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DasVuMnvWko

Heft 13

redete. Nun war es aber doch anders gekommen. Volkmann
war in eine kleine Universitätstadt an der Küste übergesiedelt,
um dort seine Echlußprüfung zu machen.
Fast ein Jahr war es jetzt her, daß ihn Liselotte zum letzten
Male gesehen hatte. An einem Morgen war sie in die Stadt
gegangen, um Einkäufe zu machen; in Gedanken verloren ging
sie dahin. Da rief jemand: „Auf Wiedersehen, Fräulein Lise-
lotte!" Sie blickte auf und sah Fritz Volkmann.
„Ich will zum Bahnhof, mein Zug gehk gleich. Wer weist,
wenn ich unser altes liebes Nest wiedersehe."
In aufwallendem Gefühl trippelte sie neben ihm her.
„Da," sagte sie herzlich und gab ihm die Rose, die sie an
ihrem Gürtel trug. „Ein letzter Grust der Heimat — Gott
schütze Sie!"
„Eine rote Rose? ... Liselotte, wir sehen uns wieder."
Dann schwieg er. Auch sie wustte nichts mehr zu sagen. Man
kam an den Bahnhof.
„Darf ich Ihnen schreiben, Liselotte?"
„Sooft Sie wollen."
„Bekomme ich auch Antwort?"
„Ja!"
Er hatte Wort gehalten. Viele Briefe gingen hin und her.
In einem hatte er um ihr Bild gebeten. Als sie es ihm längst
geschickt hatte, schrieb er ihr, er habe sie liebgewonnen. Ganz
anders dächte er jetzt und sei ernst und fest geworden und bäte
sie, wenn er zurückkäme, ihm doch das Glück zu geben das er
vom Leben erwartete. Zuerst zögerte sie mit der Antwort, dann
aber schrieb sie die wenigen Worte: „Ich glaube Ihnen, kommen
Sie." Alle kleinlichen Zweifel waren aus ihrer Seele ver-
schwunden. Morgen sollte sie ihn Wiedersehen. —
Der neue Tag brach heran; ein freundlich leuchtender Som-
mertag. Liselotte stand am Fenster und lauschte. Da kam
jemand. Ihr Herz pochte. Nein, das war er doch nicht. Sie
schaute näher hin.
Oswald Langner, ihr Vetter. Sie winkte aus dem Fenster
und lief hinunter zur Tür.
„Guten Tag, Oswald."
„Grüß' Gott, kleines Büschen. Das hast du wohl nicht ge-
dacht? Wie geht s dem Onkel und der Frau Tante? Bin doch
ein firer Kerl, daß ich an dich denke."
Sie lachte.
„Was — noch nicht mal 'nen Lust krieg' ich?"
„Na, weil du es bist," sagte ste übermütig, „aber, bitte, nur
einen Handkuß."
Er wollte ihre Linke an die Lippen führen. Da stutzte er.
„Du, Liselotte, du hast den Ring des Polykrates?"
„Wie? Den Ning des Polykrates?"
Laut lachte er heraus. „Volkmauus kleinen Mädelring."
Kaum hatte er das gesagt, da zog sie die Hand zurück und
erbleichte.
„Was hast du, Büschen?"
„Oh! Nichts . . . Was ist's mit diesem Ning?"
„Ein Scherz! Weiter nichts."
„Ich will's wissen, jetzt gleich, sonst darfst du nicht die Treppe
hinauf."
„Ich war gestern mit Volkmann zusammen, er ist ja auch
hier. Du kennst ihn wohl noch?"
In ihr erwachte Eifersucht.
„Nein, nur so ganz entfernt . . . Aber was hat das mit dem
Ning zu tun?"
„Volkmann trug einen ähnlichen Ring. Wenn er mal eine
kleine Liebschaft hatte, schenkte er ihn der Auserwühlten seines
Herzens. Lange pflegten ja solche Geschichten bei ihm nie zu
dauern. Er hat ihn mit den verschiedenen Abschiedsbriefen immer
wieder zurückbekommen."
Sie lachte gepreßt. „Das ist ja recht ulkig."
Langner wurde ungeduldig. „Nun gib die Treppe frei. Ich
habe einen Mordshunger."
Er stürmte die Stufen empor.
Liselotte ging still hinterher. Sie blickte den Ning an; un-

willig streifte sie ihn vom Finger. Also auch für sie war der Ring
gerade noch gut genug; wer weist, wer ihn schon getragen hatte.
Er schätzte sie auch nicht höher ein als so'che Liebschaft.
Sie ging auf ihr Zimmer und weinte. So faßte er ihre Liebe
auf! Aber da sollte er sich getäuscht haben! Sie setzte sich hin
und wollte ihm schreiben. Nein, das nicht! Vor die Füße werfen
wollte sie ihm den Ring, ihn verächtlich anschauen, ihm dann
den Rücken kehren. Dann war es aus. Das war das richtigste.
Beruhigt schritt sie die Treppe hinab. Froh scherzte und plauderte
sie, als ob nichts geschehen sei.
Der Nachmittag kam. In den Anlagen blühten die Hecken-
rosen und Rhododendren; Vögel sangen. Sinnend schritt Lise-
lotte am Ufer des Weihers hin und her, der inmitten gepfleg-
ter Wiesen glänzte.
Da knirschten Schritte hinter ihr im Sand. Sie wandte
sich um.
„Liselotte!" Volkmann stand vor ihr und bot ihr die Hand.
Sie rührte sich nicht.
„Nun? Nicht einmal einen -guten Tagst Liselottchen?"
„Herr Volkmann, Sie haben sich in mir getäuscht." Ihre
Stimme klang hart. „Wenn Sie mich mit denen vergleichen
wollen, denen Sie dies hier gaben." Sie nahm den goldenen
Reif aus der Handtasche.
Er blickte sie verlegen an und stammelte: „Der Ring ...
der ..."
„Ja! Der Ring des Polykrates!" Sie lachte spöttisch und
warf das Schmuckstück vor seine Füße.
Er blieb stehen; kein Wort kam über seine Lippen.
Eilig ging sie davon.
Da faßte er sich wieder und eilte vorwärts. Bald war er
an ihrer Seite und redete auf sie ein. Sie wisse doch aus seinen
Briefen, daß es ihm ernst wäre. Daß er ihr den Ring gegeben
Hütte, wäre gedankenlos geschehen.
Erbarmungslos schritt sie weiter.
Da blieb er stehen, ging zur nächsten Bank, die am Wege
stand, setzte sich und stützte den Kopf in die Hand. Der Fluch
erfüllte sich wieder, der an oem Ring haftete. Alles war nun aus.
Liselotte war für ihn verloren. In diesem Augenblick fühlte
er erst, wie lieb sie ihm war.
Liselotte schritt weiter. Verstohlen blickte sie zur Seite. Wo
war denn Volkmann? — Langsamer ging sie. Schließlich blieb
sie stehen. War sie nicht zu grausam gewesen? —- Jetzt war's
ihr gar nicht mehr so gleichgültig.
Sie wandte sich um. Niemand war zu sehen. Zögernd machte
sie einige Schritte rückwärts. An einer Biegung blieb sie wieder
stehen. Da sah sie ihn auf der Bank sitzen, das Gesicht in den
Händen verborgen. So ging es doch tiefer bei ihm.
Schinerzversunken sah und merkte er von alledem nichts.
Da legte sich eine weiche Hand auf seinen Kopf.
„Fritz, können Sie mir verzeihen? Ich war töricht und
eifersüchtig . . ."
Da sprang er auf, umhalste sein Mädel, das ihn anlachte.
Dann gingen sie miteinander weiter. Eie erzählte, was
Langner ihr von dem Ring gesagt hatte.
Er schwieg und drückte ihr die Hand. Dann schilderte er,
daß er fleißig gearbeitet habe und ein anderer Mensch geworden
sei. Anfangs sei das schwer gewesen, wie aber dann ihre Briefe
gekommen wären, sei ihm gewiß geworden, daß seine Wandlung
dauern müsse.
Sie waren wieder am Hermannsblick angekommen. Vor
ihnen schimmerte etwas im Sand. Sie blieben stehen. Er bückte
sich und hob den glitzernden Reif auf.
„Der Ring des Polykrates," rief sie, „der soll uns nicht mehr
ängstigen! Du weißt doch, was Polykrates mit seinem Ring
gemacht hat?"
„Ja! Er warf ihn in die See."
„Die See ist's zwar nicht, aber Wasser ist's doch."
Sie traten ans Ufer des Weihers; der Goldreif flog durch
die Luft, fiel auf die Wasserfläche und verschwand. Lächelnd
sahen sie einander an uud schritten weiter.
 
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