wohl gar genügen könnten, nm Friedenspreise herbeizuführen. Auch mit Bundes-
gründungen wird hier wenig zu erreichen sein. Ebensowenig können die als
äußerster Notbehelf in der Abergangszeit vielleicht unentbehrlichen Dach- und
Kellerwohnungen, Ausbauten von Schulen, Lagerhäusern und öffentlichen Ge-
bäuden, Baracken und Behelfsbauten aller Art länger als unbedingt nötig ge°
duldet werden. Der Schaden an der Volksgesundheit und der Volksmoral, den
sie bei längerem Bestehn anrichten würden, ist nicht auszudenken. Schon das
erschreckende Anwachsen der Tuberkulose und der Geschlechtskrankheiten in der
letzten Zeit sollte alle Einsichtigen vor einer mehr als höchstens dreijährigen
Dauer aller dieser Behelfsmittel warnen.
Und wenn das Reich nicht hilft, oder nicht großzügig hilft? Dann werden
die Zustände von Berlin im Iahre Ms sich in unvergleichlich größerem Maß-
stabe wiederholen, schwerste innere Kämpfe werden die Leidcnschaften aufwühlen,
das Volk wird auseinanderfallen, statt sich enger und enger aneinanderzuschließen.
Die zerstörenden Elemente im Staatskörper würden den alleinigen Vorteil
haben. Denn dann wäre eine spätere Iurückführung der Baukosten auf eine ver-
nünftige Höhe unmöglich, dann könnte man in Neubauten und alten Häusern
nach Herzenslust spekulieren, weil man ja nichts mehr durch Reichshilfe ver-
lieren kann. Die Mieten der neuen Häuser wären das Klettergerüst für die
Micten der alten Wohnungen, eine ungeheure Steigerung aller Mietpreise
wäre der Erfolg. Aufnahme neuer Beleihungen allergrößten Stils würde alles
flüssige Kapital verschlingen und der Bodenertrag ins Unvernünftige gesteigert
werden. Entweder ein Baukrach von nie geahnter Größe, oder aber eine Ver-
elendung großer Volksmassen wären weitere Folgen. Das kann niemand wollen,
und am wenigsten gerade der ' Stand der Hausbesitzer selber, der trotz an-
fänglicher Riesengewinne mit voller Sicherheit einer Katastrophe entgegeneilte.
Darum muß es die unabweisbare Forderung des Tages sein, daß alle,
die es angeht, und die für ihr Volk ein warmes dankbares Herz haben, jetzt
in letzter Stunde die Reichsboten zur Tat aufrufen. Es muß noch vor
dem F r i e d e n s sch luß Gesetz werden, daß das Reich die vor-
übergehenden Mehrkosten jedes nach amtlicher Prüfung
nötigen Wohnungsbaues übernimmt, um den heimkehren-
den Kriegern eine ihrer Riesenopfer würdige Heimstätte
zu verbürgen. Möge der Ruf im ganzen Reiche widerhallen, damit er
in allerletzter Stunde endlich gehört wird.
Bielefeld Stadtbaurat Schultz
Zur Sprachpflege
Eine Aussprache
l. Maihcft sW des „Deutschen Willens" spricht Geh. R. Prof. Otto
^TBehaghel über „Pflege der deutschen Sprache". Die Grundlagen, von
^Idenen Behaghel ausgeht, sind anfechtbar. Er nähert sich hier Grundsätzen,
die Prof. Sütterlin-Freiburg i. Br. in seinem vortrefflichen Buche „Werden
und Wesen der Sprache" (Verlag Quelle u. Meyer, Leipzig) als den „Ptole-
mäischen Standpunkt in der Sprachwissenschast" kennzeichnet. Behaghel behandelt
die Sprache als Grammatiker, Sütterlin vertritt die linguistische Auffassung.
, Wenn Behaghel über „Sprachsünden und Sprachdummheiten" klagt, so
werden wir lebhaft an ein Buch erinnert, das in diesen Iahren auch wieder
eine Auferstehung erleben durfte: Gustav Wustmanns „Allerhand Sprach-
dummheiten" (I. Ausg. (89H. Grade dies Buch kann als ein Musterbeispiel
dafür gelten, wie verhängnisvoll die Beurteilung des sprachlichen Lebens nach
„Sünden und Dummheiten" werden kann. Einige Beispiele aus Wustmann
mögen dies erhärten.
Auf S. 6/7 der 5. Aufl. des Buches finden wir folgende Ausführungen:
„Zu beklagen ist es, daß immer mehr die Neigung um sich greift . . . , das
Dativ°e ganz wegzuwerfen und zu sagen: vor dem König, in dem Buch,
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gründungen wird hier wenig zu erreichen sein. Ebensowenig können die als
äußerster Notbehelf in der Abergangszeit vielleicht unentbehrlichen Dach- und
Kellerwohnungen, Ausbauten von Schulen, Lagerhäusern und öffentlichen Ge-
bäuden, Baracken und Behelfsbauten aller Art länger als unbedingt nötig ge°
duldet werden. Der Schaden an der Volksgesundheit und der Volksmoral, den
sie bei längerem Bestehn anrichten würden, ist nicht auszudenken. Schon das
erschreckende Anwachsen der Tuberkulose und der Geschlechtskrankheiten in der
letzten Zeit sollte alle Einsichtigen vor einer mehr als höchstens dreijährigen
Dauer aller dieser Behelfsmittel warnen.
Und wenn das Reich nicht hilft, oder nicht großzügig hilft? Dann werden
die Zustände von Berlin im Iahre Ms sich in unvergleichlich größerem Maß-
stabe wiederholen, schwerste innere Kämpfe werden die Leidcnschaften aufwühlen,
das Volk wird auseinanderfallen, statt sich enger und enger aneinanderzuschließen.
Die zerstörenden Elemente im Staatskörper würden den alleinigen Vorteil
haben. Denn dann wäre eine spätere Iurückführung der Baukosten auf eine ver-
nünftige Höhe unmöglich, dann könnte man in Neubauten und alten Häusern
nach Herzenslust spekulieren, weil man ja nichts mehr durch Reichshilfe ver-
lieren kann. Die Mieten der neuen Häuser wären das Klettergerüst für die
Micten der alten Wohnungen, eine ungeheure Steigerung aller Mietpreise
wäre der Erfolg. Aufnahme neuer Beleihungen allergrößten Stils würde alles
flüssige Kapital verschlingen und der Bodenertrag ins Unvernünftige gesteigert
werden. Entweder ein Baukrach von nie geahnter Größe, oder aber eine Ver-
elendung großer Volksmassen wären weitere Folgen. Das kann niemand wollen,
und am wenigsten gerade der ' Stand der Hausbesitzer selber, der trotz an-
fänglicher Riesengewinne mit voller Sicherheit einer Katastrophe entgegeneilte.
Darum muß es die unabweisbare Forderung des Tages sein, daß alle,
die es angeht, und die für ihr Volk ein warmes dankbares Herz haben, jetzt
in letzter Stunde die Reichsboten zur Tat aufrufen. Es muß noch vor
dem F r i e d e n s sch luß Gesetz werden, daß das Reich die vor-
übergehenden Mehrkosten jedes nach amtlicher Prüfung
nötigen Wohnungsbaues übernimmt, um den heimkehren-
den Kriegern eine ihrer Riesenopfer würdige Heimstätte
zu verbürgen. Möge der Ruf im ganzen Reiche widerhallen, damit er
in allerletzter Stunde endlich gehört wird.
Bielefeld Stadtbaurat Schultz
Zur Sprachpflege
Eine Aussprache
l. Maihcft sW des „Deutschen Willens" spricht Geh. R. Prof. Otto
^TBehaghel über „Pflege der deutschen Sprache". Die Grundlagen, von
^Idenen Behaghel ausgeht, sind anfechtbar. Er nähert sich hier Grundsätzen,
die Prof. Sütterlin-Freiburg i. Br. in seinem vortrefflichen Buche „Werden
und Wesen der Sprache" (Verlag Quelle u. Meyer, Leipzig) als den „Ptole-
mäischen Standpunkt in der Sprachwissenschast" kennzeichnet. Behaghel behandelt
die Sprache als Grammatiker, Sütterlin vertritt die linguistische Auffassung.
, Wenn Behaghel über „Sprachsünden und Sprachdummheiten" klagt, so
werden wir lebhaft an ein Buch erinnert, das in diesen Iahren auch wieder
eine Auferstehung erleben durfte: Gustav Wustmanns „Allerhand Sprach-
dummheiten" (I. Ausg. (89H. Grade dies Buch kann als ein Musterbeispiel
dafür gelten, wie verhängnisvoll die Beurteilung des sprachlichen Lebens nach
„Sünden und Dummheiten" werden kann. Einige Beispiele aus Wustmann
mögen dies erhärten.
Auf S. 6/7 der 5. Aufl. des Buches finden wir folgende Ausführungen:
„Zu beklagen ist es, daß immer mehr die Neigung um sich greift . . . , das
Dativ°e ganz wegzuwerfen und zu sagen: vor dem König, in dem Buch,
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