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kann. Mühsam schafst man sich Zutritt ins Innere, doch erkennt man kaum noch einzelne Räume der Burg.
Deutlicher tritt nur ein Saal mit einem steinernen Pseiler in der Mitte hervor, ganz angesüllt mit wildem
Grün. Feigensträucher sind hier heute die Herren; sie sind auch aus den Mittelpseiler emporgeklettert und
schauen mit ihren alljährlich neuen Blättern aus die stets wachsende Zerstörung hinunter, die sie beschatten.
Einzelne Durchgänge, Nischen, Schießscharten sind noch erkennbar; zwischen der Burg und einer zuge-
hörigen Kirche zeigen sich die Neste von einem doppelten Tor mit Bogenansatz. Von der Kirche selbst
ist nur der verhältnismäßig neue Glockenturm erhalten geblieben; ein Marchese von Galera, Giovanni
Mancinsorte, hat ihn am Anfang des 18. Iahrhunderts restaurieren lassen. So schaut er mit jüngeren
Formen auf die mittelalterlichen Trümmer der
mächtigen Burg, in deren wuchtigen Massen ein
wuchtiges und gewaltsames Geschlecht sich bis heute
verkörpert.
Wie die Burg der Orsini dem grotzen Städte-
grabe von Galera seinen Charakter und Neiz gibt,
so sällt aus der Geschichte jenes Geschlechtes ein
blutig-romantisches Licht aus den Ort. EinMenschen-
schicksal, ein junges, grausam ausgelöschtes Menschen-
leben verbindet ihn mit einer der grotzenRenaissance-
tragödien, in denen Mordlust und Liebe so nahe
nebeneinander wohnen. VittoriaAccoramboni nennt
sich ihre Heldin; um ihrer Schönheit willen müssen
Menschen sterben, auch der Sohn von Galera. Die
Tochter eines vornehmen Hauses in Gubbio, wo noch
der Palazzo der Accoramboni steht, wurde Vittoria,
deren Schönheitsrus sich früh verbreitete, von Paolo
Giordano Orsini, dem Herzog von Bracciano und
Besitzer des benachbarten Galera, mit Heirats-
anträgen umworben. Ihr Vater aber wollte nichts
von seiner Bewerbung wissen; vielleicht hat ihn der
Mordgeruch, der an Orsinis Händen haften sollte,
gestört. Man flüsterte sich zu, der Herzog von
Bracciano habe seine erste Gemahlin Isabella, die
Tochter des Herzogs Cosimo von Medici, mit eigenen
Händen aus Eisersucht in einem einsamen Landhaus
erdrosselt. So gab der Vater seine sechzehnjährige
Tochter lieber dem edlen Francesco Peretti, dem
Nefsen des Kardinals Montalto, zur Frau. Doch im stillen schleichende Falschheit vereitelte des klugen
Vaters Vorsicht. Vittorias eigener Bruder lockte den Gatten der Schwester durch erlogene Botschast
abends an einen abgelegenen Platz von Rom, und Francesco Peretti kehrte lebend nicht wieder heim.
Vittoria war frei sür ihres Bruders Einflüsterungen, der in des Herzogs Austrag sie umwarb, und mit
unglaublicher Schnelligkeit — zwiesach unglaublich wegen Orsinis körperlicher Hätzlichkeit — erhörte sie
den sürstlichen Bewerber. Keine vierzehn Tage vergingen, und Vittoria trug des Herzogs Verlobungs-
ring an ihrem Finger.
Aber es gab noch Hindernisse sür die neue Heirat. In zwei mächtigen Kirchensürsten erstanden ihr
einflutzreiche Gegner, im Kardinal von Medici, zu dessen Haus Orsinis erdrosselte Gemahlin Isabella
gehört hatte, und im Kardinal Montalto, dem Oheim des ermordeten Francesco Peretti, der um seiner
Liebe zu Vittoria willen hatte sterben müssen. Und noch ein anderes Hindernis war da, noch ein weiteres
Liebesopser mußte sallen, bis Vittoria mit Paolo Giordano zum Altar treten, ihr schönes Haupt mit einer
Herzogskrone schmücken konnte. Der Sohn von Galera trat aus den Schauplatz der großen Tragödie,
kann. Mühsam schafst man sich Zutritt ins Innere, doch erkennt man kaum noch einzelne Räume der Burg.
Deutlicher tritt nur ein Saal mit einem steinernen Pseiler in der Mitte hervor, ganz angesüllt mit wildem
Grün. Feigensträucher sind hier heute die Herren; sie sind auch aus den Mittelpseiler emporgeklettert und
schauen mit ihren alljährlich neuen Blättern aus die stets wachsende Zerstörung hinunter, die sie beschatten.
Einzelne Durchgänge, Nischen, Schießscharten sind noch erkennbar; zwischen der Burg und einer zuge-
hörigen Kirche zeigen sich die Neste von einem doppelten Tor mit Bogenansatz. Von der Kirche selbst
ist nur der verhältnismäßig neue Glockenturm erhalten geblieben; ein Marchese von Galera, Giovanni
Mancinsorte, hat ihn am Anfang des 18. Iahrhunderts restaurieren lassen. So schaut er mit jüngeren
Formen auf die mittelalterlichen Trümmer der
mächtigen Burg, in deren wuchtigen Massen ein
wuchtiges und gewaltsames Geschlecht sich bis heute
verkörpert.
Wie die Burg der Orsini dem grotzen Städte-
grabe von Galera seinen Charakter und Neiz gibt,
so sällt aus der Geschichte jenes Geschlechtes ein
blutig-romantisches Licht aus den Ort. EinMenschen-
schicksal, ein junges, grausam ausgelöschtes Menschen-
leben verbindet ihn mit einer der grotzenRenaissance-
tragödien, in denen Mordlust und Liebe so nahe
nebeneinander wohnen. VittoriaAccoramboni nennt
sich ihre Heldin; um ihrer Schönheit willen müssen
Menschen sterben, auch der Sohn von Galera. Die
Tochter eines vornehmen Hauses in Gubbio, wo noch
der Palazzo der Accoramboni steht, wurde Vittoria,
deren Schönheitsrus sich früh verbreitete, von Paolo
Giordano Orsini, dem Herzog von Bracciano und
Besitzer des benachbarten Galera, mit Heirats-
anträgen umworben. Ihr Vater aber wollte nichts
von seiner Bewerbung wissen; vielleicht hat ihn der
Mordgeruch, der an Orsinis Händen haften sollte,
gestört. Man flüsterte sich zu, der Herzog von
Bracciano habe seine erste Gemahlin Isabella, die
Tochter des Herzogs Cosimo von Medici, mit eigenen
Händen aus Eisersucht in einem einsamen Landhaus
erdrosselt. So gab der Vater seine sechzehnjährige
Tochter lieber dem edlen Francesco Peretti, dem
Nefsen des Kardinals Montalto, zur Frau. Doch im stillen schleichende Falschheit vereitelte des klugen
Vaters Vorsicht. Vittorias eigener Bruder lockte den Gatten der Schwester durch erlogene Botschast
abends an einen abgelegenen Platz von Rom, und Francesco Peretti kehrte lebend nicht wieder heim.
Vittoria war frei sür ihres Bruders Einflüsterungen, der in des Herzogs Austrag sie umwarb, und mit
unglaublicher Schnelligkeit — zwiesach unglaublich wegen Orsinis körperlicher Hätzlichkeit — erhörte sie
den sürstlichen Bewerber. Keine vierzehn Tage vergingen, und Vittoria trug des Herzogs Verlobungs-
ring an ihrem Finger.
Aber es gab noch Hindernisse sür die neue Heirat. In zwei mächtigen Kirchensürsten erstanden ihr
einflutzreiche Gegner, im Kardinal von Medici, zu dessen Haus Orsinis erdrosselte Gemahlin Isabella
gehört hatte, und im Kardinal Montalto, dem Oheim des ermordeten Francesco Peretti, der um seiner
Liebe zu Vittoria willen hatte sterben müssen. Und noch ein anderes Hindernis war da, noch ein weiteres
Liebesopser mußte sallen, bis Vittoria mit Paolo Giordano zum Altar treten, ihr schönes Haupt mit einer
Herzogskrone schmücken konnte. Der Sohn von Galera trat aus den Schauplatz der großen Tragödie,