12
schwerlich behaupten dürse, datz sie persönliche Schöpfungen seien und durch geschlossene Einheit sich aus-
zeichnen. Er denkt dabei an ähnliche monumentale Renaissancebauten wie der Otto-Heinrichs-Bau des
Heidelberger Schlosses, an das alte Schloß in Stuttgart, an das Prellerhaus ia Nürnberg und an das
Zeughaus in Danzig. Demgegenüber macht er aber als entscheidendes Merkmal der Nenaissance geltend,
datz gerade der persönliche Hauch, der überall sichtbar durchbreche, eines besonderen indwiduellen Künstler-
geistes und die seste Unterordnung der Einzelheiten unter ein streng einheitlich erfaßtes Ganzes mit Recht
als Wahrzeichen eines Renaissancewerkes angesehen wird. Auch schränkt er seinen Vorwurf gegen die
deutschen Architekten ein, indem er zugibt, daß es entschieden übertrieben wäre, wenn man ihnen den
Sinn für einheitliche Auffassung schlechtweg absprechen wollte: „Wurde ein Bauwerk im 16. Aahrhundert
neu errichtet, so empfing der Grundriß gewöhnlich eine regelmäßige Form."
An diesem Zusammen-
hange erwähnt Springer
gerade die Wilhelmsburg
in Schmalkalden, bei der
dies in hervorragendem
Maße zutage trete. Auch
Lübke hat sie in seiner
„Geschichte der deutschen
Renaissance" auf Grund der
Aufnahmen von Laske aus
dem Aahre 1888 ausgiebig
als ein Paradigma der
deutschen Renaissance ver-
wendet. DieWilhelmsburg
ist ein durchschlagendes Bei-
spiel für den Sieg der Nenai-
ssance gegenüber der Gotik.
Die deutsche Baukunst
schuf in Verbindung mit
der Antike ganz neue For-
men, hervorgegangen aus
der Übertragung der Holz-
technik und der Schmiede-
kunst aufStein. DieAußen-
und Annenanlage der Wil-
belmsburg erweist die schöpferischen Konstruktionsarbeiten der Nenaissance, namentlich die vorbildlich
gewordene, in den guadratischen Bau eingeschlossene Schloßkapelle. Es ist erwiesen, daß hierbei die Her-
ziehung der niederländischen Renaissance entscheidend mitgewirkt hat, „die unter günstigeren Verhält-
nissen emporgewachsen, von einem reichen selbstbewußten Volke getragen, die einzelnen Entwicklungs-
stufen in der Tat rascher erklommen, und ihr einen schärferen Ausdruck verliehen hat" (Springer). Dadurch
wurde sie für weite deutsche Kreise in unserem Volke in mustergültiger Art zum unmittelbaren Vorbild.
Hierbei darf man nicht außer acht lassen, daß zur Zeit des Schloßbaues in Schmalkalden das deutsche
Kunsthandwerk die erste Stelle einnahm, sowohl in bezug aus die Mannigfaltigkeit seiner Wirksamkeit,
wie in bezug auf die Größe seiner Kundschaft. Das Lharak'teristische an der deutschen Renaissance ist die
Verwendung des breiten Bandornaments der Nürnberger Schmiedekunst in der Architektur. Aus dieser
neuen Zdee erklärt sich die Freudigkeit und Frische der Erfindung der Kartuschenzeichner und Baukünstler,
die in unserem Schloß, abgesehen von einigen späteren barocken Zusähen, auf Schritt und Tritt und
vollkommen einheitlich entgegenleuchtet. Meister in der Anfertigung solcher Vorlagen war
bek'anntlich der Holländer Vredemannde Vries , dessen gefälliger Geist und überquellende Phan-
Kgl. Metzbildanstalt, Bcrlin.
Abb. 11. Die Wilhelmsburg in Schmalkalden. Naum im Dachgeschoß des Südflügels.
schwerlich behaupten dürse, datz sie persönliche Schöpfungen seien und durch geschlossene Einheit sich aus-
zeichnen. Er denkt dabei an ähnliche monumentale Renaissancebauten wie der Otto-Heinrichs-Bau des
Heidelberger Schlosses, an das alte Schloß in Stuttgart, an das Prellerhaus ia Nürnberg und an das
Zeughaus in Danzig. Demgegenüber macht er aber als entscheidendes Merkmal der Nenaissance geltend,
datz gerade der persönliche Hauch, der überall sichtbar durchbreche, eines besonderen indwiduellen Künstler-
geistes und die seste Unterordnung der Einzelheiten unter ein streng einheitlich erfaßtes Ganzes mit Recht
als Wahrzeichen eines Renaissancewerkes angesehen wird. Auch schränkt er seinen Vorwurf gegen die
deutschen Architekten ein, indem er zugibt, daß es entschieden übertrieben wäre, wenn man ihnen den
Sinn für einheitliche Auffassung schlechtweg absprechen wollte: „Wurde ein Bauwerk im 16. Aahrhundert
neu errichtet, so empfing der Grundriß gewöhnlich eine regelmäßige Form."
An diesem Zusammen-
hange erwähnt Springer
gerade die Wilhelmsburg
in Schmalkalden, bei der
dies in hervorragendem
Maße zutage trete. Auch
Lübke hat sie in seiner
„Geschichte der deutschen
Renaissance" auf Grund der
Aufnahmen von Laske aus
dem Aahre 1888 ausgiebig
als ein Paradigma der
deutschen Renaissance ver-
wendet. DieWilhelmsburg
ist ein durchschlagendes Bei-
spiel für den Sieg der Nenai-
ssance gegenüber der Gotik.
Die deutsche Baukunst
schuf in Verbindung mit
der Antike ganz neue For-
men, hervorgegangen aus
der Übertragung der Holz-
technik und der Schmiede-
kunst aufStein. DieAußen-
und Annenanlage der Wil-
belmsburg erweist die schöpferischen Konstruktionsarbeiten der Nenaissance, namentlich die vorbildlich
gewordene, in den guadratischen Bau eingeschlossene Schloßkapelle. Es ist erwiesen, daß hierbei die Her-
ziehung der niederländischen Renaissance entscheidend mitgewirkt hat, „die unter günstigeren Verhält-
nissen emporgewachsen, von einem reichen selbstbewußten Volke getragen, die einzelnen Entwicklungs-
stufen in der Tat rascher erklommen, und ihr einen schärferen Ausdruck verliehen hat" (Springer). Dadurch
wurde sie für weite deutsche Kreise in unserem Volke in mustergültiger Art zum unmittelbaren Vorbild.
Hierbei darf man nicht außer acht lassen, daß zur Zeit des Schloßbaues in Schmalkalden das deutsche
Kunsthandwerk die erste Stelle einnahm, sowohl in bezug aus die Mannigfaltigkeit seiner Wirksamkeit,
wie in bezug auf die Größe seiner Kundschaft. Das Lharak'teristische an der deutschen Renaissance ist die
Verwendung des breiten Bandornaments der Nürnberger Schmiedekunst in der Architektur. Aus dieser
neuen Zdee erklärt sich die Freudigkeit und Frische der Erfindung der Kartuschenzeichner und Baukünstler,
die in unserem Schloß, abgesehen von einigen späteren barocken Zusähen, auf Schritt und Tritt und
vollkommen einheitlich entgegenleuchtet. Meister in der Anfertigung solcher Vorlagen war
bek'anntlich der Holländer Vredemannde Vries , dessen gefälliger Geist und überquellende Phan-
Kgl. Metzbildanstalt, Bcrlin.
Abb. 11. Die Wilhelmsburg in Schmalkalden. Naum im Dachgeschoß des Südflügels.