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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 6.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.13515#0298

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282

Orion umgeben im Kreise die äußeren Reliefs. Das Werk
ist von ausgezeichneter Schönheit und im ernsten würdigen
Stile behandelt.

Nach sechs Wochen ununterbrochener Anstrengung waren
die Entwürfe dem Abschlüsse nah, und nun ging Schalter
trotz aller Erschöpfung sofort an das Modelliren. Inner-
halb weiterer sechs Wochen war die „Jungfrau" in Gyps
vollendet. Er hielt sich für gerettet, die Wirkung seines
Werks war eine schlagende, dennoch wies es der Kunst-
verein zurück. Schalter, aller Mittel entblöst, erhielt
die Hiobsbotschaft bei seinem Freunde Schwind. Er
war der Verzweiflung nahe. Des anderen Morgens aber
schwebte ein holdes Bild vor seiner Seele, mit wenig
flüchtigen Zügen entwarf er den Umriß einer in Ohnmacht
sinkenden „Psyche", und als ihn Schwind des Mittags auf-
snchte, konnte er ihm bereits die Thonskizze vorzeigen, die
seinen ganzen Beifall erhielt. Mit dem mit der feinsten
Empfindung durchgebildeten, wunderbar lieblichen Figür-
chen endlich drang Schalter bei der Vereinsbehörde
durch und nahm sofort die Arbeit an den Sternbildern
wieder auf.

Im zweiten Jahre seiner Selbständigkeit erhielt er den
Auftrag, einePortraitbüste der Königin Therese anzufertigen.
Obwohl er die Arbeiten Anderer zu Grunde legen und
nur die letzte Hand nach der Natur anlegen sollte, ward
ihm dennoch die Gnade zu Theil, das Werk ganz nach
dem Leben modelliren zu dürfen. Nach seinen eigenen
Worten wollte er nicht ein Jdealportrait schaffen, sondern
das Wesen in seiner uns sichtbaren Erscheinung in die
Plastik einführen und hielt an dem Grundsätze stets ge-
treulich fest.

So war das Jahr 1833 herangekommen, und Schalter
ward beauftragt, zwei Säle der Pinakothek mit Reliefs
aus dem Leben Johann's van Eyck, Hans Holbein's
und Albrecht Dürer's zu schmücken. Waren auch die
einzelnen Momente gegeben und der Wahl des Künstlers
entrückt, so fühlte er sich doch durch die Anerkennung seines
Werthes einerseits und die Bedeutung des Auftrags andrer-
seits gehoben und arbeitete mit solchem Fleiße an dessen
Ausführung, daß er nicht blos damit, sondern auch mit den
Entwürfen von vier allegorischen Figuren für die Decke
des Schlafgemaches der Königin im Königsbau (Malerei,
Plastik, Architektur und Naturwissenschaft) zu Ende kam
und dafür großes Lob erntete. Schwanthalcr's Schüler
waren unvorbereitet, auf Schaller's Art zu denken und
zu empfinden einzugcheu. Ihre Ausführung der Sch al-
le r'schen Entwürfe war aufs äußerste forcirt und befrie-
digte ihn in keiner Weise. Leider mußte er für die Fehler
Anderer eintreten und ward nur durch des inzwischen aus
Rom heimgekehrten Schwanthaler Worte: „Diese

Reliefs sind mit Shaksspeare'schem Geiste erfunden!"
entschädigt.

Er suchte auf einer Fußreise nach Innsbruck Erholung
für Leib und Seele. Sein erster Gang war, obwohl ein
heftiges Fieber ihn schüttelte, der zum Kaisergrab in der
Franziskaner-Kirche. Hören wir hierüber seine eigenen
Worte: „Eine größere Todtenfeier hat die Plastik nie be-
gangen. Dem Christenthume allein war es Vorbehalten,
sich zu solcher Anschaunngs-, zu solcher Darstellungsweisc

aufzuschwingen. Nur eine deutsche Seele war eines solchen
Gedankens fähig, und nur deutsche Einfachheit nnd Rein-
heit des Gemüthes, nur deutscher Fleiß konnte es zur
Vollendung führen."

Leidend heimgekehrt ging er mehr zur Zerstreuung als
aus Begeisterung an die Arbeit und feierte in der lebens-
großen „Statue der Hygieia" gleichsam das Fest seiner Ge-
nesung. Sie kam in den Besitz des Banquiers Hoftig in
Set. Gallen, der in seinem Garten einen kleinen Tempel
darüber errichten ließ. Ihr folgten eine Anzahl kleinerer
Gruppen und Einzel-Statuen; seine damalige Thätigkeit
fand jedoch ihren Gipfel-Punkt in der vom Könige Lud-
wig (1840) ihm übertragenen Herstellung des „Prometheus"
und des „Phidias" für die Nischen der Glyptothek in
Marmor.

In dieselbe Zeit fällt eine sehr umfassende und figuren-
reiche Komposition, in welcher Schaller die verschiedenen
„olympischen Spiele" behandelte. Er führte in reicher Be-
wegung den Wettkampf im Reiten, im Rennen der Wagen,
im Diskus-Werfen, im Faustkampfe, Ringen nnd Laufe
vor und zeigt die Bekränzung der Sieger sammt Pindar
als den unsterblichen Sänger der Spiele. Der Entwurf
war ursprünglich zur plastischen Ausführung bestimmt, er
gelangte jedoch später durch v. Schwind's Vermittlung
und unter seiner Aufsicht im Akademie-Gebäude zu Karls-
ruhe zur Ausführung mittels Farbe, roth auf braunem
Grunde. Ebendort fanden seine Sternbilder Aufnahme
an der Decke eines Saales.

Direktor Martin Wagner hatte damals eben einen
längeren Aufenthalt in München genommen, um die ver-
einigten Sammlungen zu ordnen. Bald darauf nach Rom
zurückgekehrt, sprach er sich über Schaller's „Prometheus"
und „Phidias", namentlich auch gegen Thorwaldsen, in
der anerkennendsten Weise aus. Als Letzterer nicht lange
nachher in München durchreiste, hatte Schaller das Glück
von dem Meister sreundlichst ausgenommen zu werden. In
einer längeren Unterredung erschloß ihm derselbe seine
große Künstlerseele und sprach mit ebenso großer Offen-
heit wie Klarheit über ihre Kunst. Den günstigsten Ein-
druck auf Thorwaldsen machten die Sternbilder, nnd
beim Abschiede umarmte und küßte er den Kunstgenossen
mit einer Herzlichkeit, deren Gedächtniß einen der höchsten
Glanzpunkte in Schaller's Seelenleben bildet.

Es lag nahe, daß ein Mann von seinem regen Streben
sich an dem Konkurse bezüglich eines „Monumentes des
Kaisers Franz von Oesterreich", das in Wien errichtet
werden sollte, betheiligte. Er überschickte eine Skizze in
Gyps, welche den Kaiser auf dem Throne sitzend und sein
Volk segnend zeigte; am Sockel drückten die Gestalten den
Wahlfprnch des Kaisers aus: bäckss, pax, lex, Justitia
regnorum fimdamentum. In zwei Reliefs führte er die
Huldigung des Nähr-, Lehr- und Wehrstandes aus und
vereinigte alle Provinzen des Reiches an den: Paradebette
des Verlebten. Schaller's Entwurf erhielt unter zwölf
Mitbewerbern den Preis, aber leider ward^ das ganze
Projekt aufgegebeu und der Künstler deshalb angemessen
entschädigt.

Nach Abschluß dieser Arbeit kehrte unser Künstler zu
seinen primitivsten Jngendeindrückcu zurück und fertigte
 
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