Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Beck, Paul [Hrsg.]; Hofele, Engelbert [Hrsg.]; Diözese Rottenburg [Hrsg.]
Diözesan-Archiv von Schwaben: Organ für Geschichte, Altertumskunde, Kunst und Kultur der Diözese Rottenburg und der angrenzenden Gebiete — 25.1907

DOI Artikel:
Beck, Paul A.: Der Rechtszustand der Katholiken in der Reichsstadt Ulm von Zeiten der Reformation an, unter besonderer Berücksichtigung des Wengenstifts: (mit der Beigabe: Die Installation des Prälaten Gregor Trautwein im Jahre 1765)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.18486#0015

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Kinder im Münster von lutherischen Stadt-
predigern taufen lassen und erhielten die
katholischen Täuflinge von dem Wengen-
pfarrer bloß das Chrisma. Ebenso mußten
sich katholische Brautleute von Ulm im
Münster dnrch lutherische Geistliche trauen
lassen. Beharrlich verweigerte der Rat von
Ulm, von Unduldsamkeit erfüllt, dem Wengen-
stifte die Anerkennung der von letzterem
immer wieder von Zeit zu Zeit nach-
gesuchten pfarrlichen Rechte. Als am
13. November 1626 der Konstanzer Bischof
Sixt Werner v. Praßberg dem Rat ein
kaiserliches Mandat übergeben ließ, daß
man „die Päpstlichen solle predigen, Kinder
taufen und Ehen einsegnen lassen zc.",
kehrte er sich einfach nicht daran, ließ
nicht nur alles bei sich bewenden, sondern
verschärfte noch die früheren Ein-
schränkungen und Bedrückungen. Öffent-
liche Knltnsverrichtnngen und Prozessionen
und dergleichen waren den Katholiken in
Ulm Stadt und Land durchaus strengstens
verboten. Als der Pfarrer des damals
Rechbergfchen Pfarrdorfes Böhmenkirch
auf der Alb einmal im Mai 1692 eine
Oeschprozession hielt und mit fliegenden
Fahnen dnrch Ulmisch Steinenkirch zog,
entstand darüber der größte Aufruhr im
„Ulmer Ländle" nnd eine kolossale Auf-
legung; „vom Rat in Ulm wurde an den
Vogt zu Geißlingen refcribirt, er solle
energisch dagegen protestiren und erklären,
wenn es wieder geschehe, werte man einen
von ihnen beim Schopf nehmen". Unter
dem 22. Januar 1734 wurde dem Prä-
laten Angnstin Eralh von Eratsberg von
seilen des Rats bei einer Strafe von
1900 sl. entboten, daß kein „Pfaff" mehr
gegen die Verträge und gegen der Stadt
Religionsverfassung mit öffentlicher Mon-
stranz ans der Gasse zn den kranken
(meist auf dem „Graben" in den soge-
nannten „Grabenhänschen" wohnenden)
Soldaten (oder „Garnisoaern") gehen solle,
zumal man wahrgenommen, daß die Sol-
daten anf der Gasse davor niedergefallen
sind. Nicht einmal katholische Missetäter
durfte ein Priester ihres Glaubens, anch
wenn ein solcher von ihnen begehrt wurde,
auf den Richtplatz begleiten; dies hatte
vielmehr von zwei lutherischen Predigern
auch wider deu Willen der Verbrecher zn
geschehen ; das einzige, was in dieser Hin-

sicht zugestanden wurde, war, daß eiu
katholischer Geistlicher anf den Wunsch
des Malefikanten Zutritt in das Ge-
fängnis bekam (s. darüber auch „Rotteu-
burger Pastoralblatt" VIII — 1890 —
Nr. 9, S. 36). Ebeuso durste in beiden
Kirchen — in den „Wengen" geschah dies
(wie in einer Parochialkirche!) an jedem
Sonn- und Festtage, in der Dentsch-
hanskirche nur am ersten Monatssonn-
tag nnd an sämtlichen Festtagen —
nur „mit Vergünstigung des Magistrats"
gepredigt werden, welcher, angeblich „wegen
angemaßter Parochialhandlnngen :c.", auch
das Recht ausübte, besonders dazu bestellte
und verpflichtete Kandidaten nnd Studenten
in alle Predigten und zu andern Kultus-
handlungen zu entsenden, die vorzüglich
daranf acht zu haben hatten, daß die
Rechte der Stadt nicht verletzt „uud keine
Präjndicia zu dereu Nachteil eingeführt
werden". So war im 18. Jahrhundert
bei dem sonn- und seiertäglichen Gottes-
dienst in den „Wengen" stets ein solches
zunächst unter der Kanzel sitzendes In-
dividuum oder gar zwei zugegen, welches
vorgefallene Ungehörigkeilen zc. dem Ma-
gistrate zu berichten und nebenbei anch
daranf zu sehen hatte, daß der Goties-
dienst nicht von Andersgläubigen besucht
werde. Man hat Beispiele, daß Mönchen,
welche wider die prolestantische Religion
oder die Stadt und das Regiment ge-
predigt hatten, die Kanzel verboten und
sogar, daß der Prälat solche allzu eifrige
Redner ans dem Konvent entfernen mußte.
Ja, an hohen Feiertagen, wie am Fron-
leichnamsfeste, an Bruderschascstagen zc.
wurde gar eine ganze Wache (!) mit
einem Offizier uud Unteroffizieren in die
Nachbarschaft der „Wengen" gelegt, „um
allen möglichen Unordnungen und gewalt-
samen Anmaßungen vorznbengen", uud
weil man Sorge hatle, die Prozession
möchte sich aus der Klostertüre heraus in
die Stadt bewegen wollen. Zur Zeit des
spanischen Erbfolgekrieges, als französische
nnd bayerische Besatzung in der Stadt
lag, soll nämlich einmal der Versnch einer
Prozession in der Wengengasse unter-
nommen worden sein. Die Franzosen —
viel weniger die Bayern — nahmen sich
allerdings über dieOceupationszeit manches
herans; so ritt einmal ein Franzose
 
Annotationen