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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

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Heft 22 (2. Augustheft 1918)
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0138

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Äer erwartungsvoll und ahnungsvoll
zur Seite stehende Nähtisch. In der
Tiefe unsercr betrachtenden Seele fließt
die wohlgeordnete Sauberkeit des Stüb-
chens und sogar die bedürfnislose Ein-
fachheit diescr kleinen Welt zusanrnren
nrit der Herrlichkeit draußen, die früh-
morgens schon an die Fenster gepocht
hat, zu einenr einheitlichen, herzerhe-
benden Lebensidqal. In unsrer Seele
wacht das Wort auf, das Goethe ge-
bildet und doch nur ein einziges Mal
gebraucht hat: „morgenschön". —

Was unsre Bäter als Morgengebet
kannten, war eine AHnung von dem,
was einmal eine weisere Zukunft dem
Menschen raten wird. In der Morgen-
frühe geht der liebe Gott nicht nur
durch den Wald, sondern durch seine
ganze weite Welt. „Am Abend, da
es kühl ward", aber auch am Morgen,
da alles neu werden will. Da müssen
wir unsrc Iugend entdecken und sie
grüßen lassen von dem Urlicht, aus
dem sie und alles stammt. Die Fenster
der Seele weit auftun und alles ein-
strömen lassen, was nur einströmen
will an Licht und Herrlichkeit, still
kalten in dicsem Licht und seine kleine
Welt damit füllen bis in die Winkel'
Nicht der Tag muß es uns bringen,
sondern wir dcm Tag! Und er wird's
uns danken!

Friedrich Rittelmeher

Peladan h

<^m bcsten Mannesalter ist mit Pe-
Oladan einer der wenigen französi-
schen Dichter gestorben, die wie Claudel
uud Rolland dem geräuschvollen lite-
rarischen „Betrieb" ziemlich fern stan-
den. Doch genoß cr schon eines gewissen
Rufes auch jenseits der französischen
Grenzen. Strindberg, Maximilian
Harden und viele Andere sind lebhaft
für ihn eingetreten, und neuerdings
wirbt Emil Schcring als Abersetzer mit
uahezu dcr gleichcn Wärme für ihn
wic einst für Strindberg* selbst. Zwei

* Es erschienen (bei Georg Müller
iu Münchenj dic Dramen „Semiramis"
uud der „Prinz von Bhzanz", die Ro-
manc „Ana cum uno" und „Das all-
mächtige Gold". Leider ist das Deutsch
vcr Abcrsetzungen vielfach trocken, hart
uud nicht einmal von Fehlern frei.

Dramen, zwei Romane liegen uns vor,
weitere sind angekündigt. Man darf
bezweifeln, ob der Propaganda für
diesen Franzosen gleicher Erfolg winkt
wie der für den weitaus größeren
Schweden. Daß Peladans Dramen für
germanisch - osteuropäische Menschen
nicht wiel bedeuten, scheint mir nach
den beiden von Schering herausgegebe-
nen Proben gewiß. Wir sehen, daß
auf romanische Naturen dieses eigen-
tümliche Pathos, dieses Wahren der
„schönen Geste" und diese klug« Rhe-
torik inmitten der Leidenschaft, diese
Auftritte, welche so unverkennbar deut-
lich auf den Zuschauer hin gebildet sind,
dieses langsame, dialektische, gespreizt-
wortreiche Abwickeln auch der erregte-
sten Erlebnisse — wir sehen, daß dies
alles auf Romanen stark und erschüt-
ternd wirkt; unter sehr glücklichen Um-
ständen fühlen wir uns auch in ihr
Erlebnis solcher Dichtnng ein; aber
nie wird sie uns Bedürfnis werden. —
Anders Peladans Romane. Man hat
sie denen Zolas oerglichen. Indessen,
Zola studierte die Wirklichkeit, spannte
tausend „Studien" in einen Rahmen
und raffte schließlich doch das Vielerlei
in einen gewaltig wirksamen, monn-
mentalen Strom der Erzählung zu-
sammen. Zola war ein schaffender Sh-
stematiker. Peladan spiegelt nicht mehr
einzelne Wirklichkeit-Erlebnisse, als ein
geistig lebendiger Zeitgenosse ohne be°
sondere Anstrengung «rsährt. Er greift
einen einfachen, „normalen" Fall aus
dem Alltag heraus; und dann setzt er
sich mit dem auseinander, was dnrch
diesen Fall als der „Geist" einer Zeit
fühlbar wird. Peladan ist der zür-
nende Richter einer Zeit, die er kennt,
ohne ihr die Ehre eines Stndiums an°
zutun. So im „allmächtigen Gold".
Zwei Liebende, die an Armut und Er-
folglosigkeit von Stufe zn Stufe her-
untersinken und zulctzt ein furchtbares
Ende nehmen. Eine trivial erfundene,
aber vielleicht gerade durch ihre triviale
Selbstverständlichkeit gewaltig wirksame
Erzählung, gefaßt in knappste Moment-
bilder, welche manchmal leuchten von
geballtem Leben und sonniger Schön-
heit, manchmal nur wirksame Notizen
sind; und die Momentbilder wechselu
ab mit Reflexionen, die Peladan mit
einer großartigeu Gebärde und mit
 
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