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Denkmalpflege: Auszug aus d. stenograph. Berichten d. Tages für Denkmalpflege 1900 - 1912 — 2.1913

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II. Aktuelles
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7. Der Wiederaufbau der St. Michaeliskirche in Hamburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.29655#0468
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St. Michaeliskirche in Hamburg.

Damals schon, am 21. August, wo die Baustelle noch nicht genügend
aufgeräumt war, konnte mau nach einer gründlichen Besichtigung der Ruinen
überschauen, daß es wohl möglich sei, dem Wunsche der Hamburger Bürger-
schaft zu entsprechen und das Gotteshaus bei dem großen Umfange der
stehengebliebenen Teile in seinem Charakter wieder herzustellen. Es wurde
damals empfohlen, zunächst den Fußboden der Kirche wasserdicht abzudecken.
Der Unterbau der Kirche besteht aus einer doppelten Überwölbung, aus
Grabkammern, die alle mit Leichen gefüllt sind. Es hatte sich herausgestellt,
daß sehr viel Wasser in diese Grabkammern eingedrungen war, das durch
Auspumpen wieder beseitigt wurde. Nun stand während der ganzen Bauzeit
die Kirche frei und es durfte absolut nicht eine Durchwässerung des Erd-
bodens zugelassen werden. Daher wurde der Boden durch eine Betonschicht
mit einem Zementestrich ahgeglichen und entwässert. Zum Zweiten wurde
vorgeschlagen, die Kirche im Äußeren und Inneren zunächst einzurüsten.
Man wollte damals nicht gleich an diese mit einer beträchtlichen Ausgabe
verbundene Einrüstung des ganzen Bauwerks sofort herantreten; aber die
Erfahrung hat gezeigt, daß diese Einrüstung sich als eine vorteilhafte Maß-
nahme erwiesen hat. Erst nachdem man ein derartiges Bauwerk in seinem
Umfange von oben bis unten zugänglich gemacht hat, können die nötigen
Untersuchungen angestellt und hiernach die Beschlüsse gefaßt werden.
Senat und Bürgerschaft haben infolgedessen die Mittel damals schon voraus-
bestimmend bereit gestellt, die zu dieser Einrüstung erforderlich waren. Sie
sehen in diesen Photographien, welchen Umfang diese Einrüstung angenommen
hat, und erst mit Hilfe derselben' war die inzwischen eingesetzte Bauleitung
in der Lage, den Zustand des Mauerwerks überall zu prüfen und durch
Ablotungen etwaige Ausweichungen, die hei den Wandungen eingetreten
sein konnten, festzustellen. Ferner wurden die Untergrundsverhältnisse, die
Fundamente und die Bankette untersucht, die bekanntlich bei der Michaelis-
kirche aus Granitfindlingen bestehen. Nach diesen Vorarbeiten konnten die
weiteren Maßnahmen beraten und die Kosten der Wiederherstellung ermittelt
werden.

Nachdem die Mittel bereit gestellt waren, hielt der hamburgisehe Staat
es für geboten, die Ausführung nicht in die Hände der Staatsbauverwaltung
zu legen, sondern nur die Oberaufsicht der Baudeputation zu lassen, für die
Lösung der umfangreichen Bauaufgabe aber eine besondere Bauleitung ein-
zusetzen, aus den Herren Architekten Meer wein, Geißler und Faul-
wasser bestehend. Zur Bearbeitung der eisernen Konstruktionen der Dach-
verbände und des Turmbaues trat Herr Oberingenieur Hennicke in Ham-
burg der Bauleitung bei.

Ich bemerke, daß der Herr Architekt Geißler der langjährige Bau-
leiter für die Unterhaltungsarbeiten an der Kirche gewesen ist, das Haus
also von oben bis unten aufs genaueste gekannt hat. Dasselbe trifft bei
Herrn Architekt Faulwasser zu, der zehn Jahre vor der Katastrophe
durch eine genaue Aufnahme der Kirche, im Maßstabe von 1 :100, wie Sie
sie auf dieser Wand hier dargestellt sehen, sich verdient gemacht und durch
seine vaterstädtische Studie über die St. Michaeliskirche eine für die Wieder-
herstellung wertvolle Vorarbeit geleistet hat, als wenn sie für das eingetretene
Unglück vorbereitet und geschaffen worden wäre.
 
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