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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 6.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.13515#0108

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92

Eindrücke empfangen hat- Augenblicklich ist er nach Gotha
übergestedelt. Durch seine Zeichnung und sein Kolorit
machte er schon in Düsseldorf Aufsehen. Italien, Norwe-
gen, Dalmatien, Griechenland, Jütland und Deutschland
haben ihm Stoff zu seinen allzusehr bewunderten Bildern
geboten, deren ich allerdings nur wenige aus eigner An-
schauung kenne.

Als Leiter der Stilisten Düsseldorfs ist Joh. Wilhelm
Schirmer (geb. 1807 in Jülich), der mit dem ebenfalls
außerordentlich gediegenen Landschafter Friedrich Wilh.
Schirmer in Berlin (geb. daselbst 1804) nicht zu ver-
wechseln ist, zu bezeichnen. Ruhige Ueberlegung hat den
Künstler, der eine Zeit lang Stimmungsmaler war, in
seine jetzige Richtung Hineingetrieben. Ein gewisser düsterer
Ernst ist ihm aus jener Jugendperiode übrig geblieben.
Der strebsame, derbe und thatkräftige Künstler scheint von
Haus aus weniger Schwungkraft als Feuereifer für seine
Kunst mitgebracht zu haben. Etwas Kühles und Ueber-
legtes weht uns aus jeder seiner Kompositionen an. Die
Masse der Studien, die Schirmer in allen Weltgegenden
gesammelt hat, soll ungeheuer sein. Da der Künstler Alles,
was er erlangt hat, durch mühevolles Studium erreichte,
so hat ihn Müller treffend als den „Naturforscher land-
schaftlicher Darstellungen" bezeichnet. Was ihm in Folge
dessen abgeht, wie allen ähnlich angelegten Naturen, ist
Naivetät. Schirmer kann nur ernst oder heroisch sein.
Des Künstlers Entwicklung war eine langsame, aber ge-
diegene. Jede seiner späteren Leistungen hat die vorher-
gehende um ein Bedeutendes übertroffen. Bei seinen
späteren Arbeiten läßt sich kaum mehr mit Bestimmtheit
angeben, wo wir uns befinden. So weit ist er in seinem
Idealismus gekommen, daß er schließlich eine nur ihm
eigene Natur geschaffen hat. Das Hauptverdienst seiner
Arbeiten ist daher die Komposition. Kein Meister der
Gegenwart kann sich darin mit ihm messen. Poussin und
Claude Lorraiu kann er in dieser Hinsicht zur Seite ge-
setzt werden. So kommt es denn, daß seine Zeichnungen,
besonders seine zart abgetönten Kohlenzeichnungen, günsti-
gen wirken als seine farbigen Bilder, obwohl seine Farbe
markig, ernst, harmonisch und reich abgestuft ist. Der
Realismus der Farbe bringt aber, gegen den Idealismus
der Zeichnung gehalten, wenn nicht im Bilde, doch in dem
Betrachtenden einen unlösbaren Zwiespalt hervor. Schir-
mer's Auffassung der Natur ist eine durchweg großartige.
Eine große Mannigfaltigkeit ist jedem einzelnen seiner
Bilder, sowie allen zusammen gemein. Der Laub- und
Baumformen ist Schirmer wie kein andrer Herr. Was
die Technik anbelangt, so steht ihm so ziemlich jegliche zu
Gebote: er ist Oelmaler, Aquarellist, Kohlenzeichner, Ra-
direr. Diese Eigenschaften befähigen ihn vor Allem zum
Leiter einer akademischen Anstalt, als welchen man ihn
1854 nach Karlsruhe berief. Zuerst lieferte Schirmer die
einfachen Landschaften seiner Heimath, des Niederrheines,
dann ergab er sich der romantischen Stimmungsmalerei.
Bon ihr wandte er sich den ernstlichsten Naturstudien, am
Rhein, der Eifel, im Hundsrück, an den Kalksteinufern
der Normandie, in den Alpen und Italien zu. Auch diese
Leistungen schienen jedoch ihm selbst ebenso wenig genügt
zu haben wie dem Publikum, und so entstand aus diesen

Studien und dem Studium der französischen Landschaften
des 17. Jahrhunderts die stilistische Landschaft, als deren
höchste Leistungen seine „biblischen Landschaften" anzusehen
sind.

Von den jüngeren Kräften scheinen Aug. Kessler aus
Thorn, Adolph Hönnighaus aus Crefeld, Heinrich
Ludwig aus Marburg sich der stilistischen Landschaft zu-
zuwenden.

Ich hätte somit den Kreis der Düsseldorfer Künstler
und der Kunstentwicklung in Düsseldorf), so weit sich der-
selbe bis jetzt schon übersehen läßt, durchlaufen. Der auf-
merksame Leser wird sich überzeugt haben, daß die Ver-
schiedenheit der geistigen Richtung und in Folge dessen
die Verschiedenheit in der Wahl der Stoffe, der Auffas-
sung und Ausführung, welche anfänglich die Münchener
Idealisten von den Düsseldorfer Realisten trennte, von
Jahr zu Jahr zu schwinden begann. Eine wohlthätige
Vereinigung hat sich bereits bei einzelnen Künstlern voll-
zogen. Düsseldorf konnte sich München und umgekehrt
München Düsseldorf nicht ganz verschließen. Das eine
ist mehr die künstlerische Pflanzstätte des Südens, das
andere die des Nordens geworden und geblieben. Wie
aber die Gebildeten in Süden und Norden täglich ein-
ander mehr und mehr annähern und trotz der Verschie-
denheit der Grundanschauungen sich brüderlich die Hände
reichen zur Erlangung des einen großen Zieles der Zu-
kunft, der Einigung Deutschlands, so denke ich, können
auch die Künstler dein Drange der Zeit nicht länger
Widerstand leisten. Der Süden wird den Realismus des
Nordens, der nicht bloß aus den Produkten der Düssel-
dorfer Malerschule sondern ebenso klar aus den Erzeug-
nissen der Kölner Bauhütte wie aus den Portraitstatuen
Berlins hervorleuchtet und selbst in des idealen Schinkels
feiner Detailbildung sich wiederspiegelt, anerkennen müssen.

Wie wir das Analogon zu den Düsseldorfer Kunstbe-
strebungen im Gebiete der Architektur in der Bauhütte
von Köln fanden, so glauben wir auf dem Gebiete der
Skulptur Berlin als den Haupt- und Vorort bezeichnen
zu dürfen. Unter der Regierung Königs Friedrich Wil-
helm III. erfreute sich die Skulptur einer besonder» Vor-
sorge. Dankbarkeit bewog ihn, den Helden der Freiheits-
kriege Denkmäler errichten zu lassen. Eine gediegene
Vorschule war außerdem durch des alten Gottfr. Scha-
dow Thätigkeit vorhanden. So kommt es, daß Berlin
vorzugsweise die Stadt der Skulptur geworden ist. Nach
schlichter Naturtreue und ausdruckvoller Charakteristik hat
man zunächst gestrebt. Bald verfeinerte man die letztere
bis zu dem möglichst höchsten Grude und verband damit
eine bis dahin ganz unbekannte Feinheit der Jndividuali-
sirung. Die Berliner Skulptur hat das Portrait zu einer
Zeit entwickelt, wo es der Malerei noch kaum gelungen
war, etwas Nennenswerthes in diesem Gebiete zu leisten.
Ungefähr fällen übrigens diese Erfolge mit den gleichartigen
Bestrebungen der Malerei in Düsseldorf zusammen. Wie
Dannecker, Canova, Thorwaldson zu den Leistungen der
römischen Schule, so verhalten sich die Portraitstatuen
Berlins etwa zu den Düsseldorfer Malereien. Wie immer
ist auch in den jüngsten Tagen wieder die Skulptur der
Malerei vorangeeilt. Eine gediegene Technik, eine feine
 
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