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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 2.1913

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I. Die Praxis der Denkmalpflege
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11. Erhaltung alter Wandmalereien
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https://doi.org/10.11588/diglit.29655#0284
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268

Erhaltung- von Wandmalereien.

11. Erhaltung alter Wandmalereien
Erfurt 1903

Referent: Konservator Dr. Hager-München:

Die letzten Jahrzehnte haben uns in Deutschland die Entdeckung einer
großen Anzahl mittelalterlicher Wandmalereien gebracht. Das Bild der
Geschichte der deutschen Malerei und der deutschen Kunst überhaupt ist
dadurch wesentlich bereichert und vielfach auch geändert worden. Ich
erinnere nur an die tiefgreifenden Erörterungen, welche sich an die Wand-
gemälde von Oberzell auf der Insel Reichenau aus der ottonischen Zeit ge-
knüpft haben.

Daß da und dort alle Wandmalereien unter der Tünche schlummern
hat man ja längst gewußt. Der treffliche Woltmann schreibt z. B. in seiner
Geschichte der Malerei I (1879), 293 von der romanischen Stilperiode: »Wo
man heute die Tünche entfernt, findet man die Spuren der alten Bilder, die
dann freilich verwittert und verblaßt sind und deren Herstellung immer eine
Trübung ihres eigentümlichen Charakters wird.“ Woltmann stellt ferner
ebenda den in der Hauptsache richtigen Satz auf: »Ein Baudenkmal roma-
nischen Stiles war ohne die Ausmalung überhaupt nicht fertig.“ In der
Gotik treten zwar in Deutschland die Wandgemälde gegenüber der roma-
nischen Zeit zurück. Aber doch bei weitem nicht in dem Maße, als man
früher annahm. Die in neuerer Zeit gemachten Funde ]ehren, daß in großen
und vor allem auch in kleinen gotischen Kirchen, selbst bis in die kleinsten
und abgelegensten Dörfer, Wandmalerei, rein dekorative und auch figürliche,
oft sehr ausgedehnte Verwendung fand und das künstlerische Gesamtbild des
Innern mitbestimmte. Das gleiche gilt von den Profanbauten.

Gegenüber den vielen, man möchte fast sagen täglich, neu zum Vor-
schein kommenden Resten alter Wandmalereien erwächst der Denkmalpflege
eine höchst wichtige Aufgabe, die Lösung der Frage der Erhaltung und
gegebenenfalls der Wiederherstellung. Die Frage der Erhaltung alter Wand-
malereien gehört zu den schwierigsten Aufgaben. Die Kunstwissenschaft
verlangt mit vollem Recht die unverfälschte Bewahrung des ursprünglichen
Charakters dieser Denkmäler. Schon allein von rein technischem Gesichts-
punkt aus aber läßt sich ein Eingreifen meist nicht vermeiden. Tüchtige,
geschulte, die unbedingt notwendige Zurückhaltung und Pietät beobachtende
Kräfte stehen zur Ausführung nicht immer oder gar nicht zur Verfügung.
Dazu kommt dann die Rücksicht auf die Bestimmung des Raumes. »Eine
Kirche ist kein Museum“, heißt es von geistlicher Seite mit Recht. Wand-
gemälde, die an augenfälliger Stelle einer in Benutzung stehenden Kirche an-
gebracht sind, werden meistens in einen Stand gesetzt werden müssen, der den
liturgischen Anforderungen wenigstens einigermaßen Rechnung trägt. Inwie-
weit letzteres zu geschehen hat, darüber sind die Meinungen oft recht geteilt.
Gar mancher Kampf muß da ausgefochten werden. Kurz, so freudig auch
den Kunst- und Geschichtsfreund die Kunde von einer neuen Entdeckung von
Wandgemälden berührt, so wird doch auch sofort die Angst sich aufdrängen,
es möchte durch ungeschickte Erhaltungsmaßregeln und durch zu weitgehende
Wiederherstellung der schöne Fund wieder verdorben werden. Von manchem
Wandgemälde, dessen Bloßlegung große Freude hervorgerufen hatte, habe
 
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