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Der Dampf-Courier der Bergstraße: Anzeige- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land ((Januar-März)): Der Dampf-Courier der Bergstraße: Anzeige- und Unterhaltungsblatt für Stadt und Land — 1839

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Nr. 10 - Nr. 17 (2. Februar - 27. Februar)
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der treue Sohn zum Andenken gepflanzt hatte.
„So will ich dich denn, sprach der Alte, der
Linde entgegen wankend, statt meines Sohnes
küssen; grüne im Segen, du Denkmal kindlicher
Liebe, und nimm mich auf in deine Schalten,
bei dir will ich ruhen." Weiter konnte er nicht. —
Noch standen sie, erschüttert von dem Anden-
ken an den Theuren-, als ein wilder Lärm sie
aus ihrer tiefen Wehmuth schreckte; fern her
wälzten sich dicke Staubwolken, immer näher
kam das feindliche Streifkorps, das sich bis in
diese friedliche Gegend verirrt hatte. — Der
Schrecken der guten Landleute war unbeschreib-
lich, ängstlich flohen sic nach ihren Wohnungen,
um ihre Familien noch schnell in Sicherheit zu
bringen. Grethe, die allein nicht stark genug
war, um auf einmal beide Alten weiter zu tra-
gen, und doch sie nicht einzeln verlassen wollte,
sah zitternd den herannahenden zügellosen Rei-
tern entgegen. Die dunkeln Schatten der Blü-
thenbäume in ihrem Gärtchen machten, daß sie
von jenen nicht bemerkt wurden, allein nur noch
wenige Augenblicke, und ihre niedliche Hütte
stand in Heller Flamme, die gierig ihre einzige
Habe anfzehrte. — Ohnmächtig war die betagte
Mutter zu Boden gesunken. Noch war Grethe
ängstlich beschäftigt, sie ins Leben zurück zu ru-
fen, der Vater starrte betäubt nach dem Orte
der Verwüstung hin, wo immer lauter das Klir-
ren der Waffen und der Lärm der Krieger er-
tönte, als eine neue Erscheinung sie schreckte.
Ein bäumendes Roß schnob der Linde entgegen,
schon stand ein Reiter vor ihnen, und neuer
Jammer schien ihrer zu harren. — Allmächtiger,
welchen Prüfungen hast du uns noch aufbehal-
ten! seufzte der Alte, der bei der traurigen Scene
an die Linde sich gelehnt hatte, und von Schmerz
durchdrungen auf die Niedcrgesunkene, und dann
auf den gefürchteten Krieger sah, gleichsam Schutz
für die Schwache erflehend; die treue Tochter,
jetzt Alles wagend, vergaß die scheue Aengstlich-
keit ihres Geschlechtes, und stellte sich zwischen
ihre Eltern, und zwischen das stampfende Roß
des Reiters, der während dem unverwandt und
gleichsam zweifelnd sie anblickte. „Uebe nur,
was Eure Grausamkeit ersonnen hat, rief sie
ihm entschlossen zu; magst du meine Brust durch-
bohren, ich werde nicht von dieser heiligen Stelle
weichen!" — Die ärgste That schien sie zu er-
warten. Als von Schmerz nnd Freude überwäl-
tigt, der Unbekannte ansricf: „Vater, Mutter,
Grethe!" und vom Pferde stürzte. — Es war
Hermann. — I» dem menschlichen Leben gibt es
Momente, wo wunderbar Freude nnd Schmerz
sich einen, und der Ueberraschte unentschlossen

zaudert, welchem Gefühle er zuerst sich über-
lassen soll, beide scheinen in dem Augenblicke ihm
anzngchören. —
Auf ihre Knie hingesunken, beteten sie schwei-
gend; Worte vermochten nicht ihre Empfindun-
gen auszndrücken; es war eine Scene, die sel-
ten der Sterblichen Leben krönt. Indessen war
der Feind, der die ganze Gegend beunruhigt hatte,
von Hermanns tapferer Schaar theils zerstreut,
theils gefangen worden; das lärmende Getöse
war verstummt, und eine feierliche Stille ver-
klärte die Sternennacht. Endlich begann der
Greis: „Herr! nncrforschlich ist dein Walten,
tausendfältig segnest du, wenn du drohtest; nim-
mer mögen wir an deinen Führungen verzwei-
feln ; dein Name ist Rath und Wunderbar." —
Alle wiederholten leise seine Worte. Nun er-
zählte Hermann seine Schicksale, seine Rettung
nach jener blutigen Schlacht, und wie nach so
vielen Müheseligkciten endlich sein Wunsch er-
füllt sei, im Schoose der Ruhe bei seinen Eltern
die Früchte des thener erkauften Friedens zu ge-
nießen. „Guter Hermann, du verdientest eine
fröhlichere Aufnahme! entgegnete ihm Grethe,
die an seinem Busen hing; komm' laß uns jetzt
bei unfern Nachbarn ein Obdach suchen, unsere
Eltern bedürfen der Ruhe!" Hermann nahm
nun seinen alten Vater an den Arm, Grethe
ging mit der Mutter voran, und gleich in dem
nächsten Hause fanden sie die willigste Aufnahme.
(Schluß folgt.)

Biographische Skizzen.
Joachim M ü r a t.
(Fortsetzung.)
Bei dem traurigen Rückzüge aus Moskau war
er stets an Napoleons Seite, nnd übernahm am
5. Dezember in Smorgony, einem nicht weit
von Wilna gelegenen Städtchen, den Oberbe-
fehl über die Trümmer des französischen Heeres
aus den Händen des Gewaltigen, welcher, die
Seinen dem Verderben Preis gebend, auf schimpf-
licher Flucht dem Rheine zueiltc. Mit kaum
25,090 Mann zog sich Mnrat über den Riemen
zurück, konnte sich aber ungeachtet der ans Deutsch-
land angezogenen Verstärkung auch hier nicht
halten, und stellte sich hinter der Weichsel auf.
Ucber seines Schwagers Vorwürfe und die Aus-
fälle des Moniteurs aufgebracht, welcher letztere
ihn „der großen Administration des Krieges für
unfähig" erklärte, übergab er am 8. Jänner
 
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