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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 12.1894

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Eine zu Grunde gegangene Pfarrei, Dürnau, DH. Göppingen, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15916#0034

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mit Hintansetzung eigener Rnh und Bequemlichkeit, unent-
geltlich nach Dürnan komme, mich und meinen Mesner
selbst verköstigen und letzterem sogar das Taglohn aus meinem
Sacke zahlen will, da die dortigen Katholiken zu arm sind,
um eine Remuneration geben zu können" ? — M. Burk fürchte
Gefahr für die Rechte, Ordnung und Ruhe des evangelischen
Pfarrers. Aber „lebten nicht die Katholiken früher mit ihren
evangelischen Mitbürgern, die katholischen Kapuziner mit dem
jeweiligen evangelischen Pfarrer in Friede, Ruhe und Ein-
tracht"? Ja, es wäre zu wünschen, daß Ruhe und gottge-
fällige Ordnung zurückgeführt werde.
Am 24. Dezember 1813 beschäftigte sich das Königliche
evangelische Oberkonsistorium mit der von Pfarrer Vogel ab-
gegebenen Verteidigungsschrift und äußerte sich an den katho-
lischen Kirchenrat über die Neligionsverhältnisse in Düruan
folgendermaßen: Daö Konsistorium habe sich schon in den
Protvkvllauözügen vom 28. August 1810 und 11. Juni 1811
erbvtig gezeigt, den Wünschen wegen Wiedereinführung des
Limultanci, soweit es ohne Nachteil der bestehenden Rechts-
verhältnisse angeht, zumal bei der bezeigten Willfährigkeit der
protestantischen Einwohner entgcgenzukommen. Aber der König-
liche katholische Kirchenrat habe ohne Kommunikation mit dem
Konsistorium die eigenmächtige Wiedereinführung des Zimultanei
als rechtlich qualifiziert. Die Beschwerden über Pfarrer Vogel
und über die unrichtigen Zugeständnisse des gem. Oberamts
Göppingen an Pfarrer Schund bezüglich deö Simultane! seien
nicht gehoben. Das Konsistorium bleibt dabei, daß von 1803
bis 1806 kein katholischer karocirialactus mehr vorgekommen,
die Kirche in Dürnan bloß evangelisch und Pfarrer Vogel
nicht berechtigt gewesen sei, die evangelischen Stiftungsakten
zu verlangen — die diesbezügliche Verfügung des Oberamts
Göppingen war „ordnungswidrige Nachgiebigkeit".
Man müsse die Frage vom Rechtsstandpunkt ans zu be-
urteilen suchen.
1. Die Errichtung einer Missionsanstalt und die Ein-
führung katholischen Gottesdienstes im Jahre 1684 sei als
eine den „illeZibus imperii pudlicis und dem statui anni
normaiis znwiderlaufende Handlung württembergischerseits
erklärt und sogar durch reichskammergerichtliche Erkenntnisse
die Manuteniernng des durch Neichsgesetze genau bestimmten
Status reliZionis im Weg exekutiver Verfügungen dem schwä-
bischen Kreisausschreibamt übertragen worden". Die Exeku-
tion gegen Bayern sei freilich, wie so viele andere, nicht in
wirklichen Vollzug gekommen; erst durch die Kapuzinerauf-
hebung sei dieser verfassnngö- und rechtswidrige Zustand be-
seitigt worden; mit 1803 trat der normale Zustand ein; wenn
seit 1803 faktisch daö Simultaneum bestanden hätte — was
aber nicht der Fall war —, so wäre dies ebenso gesetzwidrig
gewesen als vorher.
2. Konsequent sei auch der Vertrag von 1770, bezüglich
des Fortbestands eines Simultaneums, gesetzwidrig. Nicht
einmal Landeöherrn, noch weniger NeichSritter, haben den
statis anni normaiis ändern dürfen.
Die nach 1807 gemachten — durch ordnungswidrige
Nachsicht oder vielmehr aus Unkunde von den Unterbehörden
zugestandenen actus possessorii haben an dem rechtlichen
Stande nichts ändern können.
ES sei noch besonders zu beachten, „daß auch seit Er-
scheinung des Religions-Edikts die Katholiken in Dürnan nie-
mals in den vollen Besitz des Rechts, eine eigene kirchliche
Gemeinschaft zu bilden, gekommen seien, indem der protestan-
tische Pfarrer neben Ausübung von Parochialrechten (!)
bei Casualien die Kirchenbücher und namentlich auch das Fa-

milienregister über die katholischen Einwohner zu Dürnan bis
jetzt ansschließend geführt habe".
Uebrigens sei „man ganz nicht gemeint, den katholischen
Einwohnern die Wohlthat eigener cultuuur in Dürnan im
geordneten Wege, wie ihn das Religions-Edikt vorzeichne, zu
erschweren, vielmehr wolle man sehr gerne geschehen lassen,
daß nicht nur künftig die katholische Gemeinde . . eine eigene
kirchliche Gemeinde mit allen Wirkungen, wonach auch Kirchen-
bücher und Fannlienregister über dieselbe von dem dazu ge-
eigneten katholischen Geistlichen geführt werden, forthin bilde,
sondern ihnen auch bei der Willfährigkeit der protestantischen
Gemeinde ein Simultaneum mit ordentlichen sonntäg-
lichen Eultibus, wie sie dieselbe auch früher gehabt, in der
dortigen protestantischen Kirche eingereimt werde". Na-
türlich dürfe der protestantische Kult dadurch nicht gestört,
es müsse Artikel 2 des Religions-Edikts beachtet und von den
Katholiken geduldet werden, daß Kirchenbaukosten ans der ge-
meinschaftlichen Gemeindekasse bezahlt werden.
Erst am 24. November 1814 wurde dem Pfarrer Vogel
dieser Protokollanszug zugeschickt mit dem Auftrag, über die
im letzten Satz genannten Punkte eine Aeußerung der katho-
lischen Bürger in Dürnan herbeiznführem
Es verging fast wieder ein Jahr, bis Pfarrer Vogel
die ältesten und angesehensten Einwohner der katholischen Ge-
meinde versammelte und folgende Punkte zu Protokoll nahm:
1. Der Kirchenfond zu Dürnan sei von jeher dem evan-
gelischen Teil allein und ausschließlich zuständig gewesen.
2. Kirchenbankosten und übrige Kirchenbedürfnisse habe bisher
das nicht unbedeutende evangelische ?.-L. bestritten; die Ein-
wohnerschaft sei nicht beigezogen worden, trotzdem Reparation
des Turms, der Kirche und Orgel in den letzten Jahren viel
gekostet habe. 3. Falls aber die evangelischen Bürger zu Ko-
sten beigezogen werden, wollen auch sie gleichermaßen beitragen,
mit Ausnahme des Kirchhofs, da sie einen abgesonderten katho-
lischen Kirchhof besitzen. 4. Katholische Knltkosten seien zu
der Kapuzinerzeit von dem kurfürstlichen Rentamt Wiesensteig
bezahlt worden; nachher durch Umlage (es war wenig und
selten etwas nötig); dann sei auch noch der Stiftungsfond
mit 1000 fl. da (Graf Hannibalsche Stiftung).
Der evangelische Kultus werde — wie auch früher
100 Jahre hindurch — nie gestört und Artikel 2 des Religionö-
Edikts genau beachtet werden.
So war nun das Ende des Jahres 1815 herangekom-
men. Während dieser langen Verhandlungen mußte Pfarrer
Vogel in jedem einzelnen Fall um Erlaubnis znr Kommnnion-
ansteilung nachsuchen. 1812 bat er erfolglos um Gestattung
der Osterkvmmnnion beim gem. Oberamt. Auch eine Eingabe
an den Kirchenrat war vergeblich. Am 9. April 1813 schreibt
er an den Kirchenrat: einige alte und gebrechliche Leute in
Dürnan seien nun 2 Jahre lang nicht mehr zur Kirche und
den Sakramenten gekommen. Daraufhin wurde die Abhaltung
der österlichen Kommunion nach Vernehmen mit dem König-
lichen Oberkonsistorinm gestattet und auch das gem. Oberamt
Göppingen angewiesen, die Austeilung des Abendmahls dem
Pfarrer Vogel zu gestatten. Der Kirchenrat bemerkt dazu:
„Indem man nun solches dem Pfarrer Vogel znr Nachricht
und Nachachtung hiemit eröffnet, versieht man sich zugleich zu
demselben, er werde sich bei, der Ausspendung des heiligen
Abendmahls in der Kirche zu Dürnan mit der gehörigen
Klugheit benehmen".
Am 6. September 1813 getraute sich Vogel sogar um
Gestattung monatlich zweimaligen Sonntagsgottesdienstes nach-
znsuchen mit der Begründung: Nach vierjähriger Panse sei
 
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