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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 12.1894

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Eine zu Grunde gegangene Pfarrei, Dürnau, DH. Göppingen, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15916#0023

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alles was in dieser Hinsicht von dem Jahr 1682 an, ganz
gegen den Geist und die ausdrückliche Vorschrift des West-
phälischen Friedensschlusses geschehen ist, für nichts anderes als
für ein gewaltsames Reichsgesetzwidrigcs Eindringen angesehen
werde» könne." Nichtsdestoweniger sei er gewohnt, seine
Unterthanen ohne Unterschied der Religion mit gleicher Milde
und Liebe zu behandeln. Auch jetzt falle es ihm nicht ein,
eine Religionsveränderung vorzunehmen. Knrbayern habe
sich 1770 die Bestellung und Salaricrnng eines Weltgeist-
lichen oder zweier Capuziner Vorbehalten („welches ich mir
in dem damaligen Drang der Umstände gefallen lassen mußte"),
während ihm (Degenfeld) damals nach Recht und Gerechtig-
keit die Fürsorge für den katholischen Neligionszustand hätte
überlassen werden sollen. Gegenwärtig scheinen sich nun die
Gesinnungen des höchsten Kurhauses Bayern, was die sich
vorbehaltene Unterhaltung der katholischen Geistlichkeit in
Dürnau betrifft, sehr geändert zu haben. „Auf einmal soll
weder den dortigen Herrn Kapuzinern noch auch dem Meßner
ferner etwas mehr abgereicht werden, ia sogar nicht einmal
die Degenfeldischen Stiftnngsgelder, welche doch in iedem Fall
nach Dürnau gehören, hat man bißher erlangen können." Er
könne von Bayern die Erfüllung des znm vermeintlichen Vor-
teil Bayerns ansbedungenen Vorbehalts nicht verlangen; in
den eigenen Kurfürstlichen Ländern seien, was die Kloster-
geistlichkeit betrifft, gleiche Verfügungen ergangen. Seine Be-
mühungen und Verwendungen diesfalls seien „bißher gänzlich
fruchtlos" gewesen. Den Katholiken in Dürnau seien „in
Ansehung des dortigen Heiligen (tuncki ecclemustici) und
einer vielleicht vor der Reformation bestandenen Frühmesse
sehr irrige und schiefe Begriffe in den Kopf gesetzt worden",
lieber diese zwei Vermögensteile habe das Normaljahr 1624
zu Gunsten der Evangelischen entschieden und der Vertrag
von 1770 habe das anerkannt. Auch ist „weder die Anzahl
der dortige» katholischen Unterthanen, noch der Nevcnüenertrag
von Dürnau von einer solchen Beschaffenheit, daß mir zumal
bei meinem — ienseits des Rheins erlittenen enormen Verlust,
für welchen ich keine Entschädigung erhalte, die Unterhaltung
eines eigenen Katholischen Geistlicken gegenwärtig mit Billig-
keit zugemuthet werden könne." Möglicherweise wolle Knr-
bayern statt der Kapuziner einen Weltgeistlichen anstelle». Bis
Ostern werde sich dies wohl entscheiden. Es entschied sich:
Am 25. Hornung 1804 bescheinigen ?. Lelsus Stadler und
der Bruder Georg in Türkheim den Empfang von 50 sl.,
welche ihnen das Kurfürstliche Landrichter-Amt Wiesensteig als
Erlös ans dem Verkauf der Mobilien von der Dürnaner
Mission gnädigst überreichte. Die Kapuziner hatten Ende 1803
von Dürnau abziehen müssen, nur ihre Bibliothek und alles
kirchliche Inventar blieb zurück.
Nach Wegzug der Kapuziner.
Die von feite des Knrhofs zu München verfügte Auf-
hebung deö Kapnziner-Hospiziums in Dürnau und Anweisung (!)
der dortigen Katholiken an die katholische Pfarrei in Mühl-
hausen teilte die Kurbayerische Landesdirektion in Ulm dem
Ordinariat in Konstanz mit. „Da diese Verfügung so schnell
eintrat (schreibt das Ordinariat am 1. Februar 1804 an den
Grafen Degenfeld), so blieb uns nichts übrig, als dem Pfarrer
zu Mühlhausen die provisorische Pastorazion der Dürnaner
Katholiken zu übertragen, bis für diese ein anderes Mittel zu
einer gottesdienstlichen Anstalt ausgefnnden seyn würde. Wir
sind aber inzwischen über die lokalen Verhältnisse der beedeu Orte
Mühlhausen und Dürnau verlässig berichtet worden, daß die
Pastorazion, ungeachtet der vollen Bereitwilligkeit, mit welcher

sich der Pfarrer in Mühlhausen derselben unterzog, gleichwohl
gar nicht in befriedigender Weise fortgeführt werden könne,
indem die Entfernung des Seelsorgers von der ihm anver-
tranten Heerde zu groß ist, als daß er dieser in allen Vor-
fällen mit geistl. Hilfe beyspringen könnte und die Katholiken
aus gleicher Ursache bey dem Besuch der Gottesdienste und
des christkatholiscken Unterrichts ungemein vielen Beschwerden
in Hinsicht des Zugangs zu der neu angewiesenen Kirche in
Mühlhausen ansgesetzt sind. Es walten wirklich physische und
sittliche Bedürfnisse vor, die die Erhaltung der bisherigen
kathol. Religions-Anstalt für die isolirten kath. Einwohner in
Dürnau als nöthig darstellen". Mühlhausen ist über zwei
Stunden von Dürnau entfernt, der Weg führt über einen an-
sehnlichen Höhenzug hinüber. Wie weit die „volle Bereit-
willigkeit" des Pfarrers Schund ging und gehen konnte, werden
wir später sehen. Zunächst bat das Bischöfliche Ordinariat
den Grafen Degenfeld im vollen Vertrauen zu dessen „groß-
mütigen Gesinnungen", er möge bei Kurbayern vorstellig werde»,
daß letzteres seine Verpflichtungen nach dem Vertrag von 1770
erfülle. Auch das Ordinariat habe bei der Kurfürstlichen
Landesdirektion Ulm die Bjtte um Anstellung eines Weltgeistlichen
vorgetragen. „Merkwürdig ist" — fügt das Ordinariat hinzu
— „daß von Knrbayern ehedem zwey Benefizicn der Wallfahrt
Dotzburg (bei Wiesensteig) zur Dotirung des in Dürnau
gestandenen KapuzinerHospitzinmS gewidmet worden sind." (!)
Der Graf Degenscld wünschte eine Pastoration Dürnans
von Groß - Eislingen aus. Der Bischöfliche Deputat nud
Pfarrer Vogel in Groß-Eislingen richtete am 14. Februar
eine Zuschrift an das Bischöfliche Ordinariat mit Vorschlägen
wegen Anstellung eines eigenen Seelsorgers und erhielt dort-
her unterm 23. Februar 1804 einen von Wessenberg Unter-
zeichneten Erlaß, worin neben abschriftlicher Mitteilung des
vorhin genannten Schreibens an den Grafen v. Degenfeld
vom 1. Februar dem Deputat und Pfarrer Vogel erklärt
wurde: „Indessen ist von Ew. Hochwürden ganz wohl ge-
schehen, daß dieselbe einsweilen nach dem Wunsch des Hr.
Reichsgrafen v. Degenfeld die provisorische Pastorazion der
Dürnaner Katholiken übernommen haben, obschon wir vorans-
sehen, daß diese wegen zweystündiger Entfernung nicht werde
fortgeführt werden können." Nun hatte Dürnau zwei provi-
sorische Uastores , von denen der letztgenannte (Vogel) aber
zunächst nicht in Aktion trat, dagegen im Auftrag des Ordi-
nariats sich bemühte, eine Seelsorgestelle nach Dürnau zu
bringen.
Am 29. Oktober 1804 schrieb Pfarrer Vogel an den
Grafen Degenfeld: Die Bischöfliche Konstanzer geistliche Re-
gierung habe anläßlich der jüngst erfolgten Aufhebung der
Wallfahrt Dotzburg bei Wiesensteig sich vergeblich darum
bemüht, daß eine der beiden dort eiugezogenen Meßpfründen
nach Dürnau versetzt werde. Die Kurbayerische Regierung
habe äußerst inhuman die Bitte abgewiesen. Das Bischöfliche
Ordinariat habe dann den humaneren Vorschlag gemacht, für
den nächsten Winter und bis Kurbayern mildere Gesinnungen
zeige, einen Lokal-Vikar in Dürnau anzustellen. Diesen Vor-
schlag lege er anmit dem Herrn Grafen vor mit folgenden
Bemerkungen: u) Statt des von den Kapuzinern bewohnten
Amtshauscs solle dem Vikar das leerstehende Hansmeisterö-
haus eingeräumt werden, b) Sechs Klafter Holz würden
dem Vikar genügen (während die Herrschaft früher zusammen
22 Klafter liefern mußte); derselbe könnte den Schulunter-
richt übernehmen und dafür mit ein paar Malter Früchte
entschädigt werden; auch nach Hinznrecknung der geringen
j Wachs- und Weinkostcn bliebe dem herrschaftlichen aerarium
 
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