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Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 12.1894

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Weiß, Josef: Maximilian Ernst, Graf zu Oettingen-Baldern als Student zu Ingolstadt 1605-1667, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.15916#0082

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Wofern nun dieses in den unvernünftigen Thiercn zn finden
ist, würde es mir ja zn der größten Aergerniß können ge-
rechnet werden, wofern dieser patrum meorum vi^or und
lobwürdige Tugend in mir nicht auch solle glänzen und ge-
funden werden."
Der Vater lieh diesen wvhlgcsetzten Bitten ein willig
Ohr und rief den Sohn zn sich. Er hatte ursprünglich ge-
dacht, ihn mit Notger zusammen nach Parma zu schicken.
Allein, da man ihm von dorten wissen ließ, daß dann Max
Ernst die Philosophie, welche er schon absolvieret hatte, noch
einmal durchwachen müßte, so entschloß er sich, seinen Erst-
geborenen nach dein geliebten Ingolstadt ziehen zn lassen, da-
mit er daselbst die Jura höre, „den jüngeren aber, so bei den
stuclim teils wegen erlittener Krankheit, teils wegen seiner in
Gott ergebenen Mutter Todesfalles ziemlich versäumt worden,
womöglich für einen Edelknaben ans München und die Tochter
auch dahin zu den Engelländischcn Fräuleins zu verschicken."
Hu dem Zwecke schrieb er an einen befreundeten Pater nach
Neuburg und bat diesen, sich zu erkundigen, ob Max Ernst,
weil er einen Hofmeister nicht mitbekommen tonne, nicht viel-
leicht „bei einem der Professoren zu Ingolstadt Kost, Woh-
nung und nebenbei Inspektion zu hoffen habe, auch wieviel
auf dergleichen Weise in allem das Jahr hindurch der Sohn
znm Verlag bedürfen möchte." Das Endergebnis dieser An-
stalten war, daß am 22. November 1665 für den jungen
Herrn mit seinem Kammerdiener bei einer Witwe ein Logis
(Zimmer mit Zubehör, Kost, Wäsche, auch „Fastcnadditio»")
gemietet wurde uni 62 Gulden und 25 Kreuzer voranöbezahlt
für das erste Quartal; die „Inspektion" ward übernommen
von deiii Professor der scholastischen Theologie, dem Jesuiten
Johann Evangcl. Tauner und dem Hofmeister der beide»
Grafeil Johann Jak. und Johann Jos. von Prchsing, Ma
gister Johann Stephan Ziegler. Letzteres wohl mit Rücksicht
aiif die Verwandtschaft zu der Prcysingischen Familie.
Von diesem Wintersemester 1665 ab liegt uns nun ein
reger Briefwechsel vor zwischen Vater und Sohn, dem „alten
Herrn" und dem „Bruder Studio." Mail möchte sich die
gestaltnngSkräftigc Feder eines V. Scheffel wünschen, um ans
de». Pack vergilbter Papiere ein einigermaßen anschauliches
Bild damaligen Stndcntenlnms erstehen lassen zu können.
Die nervöse Reiselust und sklavische Fremdländcrei der Zeit-
genossen, das ausgelassene Treiben der Studenten, ihr „Lärm
lind Sporenklang," ihre Naufhändel unter sich, mit den Nacht-
wächtern und Soldaten, — all das spiegelt sich getreulich in
den Blättern ab. Der moderne Fnchscnrefrain besonders:
„Brav Gelder muß der Vater schicke», wenn der Herr Sohn
studieren soll" offenbart sich bald dem Leser der Briefes als
eine alte ErbwciSheit der „fröhlichen Gesellen, an Weisheit
schwer und Wein" ! Gegen die Studiosen des XVIl. Jahr-
') Maria van der Wart aus England, 1629 nach München ge-
kvinincn, hatte vom Kurfürsten ein Hans im Schrainmergäßchen erhal-
ten, Ivo sie liili 14 Zöglingen das erste „Englische Jnstitiu" gründete
für den Unterricht in: Religion, Lesen, Schreiben, Rechnen, Franzö-
sisch, Italienisch und Handarbeit.
") Alle Briefe sind in Folio geschrieben, die deS Vaters und Max
Ernsts deutsch, die deS Pater Tauner lateinisch. Einmal schreibt auch
Pater Tanncr deutsch, wobei er sich cnlschnldigt: „obwohl ich wegen
meines schlechten deutschen Konzepts bis dato mich nicht getraut in
solcher Sprache zn schreiben, so will doch meines Erachtens ge-
genwärtiger Brief deutsches Herz und Wort haben." Die Beförderung
beanspruchte 8—12 Tage; „selten andere Gelegenheit als durch den
Augsburger Boten, welcher aber soviel kostet, daß cS nicht zn sagen,
inmas;cn man für einen jeden halben Bogen Brief, den man bekommt
und nbergiebt, 12 Kreuzer gebe» muß."

Hunderts erscheinen unsere heutigen Oves Lcnclemicü aller-
dings als recht zahme Jünglinge. Nach Auflösung der Bur-
sen hatte sich der „P e» n a l i S m n s" entwickelt gehabt be-
sonders durch den Mißbrauch, welchen die korrnmpiertc Stu-
dentenschaft mit der Einrichtung trieb, daß jeder neu auf-
zichcnde Student sich einem Iiispcctor moruirr untcrordnc»
mußte. Dieser Inspektor, meist ein Landsmann, — wir haben
noch den Nachklang im modernen „Leibburschen" — fühlte
sich als unbeschränkter Herr dem jüngereil gegenüber. Er
hieß „Schorist", der Untergebene der „Pennal", und crstcrcr
unterwarf den armen Grünling 1 Jahr 6 Monate 6 Wochen
6 Tage 6 Stunden und 6 Minuten hindurch den rohesten
Mißhandlungen. Dieses traurige Pennalwesen fand eine Art
Sanktion durch die vom Dekan der philosophischen Fakultät
vollzogene feierliche Zeremonie der „Deposition", mit der
der Neuling („Rermus"; „Maulesel" heutzutage) durch eine
brutale Quälerei ins akademische Leben eingeführt wurde
(die „Fuchsentaufe" und „Brandung" der Gegenwart erin-
nern noch an jene Roheiten). Faulheit, Unsittlichkeit, Sauf-
»nd Rauflust waren die Shmptome des Pennaliömus, und
wenn zuletzt auch im XVII. Jahrhundert der Schorist
den strengen Gesetzen unterlag, so lebte sein Geist.doch fort
im „Renommisten", wie der „Bursch vom echten Schrot und
Korn" in der Zeit, mit welcher wir im folgenden unS be-
schäftigen, genannt wird. Der „Renommist" schreitet einher
mit einem mächtigen dreieckigen Hut, einem unscheinbaren Nock,
einer bescheidenen Hose, lederne» Stulphandschuhen, schweren
bespornten Kanone» und an der Seite ein klirrendes Rappier.
Er liebt z» kommersicren ans offener Straße, zn reiten,
schießen, Maskeraden zn veranstalten und zn skandalicrc».
Er geht vor seines Gegners Haus, wetzt am Eckstein den
Degen, haut ins Pflaschr, daß die Funken stieben und brüllt;
„Uercmt der Hundsfott, tief, tief!" Der Geschmähte kommt
heraus und auf offener Straße ist die Mensur. Ist „kein
Geld in Bänken" oder „der Wechsel ausgebticben," so wird
der „Philister" angepumpt. Schwillt dann der Pump mal
zu hoch an, so „schwänzt" man den Philister d. h. man brennt
durch. Das ist ungefähr die Folie des Studentenlebens, in
welches die akademischen Jahre Max Ernsts in Ingolstadt
fallen.
Die Professoren, welche der junge Graf hörte, waren;
der Pandektist Arnold Rath, ein Konvertit aus Herzvgenbusch
und der berühmte Jurist Kaspar Manz (Manzius), der, ein
Konvertit aus Gnndelfingcn, für seine Vorlesungen über öffent-
liches Recht, Strafrecht, Institutionen eilten starken Zulauf
hatte, besonders seine Kommentare und Kompendien waren
gesucht. Manz war ein eifriger Gegner der Zecbgclage und
schrieb hierüber einen Traktat ,,7Vi in cliriZkinirn Xepublicm
Ilaclmnullu.kollerari possink ek ckebeuirk." 'Für seine
Vorlesungen bekam er ein Gehalt von 600 fl. Die Zahl der
Studenten des Wintersemesters 1665 kann leider wegen der
Lücke im Matrikelbuch nicht festgestellt werden, dasselbe giebt
uns erst wieder die der vom 3. Mai 1666 — Januar 1667
Inskribierten an und zwar äuf 144. WaS die damalige
Größe Ingolstadts betrifft, so zählte man 430 Häuser, welche
Bürgern gehörten und 80 weitere, die im Besitze der Profes-
soren, akademische» Bürger, Adeligen, Klöster, milden Stif-
tungen und Beamten sich befände». Dazu lebten noch 115
Bürger als Handwerker und Taglöhner in Herbergen. Im
ganzen waren 500 Manu wehrhaft.
Graf Friedrich Wilhelm erfreute sich keiner glänzenden
materiellen Lage und stack oft bös in der Klemme. Darunter
 
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