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angemessen? Fühlte sich die Akademie nicht gedrungen,
diesen Akt königlicher Gnade dadurch in seiner wahren
Bedeutung an's Licht zu stellen, daß sie selbst die Galerie
in feierlicher Weise inaugurirte: so hätte sie den Herrn
Kultusminister darum angehen können, dies in ofsicieller
Weise durch eine Eröffnungsrede im Namen Sr. Majestät
des Königs zu thun.
Man klagt soviel über die Theilnahmlosigkeit des Pu-
blikums an der Kunst und deren Interessen: aber warum
denn grade die Gelegenheit, wodurch das Publikum zur
Theilnahme herangezogen werden konnte, wodurch man
im Volke das Bewußtsein, wachrufen konnte, daß es der
Triumph seiner Kunst ist, daß seine Künstler es sind,
die hier feiern und gefeiert werden — versäumen?
Ihr, die ihr die Technik der Franzosen so verehrt, ihr
thätet besser, den Franzosen den nationalen Geist und den
Feuereifer, mit dem sie solche Sachen betreiben, abzuler-
nen. — Wie klein, wie eng, wie mesquin (würden die
Franzosen sagen) war nicht Alles! Mag es sein, daß die
Engheit und Ungemüthlichkeit des Lokals viel dazu beiträgt.
Aber hat man nicht lange genug schon über die Unbrauch-
barkeit des Lokals geklagt, ohne daß es besser geworden?
Die Akademie bedarf einer großen Aula, geschmückt etwa
mit Fresken, mit Bildsäulen oder Portraits der großen
Künstler, wie man das selbst in der Aula der Universität
findet. Aber auch ohne diese Aula -hätte der Uhrsaal mit
dem daran stoßenden langen Saal Raum genug zu einer
festlichen Feier im größeren Maaßstabe gegeben. Die kahlen,
grauen Wände hätten mit Drapperien verdeckt, an der
schmalen Rückwand eine Empore für die Redner erbaut
werden müssen. So wenig wir es dem Herrn Kultus-
minister verargen können, daß er bei dem kläglichen Aus-
sehen der akademischen Lokalitäten sich nicht dazu herbei-
ließ, einige Worte der feierlichen Inauguration, wie es der
Würde des Tages angemessen gewesen wäre, zu sprechen,
so fest sind wir davon überzeugt, daß er diese Aufgabe
mit Vergnügen-übernommen, wenn die Akademie ihm in
dieser Beziehung ihren Wunsch ausgesprochen und einigen
guten Willen gezeigt hätte, die äußerlichen Bedingungen .
eines solchen Festaktes zu erfüllen. Eine solche Weihe-
rede des Kultusministers an die Vertreter der
Kunst und das Publikum zur Eröffnung der Galerie,
eine entsprechende Entgegnung des Akademiedirek-
tors als Vertreters der Kunstbestrebungen des
Staats, dazu eine feierliche Musikaufführung in
ernster, großartiger Weise — das würde angeregt,
begeistert, würde Viele zum Verständniß dessen geführt
haben, was die Kunst in einem Staate überhaupt be-
sagen und bedeuten soll, und was im vorliegenden Falle
aus einer so bedeutenden Schenkung, als Fundament der
preußischen Nationalgalerie, sich entwickeln könnte und
müßte, wenn Künstler und Kunstfreunde beiderseits ihre
Aufgabe im richtigen Lichte betrachten.
Diesen durchaus nicht außerhalb der Grenzen des Mög-
lichen liegenden Wünschen gegenüber — wie war Alles
kleinlich, trocken, pedantisch und kalt, wie gewöhnlich! War
es doch nicht einmal vorher irgendwo angezeigt, daß die
Galerie an dem Tage eröffnet werden würde, so daß das
große Publikum nichts davon wußte. Um 12 Uhr Mittags
ohne Sang und Klang fand dieses Ereigniß statt, all-
mählig fanden sich Zuschauer ein, die es von denen ge-
hört hatten, welche bei dem Redeakte zugegen gewesen
waren.--
Und was diesen letzteren betrifft, so können wir nicht
umhin, zu bemerken, daß selbst die gründlich dnrchgear-
beitete und vorzüglich stilisirten Rede des Sekretairs nicht
zu einem so bedeutenden Tage paßte. Zwar sprach er
sich ebenfalls, im Gegensatz zu dem jetzigen realistischen
Treiben der Kunstwelt, über die Nothwendigkeit poetischer
Veredlung und Vertiefung aus; aber die prosaische Reali-
tät, die ihn selbst in dem Augenblicke umgab, stand dazu
in einem traurigen Widerspruch. In diesem „Tempel der
der Kunst" konnten sich die Zuhörer schwerlich poetisch
angeregt fühlen. Aber wenn die Akademie auch das groß-
artigste Lokal besäße, wenn sie in dieser Beziehung ein
wahrer „Tempel der Kunst" wäre, wo wäre der Hohepriester,
der in ihm dem Kultus der Schönheit auf wahrhaft künstleri-
sche Weise Vorstände? — Möchten wir in dieser Beziehung
vor einem Mißgriff bewahrt bleiben, der die fröhlich auf-
keimende Hoffnung auf eine bessere Zukunft leicht wieder
Niederschlagen könnte. Doch, dies ist ein Punkt, der einer
besonderen Erörterung bedarf, welche wir uns Vorbehalten.
R.
Korrespondenzen.
H Wien, 24. März. (Ausstellung des Oester-
reickischen Kunstvereins). Die Märzausstellung brachte
uns die in Ihrem Blatte schon mehrmals*) besprochene „Lady
Macbeth" von S chr ad er. Auch hier ist man der Ansicht, daß
darin die routinirte Technik viel mehr als die gedankliche
Komposition anzuerkennen ist; ja es will uns bedünken, als
ob sie durch Ihre eingehende und gehaltvolle Kritik dein
Bilde fast zu viel Ehre erwiesen haben.**) — Einen eigen-
thümlichen Gegensatz dazu bildet Knau s' „goldene Hochzeit",
ein Bild, das durch seinen Reichthum an charaktervollen Fi-
guren und durch deren überaus schöne Gruppirung entzückend
ist. Das Bild, welches erst seit der zweiten Hälfte des
März ausgestellt ist, lockt zahlreiche Besucher in die Aus-
*) ? D. R.
**) Bitte recht sehr! Sie würden sich wundern) wie andere
Leute darüber denken und besonders in welcher Weise sie ihre
Gedanken ausgesprochen haben. Anm. D. R.
stellungsräume. Zu gleicher Zeit wurde ein Kupferstich
nach demselben Bilde von Girardct ausgestellt, an dem
wir — abgesehen von der gewandten Technik — keine er-
hebliche Eigenschaft-des Originals wiederfinden. Die Ge-
sammtwirkung hätte doch ein wenig Aufmerksamkeit ver-
dient! — Canon's „Liebesantrag" läßt uns bei all' seiner
schönen Mache kalt. Das Streben, nicht alltäglich zu wer-
den, scheint den Künstler zu seinem Nachtheile allzusehr
in's entgegengesetzte Extrem getrieben zu haben. — Oeco-
nomo's „Blumenmädchen" ist dagegen eine aus dem Leben
gegriffene, frische Erscheinung, der nur ein kleiner Bei-
geschmack von Liebhabcrarbeit anhaftet. -— Sehr gelungene
Bildnisse sind die von Ernest Lafite und Gustav Gaul;
das Portrait des Ersteren dürfte unbedingt als eines der ge-
lungensten dieses geschätzten Künstlers bezeichnet werden. —
In Biard's „auf der Ottomane" hingestreckten Dame
aux Camelias — wenn wir uns in der Raye nicht irren
angemessen? Fühlte sich die Akademie nicht gedrungen,
diesen Akt königlicher Gnade dadurch in seiner wahren
Bedeutung an's Licht zu stellen, daß sie selbst die Galerie
in feierlicher Weise inaugurirte: so hätte sie den Herrn
Kultusminister darum angehen können, dies in ofsicieller
Weise durch eine Eröffnungsrede im Namen Sr. Majestät
des Königs zu thun.
Man klagt soviel über die Theilnahmlosigkeit des Pu-
blikums an der Kunst und deren Interessen: aber warum
denn grade die Gelegenheit, wodurch das Publikum zur
Theilnahme herangezogen werden konnte, wodurch man
im Volke das Bewußtsein, wachrufen konnte, daß es der
Triumph seiner Kunst ist, daß seine Künstler es sind,
die hier feiern und gefeiert werden — versäumen?
Ihr, die ihr die Technik der Franzosen so verehrt, ihr
thätet besser, den Franzosen den nationalen Geist und den
Feuereifer, mit dem sie solche Sachen betreiben, abzuler-
nen. — Wie klein, wie eng, wie mesquin (würden die
Franzosen sagen) war nicht Alles! Mag es sein, daß die
Engheit und Ungemüthlichkeit des Lokals viel dazu beiträgt.
Aber hat man nicht lange genug schon über die Unbrauch-
barkeit des Lokals geklagt, ohne daß es besser geworden?
Die Akademie bedarf einer großen Aula, geschmückt etwa
mit Fresken, mit Bildsäulen oder Portraits der großen
Künstler, wie man das selbst in der Aula der Universität
findet. Aber auch ohne diese Aula -hätte der Uhrsaal mit
dem daran stoßenden langen Saal Raum genug zu einer
festlichen Feier im größeren Maaßstabe gegeben. Die kahlen,
grauen Wände hätten mit Drapperien verdeckt, an der
schmalen Rückwand eine Empore für die Redner erbaut
werden müssen. So wenig wir es dem Herrn Kultus-
minister verargen können, daß er bei dem kläglichen Aus-
sehen der akademischen Lokalitäten sich nicht dazu herbei-
ließ, einige Worte der feierlichen Inauguration, wie es der
Würde des Tages angemessen gewesen wäre, zu sprechen,
so fest sind wir davon überzeugt, daß er diese Aufgabe
mit Vergnügen-übernommen, wenn die Akademie ihm in
dieser Beziehung ihren Wunsch ausgesprochen und einigen
guten Willen gezeigt hätte, die äußerlichen Bedingungen .
eines solchen Festaktes zu erfüllen. Eine solche Weihe-
rede des Kultusministers an die Vertreter der
Kunst und das Publikum zur Eröffnung der Galerie,
eine entsprechende Entgegnung des Akademiedirek-
tors als Vertreters der Kunstbestrebungen des
Staats, dazu eine feierliche Musikaufführung in
ernster, großartiger Weise — das würde angeregt,
begeistert, würde Viele zum Verständniß dessen geführt
haben, was die Kunst in einem Staate überhaupt be-
sagen und bedeuten soll, und was im vorliegenden Falle
aus einer so bedeutenden Schenkung, als Fundament der
preußischen Nationalgalerie, sich entwickeln könnte und
müßte, wenn Künstler und Kunstfreunde beiderseits ihre
Aufgabe im richtigen Lichte betrachten.
Diesen durchaus nicht außerhalb der Grenzen des Mög-
lichen liegenden Wünschen gegenüber — wie war Alles
kleinlich, trocken, pedantisch und kalt, wie gewöhnlich! War
es doch nicht einmal vorher irgendwo angezeigt, daß die
Galerie an dem Tage eröffnet werden würde, so daß das
große Publikum nichts davon wußte. Um 12 Uhr Mittags
ohne Sang und Klang fand dieses Ereigniß statt, all-
mählig fanden sich Zuschauer ein, die es von denen ge-
hört hatten, welche bei dem Redeakte zugegen gewesen
waren.--
Und was diesen letzteren betrifft, so können wir nicht
umhin, zu bemerken, daß selbst die gründlich dnrchgear-
beitete und vorzüglich stilisirten Rede des Sekretairs nicht
zu einem so bedeutenden Tage paßte. Zwar sprach er
sich ebenfalls, im Gegensatz zu dem jetzigen realistischen
Treiben der Kunstwelt, über die Nothwendigkeit poetischer
Veredlung und Vertiefung aus; aber die prosaische Reali-
tät, die ihn selbst in dem Augenblicke umgab, stand dazu
in einem traurigen Widerspruch. In diesem „Tempel der
der Kunst" konnten sich die Zuhörer schwerlich poetisch
angeregt fühlen. Aber wenn die Akademie auch das groß-
artigste Lokal besäße, wenn sie in dieser Beziehung ein
wahrer „Tempel der Kunst" wäre, wo wäre der Hohepriester,
der in ihm dem Kultus der Schönheit auf wahrhaft künstleri-
sche Weise Vorstände? — Möchten wir in dieser Beziehung
vor einem Mißgriff bewahrt bleiben, der die fröhlich auf-
keimende Hoffnung auf eine bessere Zukunft leicht wieder
Niederschlagen könnte. Doch, dies ist ein Punkt, der einer
besonderen Erörterung bedarf, welche wir uns Vorbehalten.
R.
Korrespondenzen.
H Wien, 24. März. (Ausstellung des Oester-
reickischen Kunstvereins). Die Märzausstellung brachte
uns die in Ihrem Blatte schon mehrmals*) besprochene „Lady
Macbeth" von S chr ad er. Auch hier ist man der Ansicht, daß
darin die routinirte Technik viel mehr als die gedankliche
Komposition anzuerkennen ist; ja es will uns bedünken, als
ob sie durch Ihre eingehende und gehaltvolle Kritik dein
Bilde fast zu viel Ehre erwiesen haben.**) — Einen eigen-
thümlichen Gegensatz dazu bildet Knau s' „goldene Hochzeit",
ein Bild, das durch seinen Reichthum an charaktervollen Fi-
guren und durch deren überaus schöne Gruppirung entzückend
ist. Das Bild, welches erst seit der zweiten Hälfte des
März ausgestellt ist, lockt zahlreiche Besucher in die Aus-
*) ? D. R.
**) Bitte recht sehr! Sie würden sich wundern) wie andere
Leute darüber denken und besonders in welcher Weise sie ihre
Gedanken ausgesprochen haben. Anm. D. R.
stellungsräume. Zu gleicher Zeit wurde ein Kupferstich
nach demselben Bilde von Girardct ausgestellt, an dem
wir — abgesehen von der gewandten Technik — keine er-
hebliche Eigenschaft-des Originals wiederfinden. Die Ge-
sammtwirkung hätte doch ein wenig Aufmerksamkeit ver-
dient! — Canon's „Liebesantrag" läßt uns bei all' seiner
schönen Mache kalt. Das Streben, nicht alltäglich zu wer-
den, scheint den Künstler zu seinem Nachtheile allzusehr
in's entgegengesetzte Extrem getrieben zu haben. — Oeco-
nomo's „Blumenmädchen" ist dagegen eine aus dem Leben
gegriffene, frische Erscheinung, der nur ein kleiner Bei-
geschmack von Liebhabcrarbeit anhaftet. -— Sehr gelungene
Bildnisse sind die von Ernest Lafite und Gustav Gaul;
das Portrait des Ersteren dürfte unbedingt als eines der ge-
lungensten dieses geschätzten Künstlers bezeichnet werden. —
In Biard's „auf der Ottomane" hingestreckten Dame
aux Camelias — wenn wir uns in der Raye nicht irren