Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Blainville, J. de; Wright, Edward; Meyersche Buchhandlung [Hrsg.]; Lockman, John [Bearb.]; Guthrie, William [Bearb.]; Turnbull, George [Bearb.]
Des Herrn von Blainville, ehemaligen Gesandschaftssekretärs der Generalstaaten der vereinigten Niederlande an dem Spanischen Hofe Reisebeschreibung durch Holland, Oberdeutschland und die Schweiz besonders aber durch Italien: aus des Verfassers eigener Handschrift in englischer Sprache zum erstenmal zu Druck befördert von Georg Turnbull der Rechten Doktor und Wilhelm Guthrie Ritter (Dritten Bandes erste Abtheilung): enthaltend die Fortsetzung der Beschreibung von Rom, eine Reise nach Neapel, mit einer genauen Nachricht vom Vesuv und die Rückreise von Neapel in das Florentinische — Lemgo: in der Meyerschen Buchhandlung, 1766

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.53372#0231
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Neapel. 1707. den i2 Novemd. 219

Hartes Verfahren der gaiſerlichen und Neapolitaner gegen K. Philip v und die Spaniſchen Kriegsgefangenen,

Indem wir durch das Kaſtel giengen, zeigte uns unſer Begleiter die Thuͤrme, worin
der letzte Vicekoͤnig von Neapel, unb Herzeg von Eſcalona, der Prinz von Cellamare unb
der Herzog von Biſaccio gefangen ſaßen. Dieſer ehrliche Mann erzaͤhlte uns dabey, daß
dieſen vornehmen Herren, als ſie in die Kriegsgefangenſchaft aeratben, ſehr unwuͤrdig be—
geghet worden. Denn die Herzoge von Eſcalona und Biſaccio ſaßen in einer elenden Ka—
leſche, und beſonders jener in einer ſchlechten Kleidung, nur mit einem Strohhut. auf dem
Kopfe und mit einem langen Barte, den er ſick aus Verdruß haͤtte wachſen laͤſſen, neben
welchen der Prinz von Cellamare auf einer erbaͤrmlichen Maͤhre herreiten mufte , als ſie
den 4 Ocfobr, 1707. aus dem eroberten Gaeta am hellen Tage im Triumph nach Neapel
gebracht wurden. Andere angeſehene Perſonen ſaßen auf eben ſo elenden Pferden unb waren
wie Spitzbuben darauf gebunden. Die uͤbrigen vornehmen Officiere, und ſo gar die Edel⸗
knaben des Herzogs von Eſcalona, die lauter Leute aus den vornehmſten Haͤuſern in Spa—
nien waren, muſten fünf und vierzig Meilen zu Fuße laufen. Wenn biefes wahr iſt, wie
ich denn im geringſten nicht daran zweifeln kan, ſo hat ſich der gegenwaͤrtige Staͤthalter
Koͤnig Carls III, Georg Adam von Martinitz, Kaiſerl. Oberhofmarfchaͤl, große Vorwuͤrfe zu
machen, daß er gegen Kriegsgefangene von ſolchem Stande ſo unedelmuͤthig hat ver⸗
fohren laſſen. Aber das war noch nicht genug. Als der Graf Martinitz ſeinen Einzug in
Neapel hielt, gab er zu, daß die ſchoͤne Statuͤe K. Philips V, die auf dem Platze del Gie⸗
ſu ſtand, mit der groͤſten Beſchimpfung niedergeriſſen, durch die Straßen geſchleift, in Stuͤ⸗
den geſchlegen, unb ins Meer geworfen wurde. — feute von hohem Standẽ ſolten, wie mich
bedaͤnkt, einander mit mehrerer Anſtaͤndigkeit begegnen, unb vom Gluͤcke nicht fo aufgebla⸗
ſen werden, daß ſie die veraͤnderliche Unbeſtaͤndigkeit deſſelben aus dem Gedaͤchtniß verlie⸗
ren. Beſonders haͤtte ſich der Graf Martinitz erinnern ſollen, wie es feinem Großvater
Jaroslaus, Grafen von Martinitz, Burggrafen von Boͤhmen, ergangen, der mit dem Grafen
Slabata und dem Secretaͤr Fabritius, bloß weil ſie etwas zuͤ parthehiſch für den Kaiſer
waren, aus dem koͤniglichen Schloß zu Prag zum Fenſter herunter geworfen wurden.

Ich konte nicht umhin, meine Gedanken uͤber das erſtaunliche Verfahren des Grafen
von Martinitz mitzutheilen. Was ſoll man aber von dem Betragen der Neapolitaner ſelbſt
fagen? Als vor fünf Jahren 1702 Herzog Philip von Anjou ſeinen Einzug zu Steapel -
als Koͤnig hielt, wurde er von den geiſtlichen Orden, dem Abel, der Geiſtlichkeit und dem
Valk als Künig von Cpanien und ihr rechtmaͤßiger Oberheir mit dem freudigſten Zu.
ruf und der gröffen Pracht empfangen, Mit einem Wort, man ließ es an Feiner Art don
Beweiſen des Eiſers und der Neigung gegen den jungen Prinzen fehlen, und er nahm mit
der aͤußerſten Pracht vom Reiche Beſttz.! Man ſagt fo gar, daß der beruͤhmte Einzug und die
Bewirthang $. Carls V nur eine Kleinigkeit gegea dieſe geweſen ſey. Und dennoͤch, wer
fan e8 gíauben? wenige Jahre nachher vergifftt eben diefes Volk alle Merkzetchen feiner
Treue, alle geleiſtete Eide, entfaget ſeinem neuen Kenig auf die abſcheulichſte Weiſe, und
um ſeine große Verachtung gegen deſfen Perſon zu zeigen, ſo mißhauͤdelt es feine Statuͤe
und zerſchlaͤgt ſie auf das ſchimpflichſte in Stuͤcken. Und um ihre Thorheit vollkommen zu
machen, ſo erweiſet e8 dem Grafen von Maͤrtinitz, der doch weiter nichts, alg ein kaiſerli⸗
cher Oberhofmarſchal und Stathalter war, mebr Ehre, als vormals Carl V, und vor kur—

^






 
Annotationen