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MÜNSTER • HOCHGOTISCHES LANGHAUS • ZWEITVERGLASUNG
Ikonographie: Im Zentrum der ungewöhnlich gedrängten Dar-
stellung steht der Judaskuß, durch den der Verräter Jesus der
Tempelwache ausliefert, und die Malchus-Episode, in der Petrus
seinen Herrn dadurch zu verteidigen sucht, daß er einem Knecht
das Ohr abschlägt. Obwohl Petrus noch nicht mit seinem erho-
benen Schwert zugeschlagen hat, greift Christus bereits mit sei-
ner Linken nach dem Ohr, um es zu heilen314. Von den Schergen
werden außer Malchus nur der hinter Judas stehende Anführer
sowie - stark überschnitten - jener Hauptmann gezeigt, der seine
Hand bereits auf Christi Schulter gelegt hat, ihre erdrückende
Überzahl wird dagegen nur durch ein Dutzend Spitzen von
Judenhüten und eine Hellebarde angedeutet.
Komposition, Farbigkeit, Technik: Die Figurengruppe wird so
dicht zusammengedrängt, daß im Medaillon rundum blauer
Grund sichtbar bleibt. Wie in der Ölbergszene erscheinen in der
Bildachse lediglich Hände, in denen das Geschehen kulminiert:
die Hand des Hauptmanns auf der Schulter Christi und die Hand
Christi am Ohr des Malchus. Die Farbgebung unterstützt diese
Regie, indem sich rote Flächen (Gewand des Hauptmanns, Nim-
bus Christi und Mantel des Judas) die purpurviolett/graublau
gewandete Gestalt Christi geradezu umklammern. Daß Malchus
zur Gruppe der Schergen gehört, macht sein gelbes Gewand
deutlich, während am linken Bildrand das Kaltgrün im Gewand
und das matte Orange im Mantel Petri unverbunden bleiben. Bis
auf den aus einem verlaufenden Rotüberfang geschnittenen Kopf
des Judas waren alle Köpfe wie in der Ölbergszene urprünglich
stärker abgedunkelt und trugen so der nächtlichen Situation
Rechnung. Grund und Rahmen s. S. 313.
StAF D 35/59/281 (um 1917); CVMA B 134 (1966), Detail B 440
(1968), B 1659, Detail B 1660, Großdia B 140 (1973)
3b CHRISTUS VOR PILATUS Fig. 341,343, 350, Abb. 152
H. 90 cm, B. 98 cm.
Erhaltung: Obwohl Geiges den gesplitterten Kopf des Pilatus
(s. S. 322) durch eine Kopie ersetzt und den Profilkopf des ganz
rechts stehenden Mannes neu bemalt hat, wird der authentische
Eindruck der Scheibe dadurch kaum geschmälert.
Ikonographie: Wie im Westfenster der Straßburger Wilhelmer-
kirche wird Christus gefesselt dem in Richterpose auf einem
Thron sitzenden Pilatus von zwei Soldaten in eleganter Schritt-
stellung vorgeführt315. Allerdings trägt er in Freiburg Krone und
Szepter, wozu er als römischer Prokurator nicht berechtigt war.
Daß es sich dennoch um Pilatus und nicht um Herodes handelt,
wird durch den hinter ihm stehenden Diener mit Kanne nahege-
legt, der auf die Handwaschung vorausweist. Daß es sich um eine
Massenszene handelt, bei der viele Juden zugegen waren, deuten
zahlreiche Spitzen von Judenhüten über den Köpfen der rechten
Gruppe an. Vom Medaillonrahmen angeschnitten ist rechts noch
ein auf einen Stab gestützter Mann zu sehen, dessen Gesicht und
Oberkörper von Geiges wohl zuverlässig erneuert wurde. Han-
delt es sich hierbei vielleicht um einen jener Zeugen für Wun-
314 Drastischer und zugleich eindeutiger werden beide Szenen auf der
um 1320/30 entstandenen Hofgeismarer Altartafel miteinander verbun-
den (Schiller II, 1983, Abb. 179).
315 Gatouillat 1994, S. 221, Farbtaf. XXIII.
316 Vgl. hierzu Hennecke/Schneemelcher 1959, S. 333-348. Nach
Schiller II, 1983, S. 71, wurden diese Personen jedoch nicht in Dar-
stellungen des Verhörs aufgenommen.
317 Zu Esslingen vgl. zuletzt Becksmann, in: Kat. Ausst. Esslingen 1997,
S. n6f., zu Königsfelden Kurmann-Schwarz 2008, S. 245-247, Taf. 3.
derheilungen Christi, von denen die im apokryphen Nikodemus-
evangelium überlieferten Pilatusakten berichten?316
Komposition, Farbigkeit: In einem hellpurpurvioletten Gewand
steht Christus zwischen zwei Soldaten, die über ihrer hellgrauen
Rüstung Röcke in unterschiedlichem Grün tragen; Beinlinge in
verlaufendem Rot, Kreuznimbus rot/gelb. Das Blaugrau des
Christusmantels aus der Ölbergszene kleidet nun den mutmaß-
lichen Zeugen. Als Gegengewicht zur rechten Gruppe vereint
links der auf einem hell-/dunkelvioletten Thron sitzende Pilatus
nahezu alle in diesem Fenster verwendeten Farben: Über einem
hellgrünen Gewand trägt er einen roten Mantel mit weißem
Wolkenfeh-Kragen und entsprechendem Futter, eine gelbe Krone
und ein mattgelbes Szepter, Beinlinge gelb bzw. mattorange. Der
Diener hinter ihm greift das helle Purpurviolett des Christus-
gewandes auf; Kanne hellgrau. Inkarnate hell- bis rosabraun.
Grund und Rahmen s. S. 313.
StAF D 35/59/282 (um 1917); CVMA B 128 (1966), Detail B 441
(1968), B 1651, Detail B 1652, Großdia B 38 (1973)
3c GEISSELUNGCHRISTI Fig. 33 5f., 351, Abb. 153
H. 90 cm, B. 97 cm.
Erhaltung: Angesichts des Vorzustandes darf die Wiederherstel-
lung durch Geiges als gelungen bezeichnet werden: Den Kopf
des linken Schergen konnte er zur Hälfte kopieren (s. S. 322),
die andere Hälfte mußte er wie Kopf und Oberkörper Christi
sowie dessen rechte Hand ohne Befund ergänzen.
Ikonographie: Obwohl der Glasmaler für seine Geißelung Christi
das klassische Dreifigurenschema wählte, weicht seine Darstel-
lung, insofern von anderen oberrheinischen Passionszyklen die-
ser Zeit ab, als Christus mit einem Bein an der Säule festgebun-
den ist und mit seinen gefesselten Händen nicht seine Schultern
schützt, sondern diese, durch die Schläge der Schergen bereits
geschwächt, herabhängen läßt. Ganz offensichtlich wird in Frei-
burg die Eleganz der Körperhaltung und Gewandführung, die
die Darstellungen Christi in Esslingen und Königsfelden prägte,
zugunsten einer Verdeutlichung der Drastik des Geschehens auf-
gegeben317. Dies gilt auch für die Schergen: So setzt der linke sei-
nen Fuß brutal auf denjenigen Christi. Darüber hinaus gibt sein
geschlitzter, vor dem Schritt geschürzter Mantel zuseiten eines
weißen Latzes den Blick auf seine Oberschenkel mit den dort
befestigten Beinlingen frei - ein seltenes Kostümdetail. Die zum
Einsatz kommenden Martergeräte (Skorpionsschleuder und Rute)
stimmen hingegen mit Esslingen und Königsfelden überein.
Komposition, Farbigkeit: Auf einer grünen Bodenangabe steht
Christus an der mattgelben Martersäule vor einem in seinen
Tonwerten stark schwankenden blauen Karogrund; Lendentuch
weißbraun. Das Gelb und Rot seines Kreuznimbus wird in den
Beinlingen der Schergen aufgegriffen. Das kalte Grün und helle
Purpurviolett ihrer knielangen Mäntel bleibt innerhalb des Me-
daillons ohne Ausgleich, findet aber in den Medaillons von 3 b
und 3d Entsprechungen über Kreuz und betont damit den engen
inhaltlichen Zusammenhang dieser drei Szenen. Inkarnate rosa-
braun. Grund und Rahmen s. S. 313.
StAF D 35/59/283 (um 1917); CVMA B 332 (1967), B 1656 (1973)
3d DORNENKRÖNUNG CHRISTI Fig. 33 5f., 3 5 2, Abb. 154
H. 90 cm, B. 97 cm.
Erhaltung: Billeisen hatte nicht nur den fehlenden Kopf des lin-
ken Schergen durch einen überdimenionierten Kopf aus einer un-
bekannten Verglasung des späten 14. oder frühen 15. Jh. ersetzt,
sondern bei der Neuverbleiung des Feldes auch den Verlauf der
MÜNSTER • HOCHGOTISCHES LANGHAUS • ZWEITVERGLASUNG
Ikonographie: Im Zentrum der ungewöhnlich gedrängten Dar-
stellung steht der Judaskuß, durch den der Verräter Jesus der
Tempelwache ausliefert, und die Malchus-Episode, in der Petrus
seinen Herrn dadurch zu verteidigen sucht, daß er einem Knecht
das Ohr abschlägt. Obwohl Petrus noch nicht mit seinem erho-
benen Schwert zugeschlagen hat, greift Christus bereits mit sei-
ner Linken nach dem Ohr, um es zu heilen314. Von den Schergen
werden außer Malchus nur der hinter Judas stehende Anführer
sowie - stark überschnitten - jener Hauptmann gezeigt, der seine
Hand bereits auf Christi Schulter gelegt hat, ihre erdrückende
Überzahl wird dagegen nur durch ein Dutzend Spitzen von
Judenhüten und eine Hellebarde angedeutet.
Komposition, Farbigkeit, Technik: Die Figurengruppe wird so
dicht zusammengedrängt, daß im Medaillon rundum blauer
Grund sichtbar bleibt. Wie in der Ölbergszene erscheinen in der
Bildachse lediglich Hände, in denen das Geschehen kulminiert:
die Hand des Hauptmanns auf der Schulter Christi und die Hand
Christi am Ohr des Malchus. Die Farbgebung unterstützt diese
Regie, indem sich rote Flächen (Gewand des Hauptmanns, Nim-
bus Christi und Mantel des Judas) die purpurviolett/graublau
gewandete Gestalt Christi geradezu umklammern. Daß Malchus
zur Gruppe der Schergen gehört, macht sein gelbes Gewand
deutlich, während am linken Bildrand das Kaltgrün im Gewand
und das matte Orange im Mantel Petri unverbunden bleiben. Bis
auf den aus einem verlaufenden Rotüberfang geschnittenen Kopf
des Judas waren alle Köpfe wie in der Ölbergszene urprünglich
stärker abgedunkelt und trugen so der nächtlichen Situation
Rechnung. Grund und Rahmen s. S. 313.
StAF D 35/59/281 (um 1917); CVMA B 134 (1966), Detail B 440
(1968), B 1659, Detail B 1660, Großdia B 140 (1973)
3b CHRISTUS VOR PILATUS Fig. 341,343, 350, Abb. 152
H. 90 cm, B. 98 cm.
Erhaltung: Obwohl Geiges den gesplitterten Kopf des Pilatus
(s. S. 322) durch eine Kopie ersetzt und den Profilkopf des ganz
rechts stehenden Mannes neu bemalt hat, wird der authentische
Eindruck der Scheibe dadurch kaum geschmälert.
Ikonographie: Wie im Westfenster der Straßburger Wilhelmer-
kirche wird Christus gefesselt dem in Richterpose auf einem
Thron sitzenden Pilatus von zwei Soldaten in eleganter Schritt-
stellung vorgeführt315. Allerdings trägt er in Freiburg Krone und
Szepter, wozu er als römischer Prokurator nicht berechtigt war.
Daß es sich dennoch um Pilatus und nicht um Herodes handelt,
wird durch den hinter ihm stehenden Diener mit Kanne nahege-
legt, der auf die Handwaschung vorausweist. Daß es sich um eine
Massenszene handelt, bei der viele Juden zugegen waren, deuten
zahlreiche Spitzen von Judenhüten über den Köpfen der rechten
Gruppe an. Vom Medaillonrahmen angeschnitten ist rechts noch
ein auf einen Stab gestützter Mann zu sehen, dessen Gesicht und
Oberkörper von Geiges wohl zuverlässig erneuert wurde. Han-
delt es sich hierbei vielleicht um einen jener Zeugen für Wun-
314 Drastischer und zugleich eindeutiger werden beide Szenen auf der
um 1320/30 entstandenen Hofgeismarer Altartafel miteinander verbun-
den (Schiller II, 1983, Abb. 179).
315 Gatouillat 1994, S. 221, Farbtaf. XXIII.
316 Vgl. hierzu Hennecke/Schneemelcher 1959, S. 333-348. Nach
Schiller II, 1983, S. 71, wurden diese Personen jedoch nicht in Dar-
stellungen des Verhörs aufgenommen.
317 Zu Esslingen vgl. zuletzt Becksmann, in: Kat. Ausst. Esslingen 1997,
S. n6f., zu Königsfelden Kurmann-Schwarz 2008, S. 245-247, Taf. 3.
derheilungen Christi, von denen die im apokryphen Nikodemus-
evangelium überlieferten Pilatusakten berichten?316
Komposition, Farbigkeit: In einem hellpurpurvioletten Gewand
steht Christus zwischen zwei Soldaten, die über ihrer hellgrauen
Rüstung Röcke in unterschiedlichem Grün tragen; Beinlinge in
verlaufendem Rot, Kreuznimbus rot/gelb. Das Blaugrau des
Christusmantels aus der Ölbergszene kleidet nun den mutmaß-
lichen Zeugen. Als Gegengewicht zur rechten Gruppe vereint
links der auf einem hell-/dunkelvioletten Thron sitzende Pilatus
nahezu alle in diesem Fenster verwendeten Farben: Über einem
hellgrünen Gewand trägt er einen roten Mantel mit weißem
Wolkenfeh-Kragen und entsprechendem Futter, eine gelbe Krone
und ein mattgelbes Szepter, Beinlinge gelb bzw. mattorange. Der
Diener hinter ihm greift das helle Purpurviolett des Christus-
gewandes auf; Kanne hellgrau. Inkarnate hell- bis rosabraun.
Grund und Rahmen s. S. 313.
StAF D 35/59/282 (um 1917); CVMA B 128 (1966), Detail B 441
(1968), B 1651, Detail B 1652, Großdia B 38 (1973)
3c GEISSELUNGCHRISTI Fig. 33 5f., 351, Abb. 153
H. 90 cm, B. 97 cm.
Erhaltung: Angesichts des Vorzustandes darf die Wiederherstel-
lung durch Geiges als gelungen bezeichnet werden: Den Kopf
des linken Schergen konnte er zur Hälfte kopieren (s. S. 322),
die andere Hälfte mußte er wie Kopf und Oberkörper Christi
sowie dessen rechte Hand ohne Befund ergänzen.
Ikonographie: Obwohl der Glasmaler für seine Geißelung Christi
das klassische Dreifigurenschema wählte, weicht seine Darstel-
lung, insofern von anderen oberrheinischen Passionszyklen die-
ser Zeit ab, als Christus mit einem Bein an der Säule festgebun-
den ist und mit seinen gefesselten Händen nicht seine Schultern
schützt, sondern diese, durch die Schläge der Schergen bereits
geschwächt, herabhängen läßt. Ganz offensichtlich wird in Frei-
burg die Eleganz der Körperhaltung und Gewandführung, die
die Darstellungen Christi in Esslingen und Königsfelden prägte,
zugunsten einer Verdeutlichung der Drastik des Geschehens auf-
gegeben317. Dies gilt auch für die Schergen: So setzt der linke sei-
nen Fuß brutal auf denjenigen Christi. Darüber hinaus gibt sein
geschlitzter, vor dem Schritt geschürzter Mantel zuseiten eines
weißen Latzes den Blick auf seine Oberschenkel mit den dort
befestigten Beinlingen frei - ein seltenes Kostümdetail. Die zum
Einsatz kommenden Martergeräte (Skorpionsschleuder und Rute)
stimmen hingegen mit Esslingen und Königsfelden überein.
Komposition, Farbigkeit: Auf einer grünen Bodenangabe steht
Christus an der mattgelben Martersäule vor einem in seinen
Tonwerten stark schwankenden blauen Karogrund; Lendentuch
weißbraun. Das Gelb und Rot seines Kreuznimbus wird in den
Beinlingen der Schergen aufgegriffen. Das kalte Grün und helle
Purpurviolett ihrer knielangen Mäntel bleibt innerhalb des Me-
daillons ohne Ausgleich, findet aber in den Medaillons von 3 b
und 3d Entsprechungen über Kreuz und betont damit den engen
inhaltlichen Zusammenhang dieser drei Szenen. Inkarnate rosa-
braun. Grund und Rahmen s. S. 313.
StAF D 35/59/283 (um 1917); CVMA B 332 (1967), B 1656 (1973)
3d DORNENKRÖNUNG CHRISTI Fig. 33 5f., 3 5 2, Abb. 154
H. 90 cm, B. 97 cm.
Erhaltung: Billeisen hatte nicht nur den fehlenden Kopf des lin-
ken Schergen durch einen überdimenionierten Kopf aus einer un-
bekannten Verglasung des späten 14. oder frühen 15. Jh. ersetzt,
sondern bei der Neuverbleiung des Feldes auch den Verlauf der