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Deutscher Wille: des Kunstwarts — 31,4.1918

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Heft 24 (2. Septemberheft 1918)
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Mumbauer, Johannes: "Klassisch" und "romantisch" im heutigen Katholizismus, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14374#0192

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ihrer nicht- oder vorkatholischen Periode entnimmt nnd ihr dann überhaupt
(also sowohl der ganzen geschichtlichen romantischen Schule als auch dem
generellen romantischen Prinzip) die Anerkennung einer Welt objektiver Werte
abspricht, während doch gerade die von Flaskamp gemeinte Romantik auf der
Hinnahme aller Wirklichkeiten der „christlichen Welt" in ihrer harmonischen
Vermittelung durch die natürliche Erkenntnis sowohl wie die Offenbarung beruht.

Eine zweite Schrift Flaskamps * wendet sich gegen die Verkennung und
Umdeutung seiner Thesen. Vor allem verwahrt er sich gegen den, einen ge--
wissen Relativismus in sich schließenden Ausdruck „Erhöhung des Roman--
tischen zum Klassischen". Für ihn gibt es kein Verhältnis — etwa wie das
zwischen Weniger und Mehr — geschweige denn eine Versöhnung oder einen
Kompromiß zwischen Klassik und Romantik: sie sind unüberbrückbare Wesens-
gegensätze. Ihm gelten die klassischen Zeiten als „Zeiten der Verkümmerung
alter reicher Bewußtseinsinhalte der Menschheit, Zeiten, denen das Unten und
Oben, die tzöhe und die Tiefe fehlt, in denen der glatte flache Durchschnitt
herrscht, zweilinige, flächige Zeiten. Dieser Menschen ganzes Streben liegt
und begrenzt sich in der Erdoberfläche". Was diesen auf menschliche Selbst-
herrlichkeit gestellten, von den ehrwürdigen weisheitvollen Traditionen losge-
lösten Zeiten fehlt, ist „Ehrfurcht vor dem Abermenschheitlichen, das Bewußt-
sein des Menschheits- und Weltzusammenhanges, das Bewußtsein des Welt-
kampfes, des Grundschöpferischen und des Grundstürzlerischen, Dämonischen".
Alles ist ins Irdischflache gezogen und zu irdischflachen Verhältnissen abge-
stumpft. Und da „romantisch" ihm gerade das Gegenteil davon ist, so sind ihm
„klassisch" und „romantisch" ganz inkongruente Größen: „klassisch eine unter
Kompromissen, unter Amdeutungen und Verschleierungen der Leidens- und
Schuldfragen des irdischen Lebens, unter Abflachungen von Tatsachen und
Möglichkeiten höheren Lebens gebildete erd- oder, was im Grunde nicht mehr
sagt, weltbürgerliche Enge und Einschränkung, romantisch das volle, unein-
geschränkte, im Irdischen allein nicht begrenzte Leben." Weil Muth den Begriff
„klassisch" schulformalistisch nehme und nicht sehe, daß die Klassik ihre ausge-
glichenere Form durch Ausscheidung wesentlichster Probleme, durch Verzicht
auf letzte Höhen und Tiefen erkaufe, stehe er mit der Elle des technischen Be°
griffes „klassisch" vor dem anscheinenden Wirrwarr der romantischen Bestre-
bungen, der in Wirklichkeit nur Buntheit und Vielfalt sei. Und wenn er,
Flaskamp, in seiner früheren Schrift der neueuropäischen Wissenschaft und
Kunst den Vorwurf gemacht habe, daß sie nur „unzulängliches Abbild der
göttlichen Wesenheit und Weltordnung und der irdischen Wirklichkcit" sei, so
könne Muth das nicht entkräften, indem er entgegenhalte, jede Wissenschaft
und Kunst jeder Zeit müsse unzulänglich sein im Verhältnis zum Ewigen
und Anendlichen; dcnn nicht das mache er den Neueuropäern zum Vorwurf,
daß sie die wahre Weltwesenheit bloß unzulänglich ebenbildeten, sondern „daß
sie das wahre Bild und Vorbild nicht haben, nicht kennen und anerkennen
wollen, ihm widerstreben und sich dafür falsche Abbilder, also Fetische ge-
schnitzt haben". Demnach proklamiere er auch nicht eine bloße Erneuerung der
alten romantischen Schule mit ihren Sonderlichkeiten, auch nicht eine unklare
Art von Neuromantik, sondern „ganz allgemein Romantik überhaupt", näm-
lich „die Wirksamkeit alles menschlich Gegebenen in der Kunst und Kultur im
Gegensatz zu dem terroristischen Ausschluß vieler und wesentlichster Gegeben-
heiten des Daseins durch noch jedes klassizistische Kunst- und Kulturshstem".
Flaskamp lehnt es daher ab, die neuerwachte katholische Kulturstrebung im
Geiste des Klassizismus beleben zu wollen, im Geiste „einer Kunst, die aus
der neueuropäisch-liberalen Bildung hervorgegangen ist, einer Kunst, die auf
einem viel schwankenderen Fundament ruht als die romantische, einer Kunst,
deren Unzulänglichkeit in ihrer eigenen Form liegt, deren unzulängliche Form

* Die deutsche Romantik. Ein Nachwort. Warendorf, F. Schnellsche Ver-
lagsbuchhandlung, W7.
 
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