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Frimmel, Theodor von [Editor]
Blätter für Gemäldekunde — 2.1906

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Heft 5
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Gedanken über Kunst-Philosophie, [2]: künstlerische "Empfindung" und Technik
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Der Jacob Isaaksz van Swanenburgh in der Augsburger Galerie
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https://doi.org/10.11588/diglit.27899#0118

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94

BLÄTTER FÜR GEMÄLDEKUNDE.

Nr. 5.

ständnisses habe ich beim Unterricht
öfter damit gehabt, daß ich die Ange-
legenheit an einfachen Beispielen er-
läuterte. Eine geschwungene Linie, etwa
der Umriß einer Bergkette wurde vielmals
gezeichnet, gut, schlecht, empfunden, nicht
empfunden, realistisch nach Möglichkeit,
stilisiert und immer in mehreren Permu-
tationen. Jm allgemeinen war es stets
dieselbe Linie, jedesmal hatte sie aber
einen anderen Charakter, der in ihrer
Führung, in ihrer Dicke, Schwingung,
also in materiellen Merkmalen zum
Ausdruck kam. Die Langweile in der
Wiederholung desselben Konturs kam
jedesmal in einer nachlässigeren gedan-
kenlosen Führung des Stiftes, in einer
empfindungslosen Linie zum Ausdruck.
Ich schreibe keine künstlerische Grapho-
logie und lasse alle Deutelei beiseite,
aber man wird nicht leugnen können,
daß mit den angedeuteten Beispielen
wenigstens der Weg gewiesen ist, auf
dem weitere Aufschlüsse zu gewinnen
sind.

Künstlerische Empfindung ist nicht
dasselbe wie künstlerische Güte, sie ge-
hört nur mit zu den Faktoren, aus
denen wir gute Qualität ableiten. Ein
empfundenes Kunstwerk kann auch
schlecht sein. Ganz junge Künstler und
Kinder malen und zeichnen oft mit un-
geheurer Empfindung, und dennoch
bringen sie nur schlechtes Zeug zustande,
so lange ihnen jede Kenntnis des Ma-
terials und der Technik mangelt. Keinen
Zweifel gibt es darüber, daß die Empfin-
dung allein ganz machtlos ist, wenn sie
nicht von technischem Können begleitet
ist. Material und Technik sind die halbe
Kunst. Welcher Wert aber auf Empfin-
dung, Material und Technik entfällt, dar-
über wollen wir lieber keinen aussichts-
losen Streit führen. Wäre die Empfin-
dung für den Kunstphilosophen auch das
wichtigste, so könnte man doch nie-
manden zwingen, gerade den kunstphi-
losophischen Standpunkt einzunehmen.

Jedem bleibe es unverwehrt, Kunstwerke
von seinem besonderen Standpunkt
aus zu betrachten, und dabei werden
wohl viele an einem und demselben
Kunstwerk gar Verschiedenes für das
wichtigste halten. Was ist das wich-
tigste am Baume draußen im Walde?

DER JACOB ISAAKSZ VAN SWA-
NENBURGH IN DER AUGSBURGER
GALERIE.

Ich knüpfe an die Erörterungen an, die in
der Notiz über den signierten Swanenburgh
der Kopenhagener Galerie unlängst im dritten
Heft dieses Bandes gegeben worden sind. Da-
mals erwähnte ich, daß ich ein ähnliches Bild
in der Königlichen Galerie zu Augsburg, das
als Dirk van Delen katalogisiert ist, gleichfalls
für ein Werk des Swanenburgh ansehe. Beim
Ordnen eines Stoßes verschiedenartiger Ab-
bildungen fand ich nun unlängst die alte Auf-
nahme nach dem Augsburger Bilde, eine Pho-
tographie aus Friedrich Hoefles photographi-
scher Anstalt. Auf diesem Blatte waren schon
meine längst gehegten Zweifel an der Benennung
Dirk van Deien vermerkt, und das mag die
Veranlassung dazu gewesen sein, daß die Ab-
bildung verlegt wurde und nicht zur Hand
war, als die Notiz über den Swanenburgh in
Kopenhagen geschrieben wurde. Heute ergänze
ich die erste Notiz durch die Abbildung des
Gemäldes in der Augsburger Galerie.'*') Bei
einer Vergleichung der Abbildungen nach den
Bildern in Augsburg und in Kopenhagen er-
gibt sich nun mit Gewißheit, daß für beide
Gemälde dieselbe Zeichnung des Peters-
platzes in Rom benützt worden ist. Alle
Linien der Architektur sind auf beiden
dieselben. Auch die Figurenbeigaben,
zwar anders komponiert, aber im übrigen auf
beiden Gemälden in ganz ähnlicher Weise ver-
teilt und geformt, verraten dieselbe Künst-
lerhand. Meine Vergleichung im Gedächtnis
hatte mich also diesmal nicht getäuscht.

Um den Dirk van Delen als Fertiger
des Bildes in Augsburg auszuschließen, ver-
weise ich auf eine ganze Reihe von Werken,
die in ihrer Benennung vollkommen gesichert
sind, z. B. auf ein hart gemaltes signiertes
Bild von 1629 ehemals in der Pelham Clinton
Hope Collection. Diese Arbeit erinnert noch
ein wenig an Steenwyck. (Eine Photographie

*) Für die freundliche Erlaubnis zur Nachbil-
dung bin ich der Firma Friedrich Hoefle zu Dank
verpflichtet.
 
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