste Frau ist, die jemals
Gottes Erdboden getragen hat. Durchs Feuer ging ich für meine
Königin!"
Als Regina sich dem alten Stadtturm näherte, begegnete sie
dem Pater Emanuel. Seine Augen waren gerötet.
Als sie achtungsvoll grüßend an ihm vorübergehen wollte, wandte
er sich um: „Verzeihen! Gnädige Frau wollen gewiß diese Blumen
der Frau Vernik bringen? Die Arme hat ausgelitten."
„Aber Hochwürden! Mein Gott, wie gerne möchte ich sie noch
einmal sprechen."



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Phot. Hofphotogr. Kühtewindt, zurzeit östl. Kriegschauplah.
Äeim Aufbau Siallupönens in Ostpreußen.
 
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