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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 15.1914

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Nr. 8
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Kohlrausch, Robert: Galera
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https://doi.org/10.11588/diglit.32140#0186
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wuchs, und ihre Namen wiesen auf deutschen Ilrsprung. Ein Graf Gerhard ragte bedeutend unter ihnen
hervor. Dieser Gerardus — wahrscheinlich ein Verwandter der Grafen von Tuskulum — nahm den von
den Kaiserlichen ausgestellten Gegenpapst Benedikt in sein Kastell von Galera schützend aus, erduldete
dort mit ihm zusammen auf Anstisten Hildebrands, des nachmaligen Papstes Gregors VII., eine Belagerung
durch die Normannen und begab sich nach Deutschland, um an der Krönung des jungen Heinrichs IV.
teilzunehmen. So klangen die Namen der beiden grotzen Gegner von Canossa auch in die Geschichte der
stillen Campagnaveste hinein. Im 13. Iahrhundert gehörte Galera schon dem Geschlechte der Orsini;
doch waren auch sie wahrscheinlich deutschen Ursprungs. Aus nordischen Wäldern waren diese Menschen-
bäreir, die herrschgewaltigen Ilrsi und Rrsini, vermutlich nach dem Süden gekommen. Unter ihrer Herr-
schast zogen auf lange Zeit stolze Tage sür Galera heraus. Hier hatte der Zeremonienmeister Alexanders VI.,

der schreiblustige Burkard, eine Zu-
sammenkunst mit König KarlVIII.
von Frankreich, hier wurde Kaiser
Karl V. von Girolamo Orsini 163ö
sestlich bewirtet. Aber Mangel an
Geld bedeutete schlietzlich auch hier
den Sturz der Macht. Paolo
Orsini mutzte Galera dem Kardinal
Alessandro Ssorza verkausen, doch
deutscher Einslutz hat schlietzlich
wieder gesiegt. Galera gehört
heute dem Collegio Germanico zu
Rom, dessen Zöglinge mit ihren
wallenden roten Gewändern in
das römische Stratzenleben als
Gamberi (Krebse) solch leuchtende
Note bringen. So haben deutsche
Beziehungen hier in der alten
Etruskerstadt nur sür kurze Zeit
ausgehört, und in bescheidenem
Sinne mutz auch Galera zu den
unzähligen deutschen Denkstätten auf italienischem Boden gerechnet werden.

Man sährt nordwestlich von Rom aus der Bahn, die nach Viterbo führt, in Alt-Etruriens Einsamkeit
hinein. Die Peterskirche ragt — von der am Gianicolo hinangeklommenen Bahn aus gesehen — zum
Abschied stolzer und majesiätischer empor als irgendwo sonst. Mit ihr zugwich versinkt nun sast alle Kultur.
Das wundersam in die Gegenwart herüberwirkende Nomadenleben uralter Zeiten beginnt in der Lam-
pagna da drautzen. Die wenigen festen Ortschasten, die den Bahnstationen ihre Namen gegeben haben,
liegen meist weitab und bleiben unsichtbar sür den Reisenden. Auch die Ruinenstätte des von Rom zer-
trümmerten Veji, dessen Gebiet er berührt, wird seinem Auge nicht erkennbar. Was in weiten Zwischen-
räumen die grüne, scheinbar flache Landschast mit ihren verborgenen Schluchten belebt, sind konhche Hirten-
hütten von Schils, in denen mit ihren weitzen, bösen Campagnahunden Menschen hausen, deren Kultur
hinter der unserer Gegenwart um ein paar Iahrtausende zurückliegt. Ein sonderbares, vereinsamtes Land,
voll von Überraschungen und Geheimnissen.

Auch Galera liegt als ein solches Geheimnis sern von der Bahn in der stillen Campagna da. Bei der
einsam im Felde ruhenden Station Cesano, deren zugehöriger Ort irgendwo verborgen in der Ferne
schläft, mutz man den Zug verlassen und in die scheinbar grenzenlose grüne Weite hinein linkshin die Stratze
nach Galera wandern. Schnurgerade sührt sie dahin; kein Baum beschattet sie, nur eine niedrige Mauer
aus graublauen Steinen läust an ihrer einen Seite dahin als einziger Schmuck. Rechts unbebautes Land,
soweit nur das Auge reicht, links ein dürstiges, unabsehbares Haserseld, ein Stück von dem Großgrundbesitz,
 
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