222
der Beiden hat seinen früheren Sinn umgewandelt, er
spricht:
Als Nebenbuhler tret’ ich vor Euch hin,
Und laßt Ihr eifernd Eure Stimmen schallen,
So ruf' auch ich — mein ist er, mein vor Allen!
Muß ich Euch sagen erst, an welchen Stätten
Sein Leben in den tiefsten Wurzeln hing?
Aus welchem Boden er die Kraft gesogen,
Von welcher Luft den Weihekuß empfing?
Casa Bartoldi mag es Euch verkünden!
Die kühnen Bilder, drin er festgehalten
Und neu geschaffen, Dante's Hochgestalten!
Die hohe Schönheit, deren Allgewalt
Aus seinen Werken Euch eutgegenstrahlt —
Ein Abglanz jener Zeit, aus deren Trümmern
Noch Maaß und Schönheit uns herüber schimmern!
Gegenüber den gleichen Ansprüchen Roms einigten sich
Nord- und Süd-Deutschland:
Vereinigt sollen die verschlung'nen Rechten
Des Landes Dank um seine Schläfe flechten.
Der dritte Herold sprach, nachdem alle drei die Hand
an den Kranz gelegt hatten:
So saget an, was sollen diese Blätter
Verkünden auf des Trägers hohem Haupt:
Der Zweite:
Daß er ein Mann ist, fest und ganz und wahr!
Der Dritte:
Ein treuer Künstler, edel immerdar!
Der Erste:
Zum Höchsten strebend wie der Sonne Aar!
Der Zweite:
Daß er ein Schöpfer neuer Zeiten war!
Der Dritte:
Ein Muster für der fernsten Schüler Schaar!
Der Erste:
Für alle Zeit ein Sternbild licht und klar!
(Alle drei halten den Kranz über die Büste des Gefeierten.)
Vergänglich Alles in der Erde Reichen —
Vergänglich auch sind ihres Ruhmes Zeichen,
Sie deuten nur des.Größer» Hoffnung an,
Doch was die arme Erde geben kann
Mit diesem Kranze werd' es ihm zu Theil . . . .
(JhnEckränzenb.)
Cornelius, dem deutschen Meister Heil!
Der treffliche Vortrag von Mendelsohns „An die Künst-
ler" durch den Künstler-Sänger-Verein erhöhte die Stim-
mung der Gäste, und sie stimmte lebhaft in das Hoch ein,
das der baden'sche Hofmaler Herr Ferd. Dietz den hohen
Mäcenaten deutscher Kunst, den Königen Ludwig und
Maximilian von Bayern, ausbrachte. E. Förster sprach
in beredter Weise, die große Bedeutung des Gefeierten
darlegend, worauf der Rektor magnificus unsrer Universität,
Herr Or. Seitz, auf die innige Verbindung von Kunst
Wissenschaft in Deutschland hinwies. Hierauf sprach Cor-
nelius mit lauter kräftiger Stimme, die den Siebziger ver-
gessen machte, Worte herzlichen Dankes für die freundliche
Aufnahme im deutschen Vaterlande und betonte wieder-
holt, wie er Alles, was er sei, dem Künstlerfürsten, Kö-
nige Ludwig, verdanke, worauf er, alten Freunden die
Hand schüttelnd und neue Herzen gewinnend, durch den
gedrängt vollen Saal schritt. Nach dem ersten Bürgermeister,
Herrn von Steinsdorf, der auf die hohe Bedeutung
hinwies, welche Kunst und Gewer.be für die Köuigsstadt
gewonnen, und dem Maler Herrn Teichlein, der sich
über den Idealismus und Realismus in der Kunst ver-
breitete, erregte die Ansprache des als Dichterin hochge-
schätzten Fräulein Emilie von Ningseis die Aufmerk-
samkeit der Anwesenden im höchsten Grade. Manches Auge
wurde feucht, als zarte Frauenhände hierauf den Tisch des
Meisters, der vor Allem ein deutscher Künstler ist, mit
deutschem Eichenlaub bekränzten und ihn huldigend um-
gaben.
Cornelius zog sich erst gegen 11 Uhr zurück, worauf
nach guter'alter Sitte das Fest einen heiterern Charakter
annahm. Die Jüngeren unter der Gesellschaft benutzten
die Bühne zur Vorführung manches lustigen Schwankes,
und Negierungsrath Fentsch erhöhte durch eine Kapu-
zinerpredigt, in der er den Künstlern manche derbe Wahr-
heit sagte, die Laune der Versammelten, die sich erst nach
lange angebrochenem Tage trennten.
Die jüngeren Künstler ließen es sich nicht nehmen, den
Meister des andern Tages nach ihrer Weise zu feiern, und
derselbe erschien denn auch, nachdem er um 4 Uhr von
Sr. Mas. dem Königs Maximilian in besonderer Audienz
war empfangen worden, im freundlich gelegenen Neuhofen,
woselbst seiner eiy ländlich einfaches Fest harrte. Tags
darauf verließ Cornelius, von den Spitzen unsrer Kunst-
welt auf den Bahnhof begleitet, München wieder, woselbst
ihm der Aufenthalt, wie er wiederholt sich aussprach, außer-
ordentlich lieb geworden war. Hanfstängel lieferte ein
ausgezeichnetes photographisches Portrait des gefeierten
Meisters, der in seinem hohen Greisenalter die ganze
geistige Frische der Jugend sich zu erhalten wußte und
dessen scharfes Auge noch von der edlen Begeisterung für
das Schöne leuchtet. Auch seine schöne junge Gattin fühlte
sich hier recht behaglich. Da ich ihrer erwähne, möchte
ich des Umstandes gedenken, daß sie aus dem Hause der
S-anzio von Urbino stammt, und sonach der größte deutsche
Künstler durch einen schönen Zufall in verwandtschaftliche
Verbindung mit jener Familie trat, welcher der unsterb-
liche Raphael angehörte. —
Königsberg, 28. Juni. (Kunstausstellung.)^)
Am 20. März wurde unsere diesjährige Kunstausstellung ge-
schlossen. Der Antheil war, wie ich Ihnen schrieb, ein sehr
großer und blieb es bis zuletzt. In pekuniärer Beziehung
waren die Resultate ausgezeichnet und für unsere Stadt
wahrhaft glänzend zu nennen. Wir wagen es, dies für ein
Zeichen zu nehmen, daß der Sinn für Kunst endlich auch
bei uns erwacht, und hoffen das Beste für die Zukunft.
Nach den Ankäufen zu schließen, fanden die Düsseldorfer
den meisten Beifall, die nächst den Münchnern am zahl-
reichsten unter den ca. 600 Nummern des Katalogs ver-
treten waren; von Belgischen und Wiener Künstlern war
mehr als sonst, von Berlinern verhältnißmäßig wenig ein-
gegangen. Daß im klebrigen die Sympathien sich sehr
zersplitterten, tvird bei der Zerfahrenheit der jetzigen Kunst-
bestrebungen nirgends ausfallen können. Landschaften wur-
den am Ausdauerndsten ausgesucht, wiewohl ausgezeichnete
Werke fast in keinem Fache fehlten. Wir bekennen, daß
die kolossale „Belagerung Antwerpens" von de Biefve,
A. Menzel's „Schlacht bei Hochkirch", O. Heyden's
„Boguslaw," A. Schmitz' „Scene aus den Judenverfol-
gungen zur Zeit des ersten Kreuzzugs," C amphausen's
„Rheinübergang von 1814" bedeutende Werke sind; doch
sand kein Historienbild so allgemeinen Auklang wie L. Ro-
senfelder's „Am Sarge Heinrichs IV., 1106," bereits
in No. 11. erwähnt. C. F. Lessings Bild, das denselben
Gegenstand behandelt, hat hier seine Freunde und verdient
sie wegen der Trefflichkeit der Malerei. Jndeß scheint mir
und vielen Andern das nicht minder trefflich gemalte Werk
von Rosenfelder den Vorzug zu verdienen. Lessing zeigt
bekanntlich den .Sarg auf der Maasinsel ausgesetzt und
von einer prächtigen Decke umhüllt, offenbar um anzudeuten,
daß nicht die dem Kaiser getreue Stadt Lüttich (wo er
starb) der Leiche ein Grab und Grabesehren versagte,
sondern die Kirche. Daß es sich dabei um den im Banne
verstorbenen Kaiser Heinrich IV. handelt, wird freilich
immer der Katalog hinzusetzen müssen. Die herrliche
sonnenhelle Landschaft, der blaue Himmel, der hereinblickt,
geben dann sehr verständlich zu betrachten, wie gering das
Elend gefallener Menschengröße gegen die ruhige Größe
der Natur und ihres Schöpfers ist. Diese Ansprache finde
*
) Verspätet.
D. N.
der Beiden hat seinen früheren Sinn umgewandelt, er
spricht:
Als Nebenbuhler tret’ ich vor Euch hin,
Und laßt Ihr eifernd Eure Stimmen schallen,
So ruf' auch ich — mein ist er, mein vor Allen!
Muß ich Euch sagen erst, an welchen Stätten
Sein Leben in den tiefsten Wurzeln hing?
Aus welchem Boden er die Kraft gesogen,
Von welcher Luft den Weihekuß empfing?
Casa Bartoldi mag es Euch verkünden!
Die kühnen Bilder, drin er festgehalten
Und neu geschaffen, Dante's Hochgestalten!
Die hohe Schönheit, deren Allgewalt
Aus seinen Werken Euch eutgegenstrahlt —
Ein Abglanz jener Zeit, aus deren Trümmern
Noch Maaß und Schönheit uns herüber schimmern!
Gegenüber den gleichen Ansprüchen Roms einigten sich
Nord- und Süd-Deutschland:
Vereinigt sollen die verschlung'nen Rechten
Des Landes Dank um seine Schläfe flechten.
Der dritte Herold sprach, nachdem alle drei die Hand
an den Kranz gelegt hatten:
So saget an, was sollen diese Blätter
Verkünden auf des Trägers hohem Haupt:
Der Zweite:
Daß er ein Mann ist, fest und ganz und wahr!
Der Dritte:
Ein treuer Künstler, edel immerdar!
Der Erste:
Zum Höchsten strebend wie der Sonne Aar!
Der Zweite:
Daß er ein Schöpfer neuer Zeiten war!
Der Dritte:
Ein Muster für der fernsten Schüler Schaar!
Der Erste:
Für alle Zeit ein Sternbild licht und klar!
(Alle drei halten den Kranz über die Büste des Gefeierten.)
Vergänglich Alles in der Erde Reichen —
Vergänglich auch sind ihres Ruhmes Zeichen,
Sie deuten nur des.Größer» Hoffnung an,
Doch was die arme Erde geben kann
Mit diesem Kranze werd' es ihm zu Theil . . . .
(JhnEckränzenb.)
Cornelius, dem deutschen Meister Heil!
Der treffliche Vortrag von Mendelsohns „An die Künst-
ler" durch den Künstler-Sänger-Verein erhöhte die Stim-
mung der Gäste, und sie stimmte lebhaft in das Hoch ein,
das der baden'sche Hofmaler Herr Ferd. Dietz den hohen
Mäcenaten deutscher Kunst, den Königen Ludwig und
Maximilian von Bayern, ausbrachte. E. Förster sprach
in beredter Weise, die große Bedeutung des Gefeierten
darlegend, worauf der Rektor magnificus unsrer Universität,
Herr Or. Seitz, auf die innige Verbindung von Kunst
Wissenschaft in Deutschland hinwies. Hierauf sprach Cor-
nelius mit lauter kräftiger Stimme, die den Siebziger ver-
gessen machte, Worte herzlichen Dankes für die freundliche
Aufnahme im deutschen Vaterlande und betonte wieder-
holt, wie er Alles, was er sei, dem Künstlerfürsten, Kö-
nige Ludwig, verdanke, worauf er, alten Freunden die
Hand schüttelnd und neue Herzen gewinnend, durch den
gedrängt vollen Saal schritt. Nach dem ersten Bürgermeister,
Herrn von Steinsdorf, der auf die hohe Bedeutung
hinwies, welche Kunst und Gewer.be für die Köuigsstadt
gewonnen, und dem Maler Herrn Teichlein, der sich
über den Idealismus und Realismus in der Kunst ver-
breitete, erregte die Ansprache des als Dichterin hochge-
schätzten Fräulein Emilie von Ningseis die Aufmerk-
samkeit der Anwesenden im höchsten Grade. Manches Auge
wurde feucht, als zarte Frauenhände hierauf den Tisch des
Meisters, der vor Allem ein deutscher Künstler ist, mit
deutschem Eichenlaub bekränzten und ihn huldigend um-
gaben.
Cornelius zog sich erst gegen 11 Uhr zurück, worauf
nach guter'alter Sitte das Fest einen heiterern Charakter
annahm. Die Jüngeren unter der Gesellschaft benutzten
die Bühne zur Vorführung manches lustigen Schwankes,
und Negierungsrath Fentsch erhöhte durch eine Kapu-
zinerpredigt, in der er den Künstlern manche derbe Wahr-
heit sagte, die Laune der Versammelten, die sich erst nach
lange angebrochenem Tage trennten.
Die jüngeren Künstler ließen es sich nicht nehmen, den
Meister des andern Tages nach ihrer Weise zu feiern, und
derselbe erschien denn auch, nachdem er um 4 Uhr von
Sr. Mas. dem Königs Maximilian in besonderer Audienz
war empfangen worden, im freundlich gelegenen Neuhofen,
woselbst seiner eiy ländlich einfaches Fest harrte. Tags
darauf verließ Cornelius, von den Spitzen unsrer Kunst-
welt auf den Bahnhof begleitet, München wieder, woselbst
ihm der Aufenthalt, wie er wiederholt sich aussprach, außer-
ordentlich lieb geworden war. Hanfstängel lieferte ein
ausgezeichnetes photographisches Portrait des gefeierten
Meisters, der in seinem hohen Greisenalter die ganze
geistige Frische der Jugend sich zu erhalten wußte und
dessen scharfes Auge noch von der edlen Begeisterung für
das Schöne leuchtet. Auch seine schöne junge Gattin fühlte
sich hier recht behaglich. Da ich ihrer erwähne, möchte
ich des Umstandes gedenken, daß sie aus dem Hause der
S-anzio von Urbino stammt, und sonach der größte deutsche
Künstler durch einen schönen Zufall in verwandtschaftliche
Verbindung mit jener Familie trat, welcher der unsterb-
liche Raphael angehörte. —
Königsberg, 28. Juni. (Kunstausstellung.)^)
Am 20. März wurde unsere diesjährige Kunstausstellung ge-
schlossen. Der Antheil war, wie ich Ihnen schrieb, ein sehr
großer und blieb es bis zuletzt. In pekuniärer Beziehung
waren die Resultate ausgezeichnet und für unsere Stadt
wahrhaft glänzend zu nennen. Wir wagen es, dies für ein
Zeichen zu nehmen, daß der Sinn für Kunst endlich auch
bei uns erwacht, und hoffen das Beste für die Zukunft.
Nach den Ankäufen zu schließen, fanden die Düsseldorfer
den meisten Beifall, die nächst den Münchnern am zahl-
reichsten unter den ca. 600 Nummern des Katalogs ver-
treten waren; von Belgischen und Wiener Künstlern war
mehr als sonst, von Berlinern verhältnißmäßig wenig ein-
gegangen. Daß im klebrigen die Sympathien sich sehr
zersplitterten, tvird bei der Zerfahrenheit der jetzigen Kunst-
bestrebungen nirgends ausfallen können. Landschaften wur-
den am Ausdauerndsten ausgesucht, wiewohl ausgezeichnete
Werke fast in keinem Fache fehlten. Wir bekennen, daß
die kolossale „Belagerung Antwerpens" von de Biefve,
A. Menzel's „Schlacht bei Hochkirch", O. Heyden's
„Boguslaw," A. Schmitz' „Scene aus den Judenverfol-
gungen zur Zeit des ersten Kreuzzugs," C amphausen's
„Rheinübergang von 1814" bedeutende Werke sind; doch
sand kein Historienbild so allgemeinen Auklang wie L. Ro-
senfelder's „Am Sarge Heinrichs IV., 1106," bereits
in No. 11. erwähnt. C. F. Lessings Bild, das denselben
Gegenstand behandelt, hat hier seine Freunde und verdient
sie wegen der Trefflichkeit der Malerei. Jndeß scheint mir
und vielen Andern das nicht minder trefflich gemalte Werk
von Rosenfelder den Vorzug zu verdienen. Lessing zeigt
bekanntlich den .Sarg auf der Maasinsel ausgesetzt und
von einer prächtigen Decke umhüllt, offenbar um anzudeuten,
daß nicht die dem Kaiser getreue Stadt Lüttich (wo er
starb) der Leiche ein Grab und Grabesehren versagte,
sondern die Kirche. Daß es sich dabei um den im Banne
verstorbenen Kaiser Heinrich IV. handelt, wird freilich
immer der Katalog hinzusetzen müssen. Die herrliche
sonnenhelle Landschaft, der blaue Himmel, der hereinblickt,
geben dann sehr verständlich zu betrachten, wie gering das
Elend gefallener Menschengröße gegen die ruhige Größe
der Natur und ihres Schöpfers ist. Diese Ansprache finde
*
) Verspätet.
D. N.