Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 6.1861

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.13515#0146

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
130

at§ der Vater schrieb, er wolle die Kosten eines Aufent-
halts in Nom und Neapel bestreiten. In Nom lebte da-
mals Heinrich Heß; an ihn ward Neher gewiesen, und
jener nahm sich seiner wacker an. Freilich war Heß mit
den Leistungen Neher's nicht immer zufrieden und sagte
ihm dies auch in seiner kurzen, kräftigen Weise. Als
Portraitmaler hatte Neher auch nicht gar zu viel im
ewigen Rom zu suchen, und Heß führte ihn deshalb zum
Genre. Neher konnte der Versuchung, auch Neapel zu
sehen, um so weniger widerstehen, als er an Personen
empfohlen war, die dem dortigen Hofe nahe standen,
doch war sein Aufenthalt dortselbst nur von kurzer Dauer,
und so saß er denn bald wieder in seinem Studium zu
Rom vor Genrebildern. Da meinte eines Tages Heß,
das Mauerwerk, das Neher da male, tauge unendlich.,
mehr als die Figuren davor, und es wäre wohl am besten,
wenn diese jenem untergeordnet wurden. Sein scharfer
Blick hatte Neher's Begabung erkannt, nicht so aber
konnte sich dieser davon überzeugen, daß er dem Genre zu
entsagen habe. Er glaubte genug zu thnn, wenn er die
Verhältnisse seiner Figuren mehr und mehr verkleinerte
und dafür der architektonischen Umgebung eine größere
Bedeutung einräumte.

Nach einem dreijährigen Aufenthalte in Nom kehrte
er denn wieder nach München zurück und erhielt die eben
erledigte Stelle eines Konservators des dortigen Kunst-
vereins, die er Jahre lang unentgeltlich bekleidet. Das
war aber keineswegs eine Sinekure. Da mußte beispiels-
weise jede Woche dem Könige eine Uebersicht der ausge-
stellten Kunst-Werke überreicht und, weil jeden Tag neue
kommen konnten, oft mehrmals in der Woche abgeändert
werden. Das waren aber nicht einfache Verzeichnisse,
sondern förmliche Risse der Wände mit den Bildern und
deren Bezeichnung, Alles sauber gezeichnet und geschrieben.

Daneben malte Neher immer noch Genre, aber seine
Figuren waren inzwischen kleiner und kleiner geworden,
so daß er schließlich nur eines letzten, gleichfalls von Heß
gegebenen Anstoßes bedurfte, um die Architektur zur Haupt-
sache zu machen.

Um jene Zeit ließ der Kronprinz Maximilian von
Bayern die in Trümmern liegende Burg Hohenschwangau
an der Grenze der bayerischen und schwäbischen Berge
wieder aufbauen, und bald trieb ein Völkchen von Künst-
lern aus aller Herren Länder sein Wesen auf dem sonst
so stillen Burgfelsen. Auch Neher war unter denselben,
zunächst freilich nur im dekorativen Elemente beschäftigt,
aber wie überall anstellig, sorgsam und seinen Platz mit
Ehren ausfüllend. Das zog denn auch bald die Auf-
merksamkeit des hohen Burgherrn auf ihn: er ward beauf-
tragt, große Wandgemälde nach v. Schwind's, Gaßen's
und Schwanthaler's Entwürfen auszuführen, was um
so verdienstlicher war, als manche derselben in ziemlich
kleinen Verhältnissen gehalten waren.

. Ä»l Frühlings des Jahres 1837 hatte Neher seine Ar-
beiten in Hohenschwangau beendet und kehrte wieder nach
München zurück.

Nun erst wendete er sich mit voller Entschiedenheit der
Architektur-Malerei zu und bald hatte sein Name weit
über München hinaus, im In- wie Auslande, einen guten
Klang. Aus einer im Jahre 1855 rheinabwärts und nach
Belgien unternommenen Reise, von welcher er durch Nord-
deutschland über Berlin und Dresden nach Hause zurück-
kehrte, sammelte er sich einen reichen Schatz von Studien
und Motiven, welche er seither in vielgesuchten Bildern
verwerthet.

Es i|t vorwiegend das Element des altdeutschen be-
haglichen Städtelebens, in dessen Darstellung sich Neher
mit ebenso viel Geschick als Glück bewegt. Kein andrer
Künstler weiß uns so in die Gassen und ans die Plätze
alter Reichsstädte zu versetzen, wie er, keiner führt uns
die Pracht alter Dome wie die Aumuth zierlicher Kapellen
mit solcher Wahrheit und mit so feinem Berständniß des
Einzelnen wie des Ganzen vor die Seele. Seine Bilder
sind mehr als Darstellungen von Gebäuden, sie sind ge-
treue Abbilder ächt germanischen Lebens, wie es in Domen
und Palästen, in Gassen und Gäßchen sich bewegte.

In wunderbarer Harmonie damit stehen seine zierlich
gezeichneten Staffagen, mag er sie aus dem Treiben der
Gegenwart oder aus längst verklungenen Zeiten nehmen.
Man glaubt den lustigen Taktschlag zu hören, in dem die
Schlägel der Küfergesellen die Faßdauben bearbeiten, ver-
nimmt das Gewühl des Jahrmarkts, dessen Buden ans
dem großen Platze vor der Kirche lange Reihen bilden,
und stille heimliche Gäßchen mit hohen Giebelhäusern
sprechen uns noch behaglicher an, sehen wir moderne
elegante Damen mit malerischem Federhute und wallenden
Kleidern darin wandeln.

Neher's Zeichnung ist von einer Gewissenhaftigkeit,
wie wir einer solchen nur selten begegnen. Er begnügt
sich nicht damit, den Schein zu geben: was er giebt, ist
unumstößliche Wahrheit. Man muß seine Entwürfe sehen,
welche die ganze architektonische Konstruktion der Gebäude
zeigt, um zu begreifen, wie es kommt, daß man vor seinen
Bildern nie auch das leiseste Bedenken fühlt. Ebenso ge-
wissenhaft ist seine Ausführung, so zierlich sein Vortrag,
so fein und klar seine Farbe, und alles Dies in harmoni-
schem Vereine macht Neher, den bescheidenen, anspruchs-
losen Künstler, nicht blos zum Lieblinge aller Kunstfreunde
sondern auch zu einem der Ersten seines Faches.

Seine Bilder erfreuen sich einer außerordentlichen Ver-
breitung, wir begegnen ihnen in der neuen Pinakothek des
Königs Ludwig, wie in den hervorragenden Sammlungen
Londons, Wiens und Berlins, zu deren schönsten Zierden
sie gereichen.
 
Annotationen