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Frimmel, Theodor von [Hrsg.]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 3
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Dürer und die Ephebenfigur vom Helenenberge
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Ein Werk aus der Bonifazio-Gruppe in der Sammlung Gerstle zu Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0082

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58

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 3.

des Holzschnittes einmal eine Dürer'
sehe Redaktion erfahren hat. Derlei
Erwägungen, die sich zunächst etwas
dreist ausnehmen, gewinnen immer
mehr an Halt, wenn man den Be'
Ziehungen Dürers zum Werk des Api'
anus weiter nachgeht. Da ist sogleich
das Titelblatt mit Merkur als Über'
reder, das ohne Zweifel auf eine Dürer'
sehe Zeichnung zurückgeht. Diese hat
sich erhalten und befindet sich jetzt im
Wiener Hofmuseum. *) Dürer dürfte also
wohl eine Zeichnung des Epheben vom
Helenenberge durch Lang von Wellern
berg, Pirkheimer oder sonst jemanden
erhalten haben. Danach hat er, das ist
höchstwahrscheinlich, für Apianus einen
Holzstock gezeichnet, auf dem aber die
plumpen Hände des Holzschneiders alle
feinen Züge des großen Künstlers so
weit verdorben haben, daß man nur
noch aus den auffallenden Proportionen
und gezwungenen Konstruktionen auf
Dürer zurückschließen kann. Daneben
hat Dürer aber auch für sich eine Figur
(vielleicht mehrere) nach dem Epheben
gezeichnet. Am deutlichsten zeigt unter
den publizierten Dürerzeichnungen der
nackte Krieger mit Keule und Schild
den Zusammenhang mit dem Epheben
vom Helenenberge. Eine Möglichkeit
solchen Zusammenhanges liegt auch vor
beim Äskulap der Sammlung Beckerath
und bei den Figuren aus der Gruppe
der Adamgestalten und Apollozeich'
nungen. Doch wird man bei diesen,
besonders beim Apoll im British Mu'
seum, mit Lehrs immerhin auch an
den Apoll vom Belvedere als Vorbild
denken können.

So etwa möchte ich die Ergebnisse der
knappen Untersuchung zusammenfassen.

*) Zu diesen Fragen vgl. Otto Jahn „Aus
der Altertumswissenschaft“ (1868), S. 335 ff*
Mit Dürer dürften auch die zwei Merkur'
figuren und der Herkules Zusammenhängen,
die bei Apianus auf S. CCXXX, S. CCCCXXII
und S. CLXX f. Vorkommen.

EIN WERK AUS DER BONIFAZIO'
GRUPPE IN DER SAMMLUNG
GERSTLE ZU WIEN.

Das anbei abgebildete Gemälde mit einer
Madonna und zwei anbetenden Engeln läßt
sich im Kunsthandel verhältnismäßig weit
zurück verfolgen. 1824 ist es durch Pietro
Anderloni als Tizian im Gegensinne des Ori'
ginals gestochen worden/1') Ehemals befand sich
das Bild bei der Gräfin Pino in Mailand. Die spä'
teren Besitzer waren die Kunsthändler Artaria u.
Fontaine in Mannheim, Josef Wahle, Professor
Dr. Rinecker in Würzburg, dann der Wiener
Händler Georg Plach**). Endlich kam es zum
kaiserlichen Rat Max Gerstle in Wien
Gerstle hat es bei der Versteigerung des
Plachschen Nachlasses 1885 erstanden und
seither festgehalten. Es ist das Hauptbild seiner
umfangreichen Gemäldesammlung. Eine vor-
zügliche photographische Aufnahme wird der
Güte des Besitzers verdankt.

Die Benennung des wertvollen Bildes ist
nicht so leicht zu geben, als manche wohl
meinen. An der älteren Taufe auf Tizian kann
aus mehreren Gründen nicht festgehalten
werden, und schon in der Tizianmonographie
von Crowe und Cavalcaselle (deutsche Aus-
gäbe, II., S. 721) ist es aus der Reihe der zu-
verlässigen Tizians gestrichen und dem „Poli-
doro Lanzani“ zugewiesen worden. Die Maler-
gruppe, aus der die umstrittene Madonna her-
vorgegangen ist, hat seit den Tagen der Plach-
sehen Versteigerung viel mehr Beachtung ge-
funden als früher, und besonders dankt man
dem emsigen Forscher Gustav Ludwig reich-
liche urkundliche Mitteilungen über die Maler,
die für das Bild in Frage kommen können,
das sind der alte Bonifazio und seine Gehilfen
und Schüler. Wenn ich auch den „Polidoro
Lanzani“, der nach Ludwigs Funden eigent-
lich Polidoro de Renzi del quondam
Paolo da Lanzano heißtf), nicht gerade-

*) Eine Abbildung des Stiches findet sich in
dem Buche von Emilio Anderloni „Opere e vita di
Pietro Anderloni“ (Mailand 1903). Tafel VII zu S. 53 ff.
- Vgl. zum Stich auch die letzten Nachträge zu
Füßlis großem Künstlerlexikon (S. 128). — Eine Ab-
bildung nach Anderlonis Stich in Holzschnitt (aus
H. A. Käseberg & Örtels Anstalt) wurde 1885 in der
Leipziger Illustrierten Zeitung veröffentlicht (Nr. 2217
vom 27. Dezember 1885).

**) Zu den Besitzern vgl. Naglers Lexikon und
den „Katalog der Kunstsammlungen aus dem Nach-
lasse des Herrn Georg Plach, Kunsthändlers und Ex-
perten in Wien“ (Wien, C. J. W.lwra I885, S. 190),
ferner Repertorium für Kunstwissenschaft, XIV. S. 64.

-f) Vgl. G. Ludwig im Jahrbuch der königlich
preußischen Kunstsammlungen 1902, Heft 1.

Wenig beachtete Bilder, die ich demPolidoro
da Lanzano zuschreiben möchte, befinden sich u. a.
in der Stiftsgalerie zu St. Florian und in der Magde-
burger Galerie. Das Gemälde in St. Florian, ein über-
höhtes Bild, zeigt rechts Maria mit dem Kind auf
 
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