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596

DasBuchfüvAlle

SB 25

„Aber Linerl! Sie werden doch schon mehrere schöne Stunden
in Ihrer jungen Ehe gehabt haben?"
„Nein, so wie diese keine noch! Darf ich Ihnen erzählen?"
„Ja, aber zuvor stehen S' auf
und setzen Sie sich fein säuberlich
da her in den Lehnsessel. Wär'
ein schönes G'hört sich, wenn die
ehemalige Fräulein Lina v. Ciari
vor der Bäckermeisterin Dietelhauser
knien tät!" brummte die wackere
Frau.
Lächelnd tat ihr Lina den Willen.
„Liebe Mutter Dietelhauser, all
die Tage, seit Sie bei mir gewesen
sind, bin ich in Groll und Zorn
herumgegangen. Aber wie ich dann
in das stille Gesicht meiner Freun¬
din, der Frau Vernik, geschaut habe,
da ist mir des Lebens Rätsel auf¬
gegangen. Ich habe gesehen, wie
kurz ein Menschenleben ist. Wie
bald vielleicht — und eines vor:
uns liegt ebenso stumm auf der
Bahre. Und das hat mir gestern,
als ich mit meinem Manne vom
Friedhof heimgekommen bin, den
Mut gegeben, ein freundliches Wort
an ihn zu richten. Der arme Karl
war erst recht erschrocken, als ich
ihm erzählte, datz ich alles wüßte
und —"
„Ich bitt' Sie, liebes Linerl, ent¬
schuldigen S', daß ich Sie unter¬
breche. Aber wollen Sie das lieber
nit für sich allein behalten? Sehen
Sie, ich hör das gar nit gern, wenn ein Mann, den der liebe Gott
uns Frauen als Herr gegeben hat, ein Unrecht eingestehen mutz."

„Nein, nein, liebe Mutter Dietelhauser, ich biu ja schou still.
Aber sagen mutz ich Ihuen doch noch, was wir beschlossen haben.
Mein Mann will sich um eine freie Professur nach auswärts be-
werben, und dann wollen wir den
armen, kleinen Klemens in unser Haus
nehmen. Und — ich will ihm eine
recht gute Mutter sein!" schlotz die
junge Frau mit leuchteudeu Augen.
„So ist's recht! Sehen Sie,
liebes Linerl, grab' so hab' ich es
mir ausgedacht, denn ich hab' Sie
immer für eine kreuzbrave Frau
gehalten."
„Nun, Frau Mutter, bin ich
nicht auch eine kreuzbrave Frau?"
fragte Regina, welche die letzten
Worte gehört hatte. Sie trat heran
in einem funkelnagelneuen weitzen
Kleide, datz sie aussah wie die Frau
Venus selbst. „Weitz die Frau
Mutter, warum ich das schöne Kleid
angezogen hab'? Weil heut' noch
vor Abend mein Kernel kommt,
mein lieber, guter Mann! Gerade
hat mir der Kurier ein Brieflein ge-
bracht, er ist dem Wagen bei Gono-
bitz vorgeritten. Linerl, gelt du
bleibst da und hilfst mir einen Kranz
winden? Die Ploni und die Mam-
sell schneiden schon Blumen im Gar-
ten ab, wir wollen alles schmücken
zu einem schönen, recht herzlichen
Willkommen!"
„Wirklich, Regerl?" fragte die
glückliche Frau Dietelhauser.
„Freilich, Frau Mutter! Ich mutz meinem Manne nach seiner
langen Abwesenheit doch zeigen, datz ich ihn lieb habe."


Phot. Transocean G. m. b. H., Derlin.
Eine neue französische Kriegslist.
Bei einer Barackenanlage an der Westfront hatten die Franzosen das' Wort „Kriegsgefangene"
in weithin sichtbaren Buchstaben auf die Erde gemalt. Oie Art der Anlage und das Zufahrtgleis
bestätigen den Verdacht, daß ein Munitionslager durch die irreführende Angabe vor Bomben
deutscher Flieger geschützt werden soll.

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In Bamberg wird 1461 das erste deutsche Buch gedruckt (S. 577). — Schon
ehe die anfänglich streng als Geheimnis gehütete Erfindung Johann Gutenbergs
durch Druckergehilfeu, die während der Mainzer Stiftsfehde 1462 aus der Stadt
flüchteten, in verschiedene andere Städte verpflanzt wurde, übte bereits Albrecht
Pfister die vou Meister Gutenberg erlernte Kunst in Bamberg aus. Es ist eius
Fabelsammlung erhalten geblieben, in der Bamberg als Druckort und 1461 als
Erscheinungsjahr angegeben ist. Von einer prachtvoll ausgestatteten lateinischen
Bibel, die in den selben Jahr, aber ohne Ortsangabe gedruckt wurde, und die die
gleichen, von den Mainzer deutlich verschiedeuen Lettern aufweist, nimmt mau au,
daß sie gleichfalls eine Kunstleistung Pfisters ist. Außerdem gibt es eine in deutscher
Sprache gedruckte biblische Historiensammlung aus dein Jahr 1462, deren Titel-
blatt den vollen Namen Albrecht Pfisters und Bamberg als Druckort verzeichnet.
Somit gebührt der Stadt Bamberg und ihrem Bürger Pfister die Ehre, das erste
Buch in unserer Muttersprache gedruckt zu haben.
Erfolg deutscher Flieger gegen feindliche Fesselballone (S. 579). — Laut
Bekanntmachung des deutschen Großen Hauptquartiers verlor der Gegner im Juni
220 Flugzeuge und 33 Fesselballone. Der Verlust auf deutscher Seite betrug 58 Flug-
zeuge und 3 Fesselballone. Diese nackten Zahlen besagen genug. Die Wichtigkeit des
Zusammenwirkens der beiden neuzeitlichen Ausklürungsmittel hat im Stellungskrieg
ständig Zugenommen. Kaum graut der Morgen, so kann man schon am Horizont
und hinter den eigenen Linien ganze Geschwader in 1000 bis 1500 Meter Höhe
zählen. Mit Fernglas und photographischem Apparat erkunden die Insassen, ob der
Feind Verstärkung erhalten oder seine Stellungen geändert hat. Sie erspähen die
Standorte der feindlichen Artillerie und melden durch den Fernsprecher den eigenen
Batterieführern das Einschlagen der Geschosse. Wenn die Gräben unter heftigstem
Trommelfeuer liegen und das Sperrfeuer jeden Verkehr der Heeresleitung mit
den vorderen Linien unterbindet, dann hängt das Geschick von Tausenden, ja unter
Umstünden das Schicksal der Schlacht davon ab, was Ballone und Flieger vermögen.
Diese Aufklürungsdienste zu stören, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Kampfflieger.
Jeder Tag bringt neue Luftkämpfe, ost einzelne Duelle, oft erbittertes Ringen
ganzer Geschwader. Ist es einem Flieger gelungen, sich so in die Höhe zu schrauben,
daß die Abwehrgeschütze, um den eigenen Ballon nicht zu gefährden, ihr Feuer ein-
stelleu müssen, dann kommt der schauerliche Augenblick. Plötzlich wird das Surren
der Propeller übertönt vou einem furchtbaren Schlag. Hat die Bombe den Ballon
getroffen? Einige Sekunden vergehen. Da schießt aus der Hülle eine Flamme,
frißt weiter, und hinter ihr quillcn unheimlich schnell anschwellende Rauchschwaden.
Der Ballon füllt mit zunehmender Geschwindigkeit. Von der Gondel lösen sich zwei
Punkte und sacken wie Steine nach unten. In den Fallschirmen fängt sich die Luft,

und sie gleiten langsam zur Erde, wo die brennende Ballonhülle lange zuvor ausge-
schlagen ist. — So wurden zum Beispiel am 23. Juni an der flandrischen Front drei
Ballone abgeschossen. Aus weiteren neun sprangen die Beobachter mittels Fallschirms
ab, wodurch die feindliche Luftbeobachtung an diesem Frontteil lahmgelegt wurde.
Volksweisen (S. 581). — Je tiefer der Pflug schweren Schicksals in dieser
ernsten Zeit seine Furchen zieht, je mehr sich artistischer Flitter und frivole Effekt-
hascherei als wertlos und unfähig' erweisen, dem Volksempfinden zu geben, wonach
es unter dem Druck der Sorgenlast verlangt, desto mehr sind es die echten Volks-
weisen, die wieder zu Ehren kommen bei denen, die im Feindesland sich nach der
Heimat sehnen, und bei denen, die daheim zurückfinden zu gesunder Ursprünglichkeit.
Aus dem uralten Schatz der immer wieder hervorquillenden, oft für den Bedarf der
veränderten Zeit sorglos zurechtgesungenen Lieder tönt die Sprache der Innerlichkeit,
die das deutsche Gemüt versteht, von der es erquickt und erhoben wird. Der Frohsinn
des Volksliedes verletzt nicht den Trauernden, und das Leid versinkt nicht in süßlich-
schweigender Schmerzeitelkeit. Wie duftende Waldkrüuter heilen die Volksweisen und
stärken das Beste im deutschen Wesen, die alles überwindende Kraft des Gemütes.
Dr. Georg Michaelis, der neue Reichskanzler (S. 585). — Zum Nachfolger
des Reichskanzlers vr. v. Bethmann Hollweg ist der bisherige Unterstaatssekretär
im preußischen Finanzministerium und Staatskommissar für die Volksernährung
irr Preußen, Vr. Michaelis, von Seiner Majestät dem Kaiser ernannt worden.
Das deutsche Volk bringt dem Mann, der in ernstester Schicksalsstunde des Reiches
auf den verantwortungsvollsten Posten berufen ist, ohne Unterschied der Parteien
Vertrauen entgegen. Je weniger man im voraus über seine Stellung zu den Fragen
der äußeren Politik wissen kann, desto vorurteilsloser kann man sich daran halten, daß
der neue Lenker des Staatsschiffes sich in allen seinen Ämtern und allen schwierigen
Aufgaben gegenüber bisher unbestritten als ein Mann von gründlichem Wissen, un-
voreingenommenem Blick und Treffsicherheit, unbeugsamer Willensstärke und über-
raschender Arbeitskraft, vor allem aber als ein lauterer Charakter von tiefwurzelndem
Pflichtbewußtsein erwiesen hat, dem stets die Sache hoch über der Person, das Heil
des Vaterlandes über jeder anderen Rücksicht steht. Vr. Georg Michaelis ist am
8. September 1857 geboren und 1879 in den Staatsdienst getreten. Besonders ver-
dienstvoll war seine Wirksamkeit als Oberpräsident in Breslau. Seiner Tatkraft war es
zu verdanken, daß der großen Oderüberschwemmung abgeholfen wurde. An die Spitze
der Reichsgetreidestelle berufen, hat I)r. Michaelis sich durch zielbewußtes Handeln um
die Brotversorgung des Landes allgemein anerkannte Verdienste erworben. Nicht
zuletzt sind es sein warmes soziales Empfinden und seine gewissenhafte Sachlichkeit,
die ermutigende Gewähr dafür bieten, daß die Leitung des Staates in die Hände des
rechten Mannes gelegt ist, der Vertrauen und hingebende Mitarbeit von allen verdient.
 
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