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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

DOI Heft:
Heft 3 (1. Novemberheft 1915)
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Avenarius, Ferdinand: Die Wolke
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Stapel, Wilhelm: Was wir in die Zukunft retten müssen: zu Raabes Todestag am 15. November
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0116

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Drittens: Als Wucher empfinden wir in dieser Zeit jeden Gewinn,
bei dem die Spannung zwischen Herstellungskosten oder Einkauf und Ver»
kauf größer ist^ als in Friedenszeiten. Wenn die „Konjunktur" erlauben
mag, den Preis für Entbehrliches einfach nach Angebot und Nach»
frage zu regeln, wie beim Güterüberschuß im Frieden, so ist es boch ohne
alle Frage unsittlich, Unentbehrliches zu verteuern. Anentbehrliches
sogar, wo die Kaufkraft des Einzelnen soviel schwächer ist! Am wenig»
sten aber ist eine Zweiteilung der Nation derart denkbar, daß die einen
opfern und die andern aus ihren Opfern sich Extraverdienste schaffen.

So aber wäre das Verhältnis, wenn's weiterginge, wie's geht. Die
Milliarden der Kriegsanleihen bleiben im Lande, gottlob. Aber sie wür-
den zu erklecklichem Teile übergehen an eine neue „Geldaristokratie«,
wenn wir den Wucher nicht brächen, es würde sich dann eine neue Klasse
aus Kriegslieferanten und sonstigen Verdienern am Kriege zusammen»
bilden, es entstände ein neuer Reichtum der Geldmacher aus der Not.
Wir haben noch aus der Gründerzeit nach ^870 her einige Erinnerungen,
welcherlei tzerren dann den Ton anschlügen. Rnd die Erscheinungen
von damals würden sich zu den kommenden dem Größenverhältnis nach
verhalten^wie der kurze Krieg gegen Frankreich von damals zu dem langen
Weltkrieg von heute. Geld wird immer noch Macht sein. Macht in der
Politik. Macht leider auch im Kulturbetriebe. Man denke auch an die
Folgen für unser Geistesleben, wenn jetzt ein Geldadel aus Kriegsspeku»
lanten entstände! A

Was wir in die Zukunft retten müffen

Zu Naabes Todestag am 15. November

^^s mag seltsam erscheinen, daß wir, die wir grundsätzlich mit Gedenk«
E^aufsätzen an allerlei Geburts« und Sterbetagen sparsam sind, heut in
^^den schweren Spannungen der Gegenwart und unter den Riesenschat»
ten einer Zukunft, die alle Kräfte bis zum letzten Ermatten von uns zü
fordern scheint, den fünften Todestag eines Dichters zum Anlaß nehmen,
von ihm zu sprechen. Wenn es sich um einen andern, selbst wenn es sich
um einen noch größern handelte als Raabe, würden wir in dieser Zeit
schweigen. Doch von Raabischem Geist hätten wir auch ohne äußern Anlaß
in diesem Krieg einmal sprechen müssen, nicht um Raabes willen —
wie spöttisch würde der selber vom Elysium her auf den Geschäftigen blicken,
der jetzt seinetwegen wohlgesetzte Literatur redete! — sondern um unsrer
Zukunft willen. Wenn wir den Schatten des Alten, mit dem „unmög»
lichen^ tzut und im abgeschabten alten Bratenrock, wie er nun wohl zwischen
den Engelwolken spazieren geht, über das große Kriegslager Deutschland,
über den schütternden Boden einer Weltenwende heraufbeschwören, so
tun wir es, weil mit ihm Gesichte aufsteigen von einer mehr und mehr
versinkenden Welt, die uns doch gegen keine Reichtümer und Lhren und
Machtfülle des Erdkreises darf verlorengehn, denn wir würden sonst Scha-
den nehmen an unsrer Seele. In keiner politischen und keiner Kultur»
geschichtr steht für uns Deutsche oas „Denk, woher du kommen sis" so ein-
dringlich verzeichnet wie in Raabes Werken.

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