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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 2.1913

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I. Die Praxis der Denkmalpflege
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6. Gartenkunst und Denkmalpflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.29655#0140
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Gartenkunst und Denkmalpflege.

und Gebirgspflanzen. Wir sind nur durch Gewöhnung abgestumpft gegen
solchen und anderen Unsinn.

Die Gartenkunst ist eine vorzugsweise öffentliche und dement-
sprechend wichtige Kunst. Immer mehr muß sie uns die Natur ersetzen.
Unseren Gärtnern fehlt es wahrlich nicht an Fachkenntnissen, wohl aber
vielfach an der künstlerischen Bildung und Begabung. Es fehlt auch an der
Leitung und Anregung durch die Künstler, trotz mancher hocherfreulicher
Ausnahmen (Olbrich, Läuger, Behrens, Krais, Schulze-Naumburg). Es fehlt
der Gartenkunst heute nicht nur die Gunst der großen Herren, die sie noch
bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts genoß, sondern vor allem das Ver-
ständnis und Interesse der Gebildeten und Besitzenden, auch der Auftrag-
geber. Wie anders war es zur Zeit Goethes und Schillers und ist es noch
in England. Der Hauptgrund wird der sein, daß wir nicht mehr Garten-
besitzer, sondern Miethausbewohner sind.

Denn gleichzeitig sind wir erfüllt von einem geradezu leidenschaftlichen
und freilich nur zu wohlberechtigten Verlangen nach lebendigem Grün um
unsere Wohnungen. Aber wir befriedigen es wahllos. Wir gehen nicht
der Natur nach, sondern suchen sie uns nachzuziehen. Und wir begnügen
uns vielfach mit einem Scheine der Natur, der Unnatur ist. Weil die Garten-
kunst uns Surrogat der Natur ist, betreiben wir sie als Imitation derselben.
Als ob Kunst nicht ein Gegenteil wäre von Natur. Wir halten ländliche
und städtische Motive nicht auseinander und bauen die Stadt nach dem Vor-
bild des Dorfes, die Villa nach dem des Bauernhauses, legen den Naturpark
in die Stadt und den Garten auf den Marktplatz.

Bekanntlich ist im verflossenen Jahrzehnt die Gartenkunst von einer
ästhetischen Krisis betroffen worden, derselben wie das Kunstgewerbe und
die Baukunst mit Einschluß des Städtebaues und der Denkmalpflege. Schein-
bar gehen die Tendenzen hier und dort weit auseinander, ja gegeneinander.
Denn in der Gartenkunst ist heute der Naturalismus verpönt bei Künst-
lern und Kunstverständigen, während doch sonst die moderne Kunst reichlich
naturalistisch ist, nicht nur die bildende, sondern auch die bauende im
Wohnungs- und Städtebauwesen. Hatten wir im 19. Jahrhundert den Gegen-
satz unregelmäßiger Garten- oder Parkanlagen zu schematischen Haus- und
Stadtanlagen, so wird uns heute das Gegenteil empfohlen: geometrische oder
besser architektonische Haus- und Volksgärten neben Häusern und in Stadt-
vierteln von ländlicher oder mittelalterlicher Unregelmäßigkeit. Der gärt-
nerische Geschmack geht von dem Gegensatz zum Hause aus, als müßte
es so sein. Renaissance und Barock wußten es nicht anders, als daß Haus
und Garten, Stadt- und Gartenbaustil in Übereinstimmung stehen mußten.

Im Grunde war das Treibende in der Krisis hier wie dort die Abkehr
von der Nachahmungskunst; dort von der Nachahmung der historischen
Stile, hier vor dem konventionellen Naturalismus, der im Grund auch ein
historischer Stil war, der Parkstil der Romantik, bestimmt durch englische
Urbilder. Die Gartenkunst, heißt es in der heutigen Kunstlehre, ist über-
haupt keine naturnachahmende, darstellende Kunst, sondern eine bauende,
eine Raumkunst. Nicht lebende Bilder der landschaftlichen Natur soll sie
schaffen, sondern eine Art von Wohnung.

Wir freuen uns der neuen Gartenschönheit, die in modernen Haus- und
Volksgärten von Raum- und Farbenkünstlern geschaffen worden ist, und er-
 
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