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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1918)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Suggestionskrieg
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https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0190

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nichtkriegführende Länder kommt ja auch unser Wort. Das wichtigste: nach
Friedensschluß wird es auch in die feindlichen kommen.

Aber auch die innern Schwierigkeiten bei der Bekämpfung von Karikatur
sind groß, und wenn das Recht noch so stark auf Ler eigenen Seite ist. Die
Wirkung der Karikatur läßt sich dadurch nicht aufheben, daß man ihre Be°
hauptungen widerlegt. Karikatur arbeitet mit Massenpsyche. Wer die lenken
will, lasse alle Denkprozesse, alle Nachweise von Fehlschlüssen, alle Beweise
überhaupt beiseit, auch alle Nachweise, daß Voraussetzungen nicht stimmen,
daß da gelogen und verleumdet wird. Dagegen: er behaupte und behaupte noch-
mals, er wiederhole, wiederhole, wiederhole und auch das zehnmal Falsche mit
so viel Nachdruck und so viel Feuer, wie er nur aufbringen kann. Äber diese
Lehre der Massenpshchologie sind sich alle ihre Theoretiker und Praktiker voll--
kommen klar, und gerade die Franzosen haben ja die besten, z. B. Le Bon,
Bei der Karikatur kommt die besondere Wirkung des Bildes dazu mit dieser
unmittelbaren Anschaulichkeit, die zwischen „eigentlich" und „uneigentlich" ganz
nach Belieben schillern kann und ihre lust- oder greuelhaften Assoziationen mit
den Augeneindrücken wie Drehwurmmaden in die Gehirne legt. Für jede
Widerlegung ist die Entgegnung bereit: „das ist doch nicht wörtlich, das ist
doch bildlich gemeint!" Das Gorilla--Scheusal Boche und der gehörnte
Satan „le Kaiser" sind auch nicht gemeint, als liefen sie wirklich so herum.
Was auf den Beschauer übertragen wird, ist das Gefühl des Zeichners.
Wer es ebenso machen wollte, wie die drüben, wer sie mit Karikatur von gleicher
„Voraussetzungslosigkeit" bekämpfen wollte, der triebe vielleicht nicht einmal
den Teufel mit Beelzebub aus. Er würde wahrscheiulich nur Beelzebub den
andern Teufeln noch zugesellen. ^

^>st es möglich, daß man einer innerlich falschen Karikatur dadurch den Gift-
Ostachel ausbricht, daß man ihr Falschgefühl erkennen läßt? Ist ein Buch
möglich, das Hunderte der schärfsten feindlichen Karikaturen sammelt und doch
durch die Zusammenstellung und wenige Begleitworte schon ihre Pfeile hin-
fallen oder auf die Schützen zurückschnellen macht? Mit meinem „Bild als
Narr" habc ich eins versucht. Es i st möglich, wenn wir das letzte Ziel der
Karikatur-Kritik in der Beantwortung der Frage sehn, was sie verrät, oft
ganz und gar wider Willen verrät. Wenn wir sie weniger daraufhin
untersuchen, ob die Beschimpfung „stimmt", als uns von Anfang an darauf
einstellen: wes Geistes Kind bist denn d u, Karikaturist, und wes Geistes Kind
sind die, die dir zuklatschen? Es ist geradezu verblüffend, welche Ant-
worten wir dann erhalten. Antworten sind es, die Spiegel aufrichten, vor
denen das iunere Wesen dieser Herren Künstler und ihrer Leute nackt aus-
gezogen oft zum Erbarmen kläglich dasteht. Sie imponieren nicht mehr. Er->
bärmliche „Machen" enthüllen sich, wo man bisher Begeisterungen sah. Uird
weiter noch: von ganzen Volkspshchosen heben sich die Schleier. Wenn
in der Entwertung der Kriegs-Karikatur als völkerverhetzender Teufelin ein
sehnlicher Wunsch Aller münden muß, „die was davon erkannt" — vielleicht,
auf diesem Wege können wir vorwärts kommen, indem sich mehrere und
mehrere zunächst wenigstens von der Bewunderuug dieses „Geistes" heilen.
Und das ist erfreulich: wer sich an einer Anzahl von Beispielen erst geübt hat,
vor Karikaturen die Frage nach befavgen oder unbefangen, nach echt oder ge°
macht, nach aufrichtig oder verlogen zu stellen und zu beantworten, der gewinnt
erstaunlich schnell den „Blick" dafür. Er wird dann vor den Gefahren der Kari°
katur gefeit, während er das Vergnügen an ihren etwaigen ästhetischen Neizen

ohne daß ich deshalb mit ihr auch nur verhandelt hätte. Damit vergleiche man
die Tatsache, daß nach der vom Suggerier-Kriege der Entente bis weit in die
Neutralen hinein verbreitcten Meinung wir Deutschen und nur wir Deutschen
im Gegensatz zu den „Demokratien" innerhalb einer „chinesischen Mauer" abge-
sperrt wären, A

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