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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 29,1.1915

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Heft 3 (1. Novemberheft 1915)
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Hashagen, Justus: Bücher der Zeit, 7: Bücher über Geschichte der allgemeinen und der deutschen Auslandspolitik
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Natorp, Paul: Geschichtsphilosophische Grundlegung für das Verständnis unsrer Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.14291#0130

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damr während des Krieges unverändert wieder gedruckt), macht zu sehr
den Anwalt einer spezifisch kaiserlichen Politik, als daß man ihm überall
folgen könnte. —

Trotz der erfreulichen Anfänge, die die Erforschung der neuesten Aus«
landspolitik auch in Deutschland aufzuweisen hat, muß man das Meiste
erst noch von der Zukunft erwarten. Der große Krieg wird hier eine
unverlierbare Anregung geben. <Ls ist nicht nur eine wissenschaftlich-
literarische, sondern auch eine politische Pflicht, eine gute Literatur über
die Geschichte der allgemeinen und der deutschen Auslandspolitik zu schaf«
fen. Als ihre Leser denkt man sich nicht nur die Diplomaten und andere
zünftige „Auslandspolitiker^, sondern auch einen weiteren Kreis gebilde«
Ler Laien, deren Arteil bei der Bildung der öffentlichen Meinung mit-
wirkt. Arteilt man aber über äußere Politik, so muß man ihre Geschichte
und ihre Entwicklungsbedingungen, wenn auch nur ein kleiner Teil da«
von sichtbar wird, genauer kennen. Die skizzierten literarischen Anfänge
haben, wenn sie sich weiter entwickeln, noch eine große politische Aufgabe
zu erfüllen, bei deren Lösung es gut ist, wenn wir zunächst an uns selber
und nicht an die andern Völker denken. Iustus Hashagen

Geschichtsphilosophische Grundlegung für das Verständnis

unsrer Aeit

^W^er Pazifismus, als Gegenwartsaufgabe verstanden, erwies sich*, auch
^A^soweit er ehrlich ist, als ein hoffnungsloses Anterfangen. Lr verkennt
die Vedingungen der möglichen Verwirklichung eines an sich richtigen
Ideals. Krieg sollte nicht sein müssen, so wie Chirurgie, überhaupt Medizin
nicht nötig sein sollte, denn man sollte gesund sein, und der Gesunde braucht
keinen Arzt. Aber darum bringen wir doch die Naivität nicht mehr auf,
mit der Plato für seinen Idealstaat die Heilkunst abschaffte, weil es im
gesunden Staat nur Gesunde geben darf. So darf es im gesunden Staaten«
Staat keinen Völkerzwist geben. Aber wenn schon der gesunde Einzel«
mensch und der gesunde Einzelstaat eine „ewige Aufgabe" ist, so poten-
ziert sich die Aufgabe im gesunden Staaten-Staat. Die Völker sind im
tiefsten entzweit, bis zur völligen Anfähigkeit gegenseitigen Verstehens.
Also ist Feindschaft, gegenseitiger Vernichtungswille der Völker leider eine
Voraussetzung, mit der zu rechnen ist. Sei es die Hölle, so muß wohl
die Menschheit durch diese Hölle hindurch. Es gibt kein Zurück, nur jen-
seits liegt das tzeil: also durch!

And merkwürdig, alle empfinden den höllischen Zustand, in dem wir
jetzt leben, wahrhafter, geistiger, erhabener als das, was vordem war.
Mit gutem Grunde: es ist ein Aufleben sozialen Geistes, wie es die Welt
noch nicht gesehen hat. Das aber ist genau die Kraft, die es braucht, um
zum wahren Frieden endlich zu gelangen. Dies entschlossene Iasagen
zum Krieg wäre nicht verständlich, wenn alle das Schreckliche, was jetzt
die Völker einander antun, nur Ausfluß ihres „sakrischen Egoismus"
wäre. Aber durchweg die Tieferblickenden in allen kriegführenden Völkern
sind innerlichst überzeugt, daß es die Sache der Menschheit und nicht
bloß die des eigenen Volkes ist, um die gestritten wird, und daß man
darum unerbittlich durchhalten müsse. Wie kommt es denn, daß die

* S. 2. Oktoberheft, S. ff.
 
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