Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

DOI Heft:
Heft 20 (2. Juliheft 1918)
DOI Artikel:
Högg, ...: Sparsame Bauweise
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0066

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Bauen. Uud daß man sparsamer bauen kann, als wir bisher getan, steht gleich-
falls außer Zweifel. Nur darf sparsam nicht gleich unsolid, provisorisch, billig
und schlecht gesetzt werden. Sparsam ist eine Wohnbauweise, wenn sie Zweck-
mäßig im besten Sinne ist, wenn sie unnötigen Zierat vermeidet, sich langsam
abnutzt, keine Ausbesserungen erfordert und den Bewohnern einen dauernden
gesunden, angenehmen Aufenthalt gewährleistet. Werden diese Bedingungen
nicht erfüllt, so sind Unzufriedenheit, Krankheit, Wohnungswechsel, Ausbes-
serungsarbeit und Umbau die unausbleibliche Folge. Was also im ersten
Augenblick Sparsamkeit schien, entpuppt sich sehr bald als unheilvolle Miß-
wirtschaft. Läßt man diesen unanfechtbaren Erfahrungssatz als Grundlage und
Ausgangspunkt der ganzen Betrachtung gelten, so erkennt man sofort, daß
eine Reihe von Vorschlägen, die jetzt mit großem Eifer vorgebracht werden, und
die auf den ersten Augenblick etwas Bestechendes haben, ernstlich nicht verfolgt
werden können. Auch die jetzt viel gepriesene Lehm-Bauweise wird uns nicht
retten. Sie setzt gestampfte und mit Draht gefestigte Lehmwände an Stelle der
Backsteinmauern. Frühere Zeiten haben allerdings vielfach ihre Fachwerke mit
Lehm statt mit Steincn ausgefüllt. Aber doch zunächst nur bei Bauten unter-
geordneter Art, bei Scheunen und dergleichen, und nur unter kümmerlichen
Lebensverhältnissen auch bei ländlichen Wohnbauten. Das wieder aufzunehmen,
würde unter allen Amständen einen bautechnischen Rückschritt bedeuten, ganz
abgesehen davon, daß der Holzmangel und die erhöhte Feuerversicherung den
Fachwerkbau fast unmöglich machen. Die Stampfbauweise in Lehm braucht
kein Fachwerk, soll feuersicher sein und sich schon da und dort bewährt haben.
Auch soll sie eine Kostenersparnis von mindestens 30 v. H. gegenüber Backstein-
mauerwerk ergeben. Wenigstens sagen dies die Werbeschriften. Denn die Aus-
führung ist geschützt und unterliegt einer Abgabe an den Patentinhaber. Ieden-
falls ist in ihrer Anwendung Vorsicht am Platz. Langjährige Erfahrungen über
Haltbarkeit und sonstige Eigenschaften fehlen, die Herstellungskosten scheinen sehr
schwankend zu sein, und die Arbeiter müssen auf die neue Vauweise erst ein-
gelernt werden. Was sie aber unter allen Umständen nur zu einer örtlichen,
niemals zn einer allgemein brauchbaren Technik stempelt, das ist ihr Baustoff.
Es ist immer nur ein glücklicher Zufall, wenn sich Lehm am Bauorte oder iu
seiner Nähe findet. Wo das nicht der Fall ist, wo man Lehm von weit her-
holen müßte, da heben sich die Ersparnisse ohne weiteres durch die Mehrkosten
der Beförderung auf.

Dann wiedcr sollen flache mit Pappe gedeckte Dächer aus der Not helfen.
Der Verband der Dachpappeindustriellen ist bekanntlich sehr energisch in der
Anpreisung seiner Erzeugnisse. Das ist sein gutes Recht. Dennoch wird man
ihm immer wieder entgegentreten müssen, wo er sich in den Wohnhausbau
eindrängen will. Baukünstlerische Gesichtspunkte — die Häßlichkeit der schmierig-
schwarzen ungegliederten Dachflächen im Orts- und Landschaftsbilde — will ich
heute ganz außer acht lassen. Aber vom rein techuisch-praktischen Standpunkt
aus sei darauf hingewiesen, daß Dachpappe ein für allemal so recht eigentlich
das Material des provisorischen Bauens ist, keine vieljährige Dauer
besitzt, wohl aber fortwährende Unterhaltung nötig macht und daher für solideu
Wohnbau nicht wirtschaftlich ist. Da ferner Pappe nur auf ganz flachen Dächern
angebracht werden kann, so fallen alle jene gerade fürs Kleinhaus so wichtigen
Räume weg, die unter dem steileren Dache mit verhältnismäßig geringen Mchr-
kostcn eingerichtet werden können. Auch gesundheitliche Nachteile fehlen beim
flachen Pappdach nicht. Bildet es doch den unmittelbaren Abschluß des oberen
Stockwerkcs, und hält es doch Wärme und Kälte viel weniger ab als der
luftige Raum des steilen Daches. Pappe und flaches Dach würden also als Bau-
stoff für die kommcnde deutsche Kleinbauweise auch technisch eine Verschlech-
terung, einen Rückschritt bedeuten und dem Verlangen nach wirklicher Spar-
samkeit nicht entsprechen.

Iedcnfalls ist bei der Anwendung dieser und anderer angepriesener oder
späterhin noch austauchender Ersatzbaustoffe Vorsicht dringend geboten. Denn
 
Annotationen