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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 15.1914

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Nr. 1
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Wendlandt, Wilhelm: Die Wilhelmsburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.32140#0014
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herausgegebenen Werke „Der Kirchenbau des Protestantismus von der Reformation bis zur Gegenwart"
(Berlin 1893) als das ä l t e st e bekannte Beispiel der Vereinigung von Altar,
Kanzel und Orgel an der hinteren Kirchenwand bezeichnet:

Der bedeutsame neue Gedanke, die beiden Mittelpunkte des Gottesdienstes, nach denen die Blicke
der Kirchengänger — als eine notwendige Folge der Einsührung sester Kirchensihe beim protestantischen
Gottesdienst — sich richten müssen, Altar und Kanzel einander so zu nähern, datz sie von allen Sitzen
gesehen werden können, habe in der Stuttgarter Schlotzkapelle zum ersten Male Gestalt gewonnen.

Noch einen Schritt weiter als der Stuttgarter Architekt sei 30 Iahre später derjenige der Wilhelms-
burg in Schmalkalden gegangen, darin die im Iahre 1590 geweihte, kunstgeschichtlich durch ihre wunder-
vollen Stuckdekorationen berühmte Kapelle dargestellt sei. Die Grundritzanordnung des durch drei Ge-

schosse gehenden, auf
drei Seiten mit ver-
hältnismätzig tiesen
gewölbten Empor-
hallen versehenen
Raumes erinnere ei-
nigermatzen an die
der Negensburger
„Alten Pfarre". An
der vierten Seite sei
im zweiten Ober-
geschotz ein schmaler
balgenartigerSänger-
chor ausgekragt, hinter
welchem, innerhalb
eines dort liegenden
Treppenturmes, die
Orgel sich besinde.
Am ersten Oberge-
schotz öfsne sich aus
demselben Treppen-

turm der Zugang zur Kanzel, die in der Achse der Kapelle, also nicht neben dem Altar, wie in Stutt-
gart, sondern oberhalb desselben angeordnet sei.

Seit vielen Iahren und im 18. Aahrhundert sei diese — vorbildliche — Vereinigung von Altar, Kanzel
und Orgel in einer Linie übereinander an der hinteren Wand sast regelmäßig in evangelischen Kirchen
angewendet worden. —

Deshalb ist es auch ein glücklicher Gedanke gewesen, im Schlosse Wilhelmsburg zu Schmalkalden eine
G e d ä ch t n i s h a l l e zur Erinnerung an die Nesormation, an die grotze Zeit der Entstehung des
Schmalkaldischen Bundes (1530—31), der Schmalkaldischen Artikel (1537), unter Mitwirkung von Luther,
Melanchton, Bugenhagen, Austus Zonas und sast aller bekannter Neformatoren zustande gekommen, und
des Schmalkaldischen Krieges (1546) in grotzem Stile einzurichten. Deutsche und ausländische Fürsten,
deren Vorfahren an der Resormation beteiligt waren, haben auf Betreiben des Bürgermeisters von
Schmalkalden, Herrn Rösler, die Gemälde ihrer Ahnen sür diesen Zweck zum großen Teil bereits
gestistet, mehrere der damals mitwirkenden Städte lieserten ihre Wappenbilder dazu!

Die Wilhelmsburg, in Thüringen, dem Herzen Deutschlands gelegen, sollte daher nicht nur
als ein Kleinod der Baukunst aus dem 16. Iahrhundert, sondern auch als eine Andachts- und
Erinnerungsstätte der Resormation, zu einem Wallfahrtsort aller Kunstkenner und Geschichtssreunde er-
hoben werden.

Kgl. Metzbildanstalt, Berlin.

Abb. Z. Die Wilhelmsburg in Schmalkalden. Westansicht.
 
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