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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 2.1913

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I. Die Praxis der Denkmalpflege
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8. Erhaltung, Restaurierung und Pflege plastischer Kunstwerke
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https://doi.org/10.11588/diglit.29655#0250
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Restaurierung von Skulpturdenkmalen.

Herr Professor’Dr. von Länge-Tübingen: Meine Herren! Ich danke
den drei Herren Vorrednern von ganzem Herzen für die Anregungen, die sie
mir gegeben haben. Wir Theoretiker der Denkmalpflege, wenn ich so sagen
darf, sind ja immer sehr dankbar, wenn wir von den Praktikern lernen können,
wenn wir von ihnen hören, wie schwer die Denkmalpflege ist, daß sie eigent-
lich eine Kunst der Kompromisse ist, daß man in ihr nicht nach allgemeinen
Grundsätzen entscheiden kann, sondern daß man jeden Pall aus sich selbst
heraus entscheiden muß. Es entspricht das durchaus meiner Auffassung.

Nun, meine Herren, es stehen sich in diesen Fragen zwei Extreme
gegenüber. Die eine Meinung ist die, die durch die Tornowsche These
repräsentiert wird: Wenn das Denkmal so verfallen ist, daß es sich nicht
mehr erhalten läßt, so setze man eine Kopie an seine Stelle. In dieser Kopie
haben wir das alte Denkmal, wenn sie auch — ich weiß den Wortlaut nicht
genau —- des Reizes der Ursprünglichkeit entbehrt, so haben wir doch dieses
alte Denkmal in greifbarer Gestalt vor uns.

Das ist das eine Extrem. Das andere Extrem vertritt Ruskin, der
bekanntlich gesagt hat: Wenn ein Denkmal sich nicht erhalten läßt, so werfe
man seine Steine auf einen Haufen und setze etwas anderes an seine Stelle,
aber man schaffe keine Kopie, man schaffe keine Fälschung. (Bravo!)

Ich stehe auf keinem dieser beiden Standpunkte. Tch habe mich bemüht,
in meinen Thesen einen mittleren Standpunkt zu vertreten, und so sehr ich
auch die Anregungen begrüße, die die drei Herren Vorredner gegeben haben, so
muß ich doch offen gestehen, daß ich mich durch sie nicht von der Unrichtig-
keit meiner Stellungnahme habe überzeugen können. Ich bin tatsächlich
noch jetzt der Überzeugung, daß man eine Originalskulptur von hohem ge-
schichtlichem Werte unter allen Umständen schützen soll dadurch, daß man
sie in ein Museum bringt und eine Kopie an ihre Stelle setzt, und ich bin
nach wie vor der Ansicht, daß man eine Skulptur, die einen nur dekorativen
Wert hat, das heißt nur an dem Orte, an dem sie sich befindet, der Intention
des Künstlers entsprechend wirkt, an Ort und Stelle lassen soll. (Vor-
sitzender: Bravo!)

Was nun den Rottenburger Marktbrunnen betrifft, so liegt die Frage
der Kopie ja dort deswegen so schwierig, weil dieser Brunnen gar nicht mehr
in seinem ursprünglichen Zustande vorhanden ist, sondern schon zum großen
Teil eine Kopie ist. Wenn wir also davon nun noch einmal eine Kopie machen,
so wird das schon eine Kopie der Kopie oder es ward eben ein vollkommen
imitiertes modernes gotisches Werk, und zwar ein Werk, das durchaus nicht
einheitlich ist, sondern, wie ich schon gestern ausführte, aus zahlreichen ver-
schiedenen Elementen besteht, teils Kopie des alten Brunnen, teils Kopie
anderer Denkmäler,' teils moderne, frei imitierte Gotik. Ich muß auch da,
meine Herren, auf meinem Standpunkt bestehen bleiben, daß das nicht im
Sinne einer guten Denkmalpflege ist. Aber ich glaube, die Zeit ist soweit
vorgeschritten, daß ich hiermit schließen muß.
 
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