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die vollständigen Genrebilder hervorgehen, die einst alle
Welt entzückten. Kühnheit und Genialität zeichnet auch
diese, unter denen „der Räuber mit dem schlafenden Kna-
ben" wohl das gelungenste ist, aus- Weit bekannt wurde
auch „sein im Walde beichtender und büßender Räuber".
In die zweite Periode seiner Thätigkeit fallen neben die-
sen Gebilden noch die lyrisch-romantische Bilder, die der
Anstoß zu unzähligen, größtentheils sehr unbedeutenden
Nachahmungen wurden. Deutsch blieb Lessing im Ge-
gensatz zu seinen Mitstrebenden auch hier, und als er fühlte,
daß es Zeit sei diese bedenkliche Richtung zu verlassen, gab
er sie ohne Weiteres auf. Wem wäre übrigens sein „trauern-
des Königspaar", das nebenbei bemerkt nicht durch Uh-
land angeregt ist, wie gewöhnlich angenommen wird, un-
bekannt geblieben! Weniger gelungen ist seine „Leonore"
nach Bürger's Ballade.
Als Geschichtsmaler beschäftigten Lessing vorzugsweise
die geistigen Kämpfe der Menscken. Wie ein gewisser
Zwiespalt der Natur aus seinen Landschaften hervorleuchtet,
die uns das Gähren der Schöpfungselemente ahnen lassen,
so sind die Streitigkeiten zwischen Staat und Kirche, die
Hussitenkämpfe und andere Hauptmomente der Reformation,
sowie die mittelalterlichen Streitigkeiten zwischen Pabst und
Kaiser die Lieblingsvorwürfe seiner Schöpferkraft. SeineGe
schichtsbilder haben nichts Symbolisches, Allegorisches, sie
bilden keine Cyklen, wie die Münchner Malereien, sondern jedes
steht auch bei verwandten Stoffen für sich allein und ist,
man fühlt es, der Erguß eines Momentes, nicht das Pro-
dukt längeren Nachsinnens. So kommt es, daß das dra-
matische Element in ihnen vorwaltet, nicht das epische.
Die Bilder, in denen Lessing nicht seine selbstgewählten
Lieblingsstoffe behandeln konnte, sind die schwächeren, so
seine Schlachten- und Reiterbilder. Zur Historienmalerei
angeregt und ermuthigt wurde Lessing durch Schadow,
der ihn zu Ausführung von Fresken im Schlosse Heltorf
vorschlng. Jndeß nicht einmal zur Ausführung der aus
wenig Figuren bestehenden Schlacht von Jkonium reichte
ihm die Geduld aus. Plüd bemann mußte nach einer
Oelskizze das Bild, das dadurch ziemlich dunkel geworden
sein soll, ausführen. Eines der gediegensten Werke ist
„die Gefangennehmung des Pabstes Paschalis". Weniger
bedeutend ist „Ezzelino", der, in Fesseln geworfen, durch
seinen Blick die Mönche erschreckt, die ihm ihre Gnaden-
mitteln darbieten. „Heinrich V.", dem der Einlaß in ein
Kloster verweigert wird, ist mir ganz unbekannt. Bon
den Hussitenbildern war das erste (1836 etwa gemalt) „die
Hussitenpredigt", mit der er der romantischen Richtung
Lebewohl sagte. Das Bild ergreift. Besser, in der Cha-
rakteristik geradezu unübertrefflich, ist „Huß im Verhör".
Weniger genial ist „sein Gang nach dem Scheiterhaufen".
Die Lutherbilder, von denen „Luther, die Bannbulle
verbrennend", sehr schlicht gehalten ist, sind in Deutsch-
land bis jetzt wenig bekannt geworden. Die Zeichnung
ist in allen Bildern energisch, die Charakteristik scharf, die
Auffassung und Ausführung, da Nebenpersonen von ihm
möglichst gemieden werden, klar und verständlich. In der
Farbe kann man L es sing nicht gerade schön nennen; aber
Originalität und Feinheit wird man ihr nicht äbsprechen kön-
nen. Ungeheuerist der Schatz seiner Zeichnungen, die Wilhelm
Müller, der das Glück hatte, sie in des Künstlers Map-
pen studiren zu dürfen, zum ersten Mal nach Verdienst
gewürdigt beschrieben und charakterisirt hat. Noch jetzt ist
der wenig über 50 Jahre alte Künstler, der weder Italien,
Frankreich, ja nicht einmal die größeren Städte seines
Vaterlandes gesehen hat, unablässig thätig.
Da ich hier nach der persönlichen und künstlerischen
Bedeutung, nicht chronologisch, zu verfahren habe, gebührt
der zweite Platz unter den Düsseldorfer Persönlichkeiten
einer jüngeren, leider durch Geisteskrankheit längst geknick-
ten, Kraft, Alfred Rethel (geb. z. Aachen 1816 f 1859).
„Unstreitig eines der hervorragendsten Genies unter den
Historienmalern", nennt ihn R. Wiegmann, und ich kann
nach den Zeichnungen und Entwürfen, die ich zu Gesicht
bekommen habe, ihm nur beistimmen, wenn er fortfährt:
„An Originalität und Kühnheit der Auffassung, an reicher
Fülle und Größe der Ideen, wie an Klarheit und hin-
reißender Gewalt der Darstellung übertrifft ihn Keiner".
Von dem lyrischen, den Düsseldorfern ursprünglich eignen
Zuge ist keine Spur in ihm zu finden. Energisch sind
seine Linie», trotzig seine Gestalten, charaktervoll sein Aus-
druck. Starr, leider auch bis zur Ungerechtigkeit miß-
trauisch, war auch seine Persönlichkeit. Wegen angeblicher
Zurücksetzung seitens der Rheinländer verließ er Düsseldorf
und schloß sich an Veit in Frankfurt an. Von hier an er-
scheint seine Formengebung etwas zu alterthümlich und
gesucht. Seine Farbe soll nicht gut sein. Sie wird sogar
als stumpf und kalt bezeichnet; auch des Fresko war er
zu wenig Herr. Seine früheren Werke sollen Form und
Farbe anmuthiger sein, als seine späteren. So „Daniel
in der Löwengrube" im Städel'schen Institut, „der h. Bo-
nifacius" „die Manteltheilung des h. Martin" und „die
Auffindung der Leiche Gustav Adolfs". Berühmt wurde
Rethel erst durch seine vom Kunstverein für Rheinland
und Westphalen bestellten Fresken aus der Geschichte Karl
des Großen für den Rathhaussaal in Aachen, deren Aus-
führung 1852 vollendet wurde. Besonders war es „die
Eröffnung der Gruft Karl des Großen", die durch ihre
großartige Auffaffung, schöne Gruppirung und Klarheit
Aufsehen erregte. Dasselbe gilt von seinen Portraits für
den Kaisersaal. Besonders hervorheben muß ich noch sei-
nen, 1848 in Holzschnitten von H. Bürkner erschienenen
Todtentanz, durch den er in den Jahren des Sturmes
zur Ruhe mahnen wollte. Einige abstoßende Allegorien
ausgenommen ist das Werk ergreifend. In Rom entwarf
Rethel Zeichnungen zu „Hannibals Alpenzug." Wie in
der Ausführung und Auffassung weicht Rethel auch in
der Wahl der Gegenstände von der älteren Düsseldorfer
Richtung ab. Von ihn: gilt in keiner Weise, was ich an
den Historikern im Allgemeinen ausgesetzt habe. Man be-
absichtigt augenblicklich alle seine historischen Kompositionen
in photographischen Nachbildungen zu publiciren, ein Unter-
nehmen, das um so wünschenswerther ist, als Rethel
mehr Zeichner als Maler war.
Eine Zeit lang folgte Jos. Fay (geb. 1813 zu Köln)
Rethel's Richtung. In der Farbe übertraf er ihn sogar.
Fresken von ihm, die Lebensweise und Sitten unsrer Vor-
fahren darstellend, in Friesform, befinden sich im Rathhause
zu Elberfeld. Im Gegensatz zu Rethel sind seine For-
die vollständigen Genrebilder hervorgehen, die einst alle
Welt entzückten. Kühnheit und Genialität zeichnet auch
diese, unter denen „der Räuber mit dem schlafenden Kna-
ben" wohl das gelungenste ist, aus- Weit bekannt wurde
auch „sein im Walde beichtender und büßender Räuber".
In die zweite Periode seiner Thätigkeit fallen neben die-
sen Gebilden noch die lyrisch-romantische Bilder, die der
Anstoß zu unzähligen, größtentheils sehr unbedeutenden
Nachahmungen wurden. Deutsch blieb Lessing im Ge-
gensatz zu seinen Mitstrebenden auch hier, und als er fühlte,
daß es Zeit sei diese bedenkliche Richtung zu verlassen, gab
er sie ohne Weiteres auf. Wem wäre übrigens sein „trauern-
des Königspaar", das nebenbei bemerkt nicht durch Uh-
land angeregt ist, wie gewöhnlich angenommen wird, un-
bekannt geblieben! Weniger gelungen ist seine „Leonore"
nach Bürger's Ballade.
Als Geschichtsmaler beschäftigten Lessing vorzugsweise
die geistigen Kämpfe der Menscken. Wie ein gewisser
Zwiespalt der Natur aus seinen Landschaften hervorleuchtet,
die uns das Gähren der Schöpfungselemente ahnen lassen,
so sind die Streitigkeiten zwischen Staat und Kirche, die
Hussitenkämpfe und andere Hauptmomente der Reformation,
sowie die mittelalterlichen Streitigkeiten zwischen Pabst und
Kaiser die Lieblingsvorwürfe seiner Schöpferkraft. SeineGe
schichtsbilder haben nichts Symbolisches, Allegorisches, sie
bilden keine Cyklen, wie die Münchner Malereien, sondern jedes
steht auch bei verwandten Stoffen für sich allein und ist,
man fühlt es, der Erguß eines Momentes, nicht das Pro-
dukt längeren Nachsinnens. So kommt es, daß das dra-
matische Element in ihnen vorwaltet, nicht das epische.
Die Bilder, in denen Lessing nicht seine selbstgewählten
Lieblingsstoffe behandeln konnte, sind die schwächeren, so
seine Schlachten- und Reiterbilder. Zur Historienmalerei
angeregt und ermuthigt wurde Lessing durch Schadow,
der ihn zu Ausführung von Fresken im Schlosse Heltorf
vorschlng. Jndeß nicht einmal zur Ausführung der aus
wenig Figuren bestehenden Schlacht von Jkonium reichte
ihm die Geduld aus. Plüd bemann mußte nach einer
Oelskizze das Bild, das dadurch ziemlich dunkel geworden
sein soll, ausführen. Eines der gediegensten Werke ist
„die Gefangennehmung des Pabstes Paschalis". Weniger
bedeutend ist „Ezzelino", der, in Fesseln geworfen, durch
seinen Blick die Mönche erschreckt, die ihm ihre Gnaden-
mitteln darbieten. „Heinrich V.", dem der Einlaß in ein
Kloster verweigert wird, ist mir ganz unbekannt. Bon
den Hussitenbildern war das erste (1836 etwa gemalt) „die
Hussitenpredigt", mit der er der romantischen Richtung
Lebewohl sagte. Das Bild ergreift. Besser, in der Cha-
rakteristik geradezu unübertrefflich, ist „Huß im Verhör".
Weniger genial ist „sein Gang nach dem Scheiterhaufen".
Die Lutherbilder, von denen „Luther, die Bannbulle
verbrennend", sehr schlicht gehalten ist, sind in Deutsch-
land bis jetzt wenig bekannt geworden. Die Zeichnung
ist in allen Bildern energisch, die Charakteristik scharf, die
Auffassung und Ausführung, da Nebenpersonen von ihm
möglichst gemieden werden, klar und verständlich. In der
Farbe kann man L es sing nicht gerade schön nennen; aber
Originalität und Feinheit wird man ihr nicht äbsprechen kön-
nen. Ungeheuerist der Schatz seiner Zeichnungen, die Wilhelm
Müller, der das Glück hatte, sie in des Künstlers Map-
pen studiren zu dürfen, zum ersten Mal nach Verdienst
gewürdigt beschrieben und charakterisirt hat. Noch jetzt ist
der wenig über 50 Jahre alte Künstler, der weder Italien,
Frankreich, ja nicht einmal die größeren Städte seines
Vaterlandes gesehen hat, unablässig thätig.
Da ich hier nach der persönlichen und künstlerischen
Bedeutung, nicht chronologisch, zu verfahren habe, gebührt
der zweite Platz unter den Düsseldorfer Persönlichkeiten
einer jüngeren, leider durch Geisteskrankheit längst geknick-
ten, Kraft, Alfred Rethel (geb. z. Aachen 1816 f 1859).
„Unstreitig eines der hervorragendsten Genies unter den
Historienmalern", nennt ihn R. Wiegmann, und ich kann
nach den Zeichnungen und Entwürfen, die ich zu Gesicht
bekommen habe, ihm nur beistimmen, wenn er fortfährt:
„An Originalität und Kühnheit der Auffassung, an reicher
Fülle und Größe der Ideen, wie an Klarheit und hin-
reißender Gewalt der Darstellung übertrifft ihn Keiner".
Von dem lyrischen, den Düsseldorfern ursprünglich eignen
Zuge ist keine Spur in ihm zu finden. Energisch sind
seine Linie», trotzig seine Gestalten, charaktervoll sein Aus-
druck. Starr, leider auch bis zur Ungerechtigkeit miß-
trauisch, war auch seine Persönlichkeit. Wegen angeblicher
Zurücksetzung seitens der Rheinländer verließ er Düsseldorf
und schloß sich an Veit in Frankfurt an. Von hier an er-
scheint seine Formengebung etwas zu alterthümlich und
gesucht. Seine Farbe soll nicht gut sein. Sie wird sogar
als stumpf und kalt bezeichnet; auch des Fresko war er
zu wenig Herr. Seine früheren Werke sollen Form und
Farbe anmuthiger sein, als seine späteren. So „Daniel
in der Löwengrube" im Städel'schen Institut, „der h. Bo-
nifacius" „die Manteltheilung des h. Martin" und „die
Auffindung der Leiche Gustav Adolfs". Berühmt wurde
Rethel erst durch seine vom Kunstverein für Rheinland
und Westphalen bestellten Fresken aus der Geschichte Karl
des Großen für den Rathhaussaal in Aachen, deren Aus-
führung 1852 vollendet wurde. Besonders war es „die
Eröffnung der Gruft Karl des Großen", die durch ihre
großartige Auffaffung, schöne Gruppirung und Klarheit
Aufsehen erregte. Dasselbe gilt von seinen Portraits für
den Kaisersaal. Besonders hervorheben muß ich noch sei-
nen, 1848 in Holzschnitten von H. Bürkner erschienenen
Todtentanz, durch den er in den Jahren des Sturmes
zur Ruhe mahnen wollte. Einige abstoßende Allegorien
ausgenommen ist das Werk ergreifend. In Rom entwarf
Rethel Zeichnungen zu „Hannibals Alpenzug." Wie in
der Ausführung und Auffassung weicht Rethel auch in
der Wahl der Gegenstände von der älteren Düsseldorfer
Richtung ab. Von ihn: gilt in keiner Weise, was ich an
den Historikern im Allgemeinen ausgesetzt habe. Man be-
absichtigt augenblicklich alle seine historischen Kompositionen
in photographischen Nachbildungen zu publiciren, ein Unter-
nehmen, das um so wünschenswerther ist, als Rethel
mehr Zeichner als Maler war.
Eine Zeit lang folgte Jos. Fay (geb. 1813 zu Köln)
Rethel's Richtung. In der Farbe übertraf er ihn sogar.
Fresken von ihm, die Lebensweise und Sitten unsrer Vor-
fahren darstellend, in Friesform, befinden sich im Rathhause
zu Elberfeld. Im Gegensatz zu Rethel sind seine For-