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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 6.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.13515#0364

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348

gebaut. Auch tote Nikolaikirche war durch die Länge
der Zeit theils in verfallenen Zustand gerathen, theils
reichte sie für die vermehrte Bevölkerung nicht mehr aus.
Es wurde daher im Anfänge des 13. Jahrhunderts mit
dem Bau einer neuen und größeren Kirche an Stelle der
alten begonnen, und dieselbe sicheren Nachrichten zufolge
im Jahre 1223 eingeweiht. Wahrscheinlich fällt auch in
diese oder doch in wenig spätere Zeit die Stiftung des
scharzen Dominikanerklosters in Kölln, und endlich
der Bau der großen Ringmauer, welche die Städte
Berlin und Kölln zu einem Ganzen umschloß und im Jahre
1247 vollendet wurde.

Bis zu dieser Zeit läßt sich in dem historischen Gewirre
von Streitigkeiten und Kriegen, in die sich die Markgrafen
mit den Städten und den alten wendischen Fürsten verwickel-
ten, kein bestimmendes Faktum entdecken, welches über die
Verhältnisse der Stadt das geringste Licht verbreitete. Im
Jahre 1244 wird Berlins zum ersten Male in urkundlicher
Weise Erwähnung gethan, so daß von dieser Zeit ab
eigentlich erst die Geschichte Berlins als deutscher Stadt
datirt werden kann. Es bleibt uns nunmehr zum Abschluß
dieser sagenhaften Periode und des Bildes, welches wir
von der Stadt in dieser Zeit entworfen, übrig, einen Blick
auf die alte Ringmauer zu werfen. Noch jetzt zeigt die
Richtung des alten Stadtgrabens, welcher hinter der Neuen
Friedrichsstraße herumläuft, sowie die Benennungen ein-

zelner Straßen, wie der Stralauer Mauer, der Königs-
mauer rc. die Linie an, wo die alte Ringmauer stand.
Sie begann dicht an der Spree an der Ecke der Neuen
Friedrichs- und Burgstraße. Hier stand ein Thurm mit
runder hutförmiger Spitze, von welchem die Mauer bis an
das Spandauer Thor lief, so daß das Heilige Geist-Hospital
davon eingeschlossen wurde. Zu beiden Seiten des Thores
standen wieder zwei Thürme. Von hier zog sie sich, zuweilen
durch halbrunde Aussprünge unterbrochen, am Graben hin,
an der Stelle der jetzigen Königsmauer, bis zum Oderberger
Thor, welches durch ein quadratsörmiges festes Gebäude ge-
bildet wurde. Dann folgte sie der Westseite der Neuen Fried-
richsstraße und der Stralauer Mauer bis zum Stralauer
Thor, welches ebenfalls ein festes Gebäude war, das links von
dem Portal des jetzigen Waisenhauses lag. Von hier trat
sie an die Spree, deren Bogen sie bis zur Paddengasse
folgte, wo sie durch einen runden Thurm beendigt wurde.
Doch ist es wahrscheinlich, daß sie in früheren Zeiten bis
an den Mühlenhoff hinunterlief. Ob dagegen die Mauer
auch die Spree entlang, vom Mühleuhofe abwärts bis
zur langen Brücke und von hier bis zum Eckthurm an
der Burgstraße und Neuen Friedrichsstraßen Ecke zurück,
geführt gewesen, ist ganz ungewiß und schwer zu ent-
scheiden, da, wenn eine solche bestanden, sie gewiß bei
Vereinigung beider Städte im Jahre 1367 abgebrochen
worden ist. (Fortsetzung folgt.)

Korrespondenzen.

% Köln, 25. September. (Die zweite allgemeine
deutsche und historische Kunstausstellung. V.)
Auch die übrigen, schon länger bekannten Genremaler
wie Ad. Schrödter der Humorist, Tidemand, Gesel-
schap, Wieschebrink, Fay mit seinem italienischen
Volksleben, Ph. Lindo und Sieaert, sind durch Bilder
vertreten, die den betreffenden Meister gewöhnlich gut
charakterisiren. Die Mehrzahl derselben ist etwas älteren
Datums, gewährt aber, weil sie als im Privatbesitz be-
findlich der Kunstwelt ziemlich unbekannt geblieben, großes
Interesse, z. B. die treffliche „Hausandacht" von Tide-
mand. Unter der jüngern, erst durch die Ausstellungen
der letzteren Jahre bekannt gewordenen Generation sind
vor allen Nordenberg, Salentin,Kels,Hiddemann
und die mir bisher gänzlich fremden, vielverheißenden
Stamme! und Fagerlein (leider vermißt man den
Schweden d'Unker) zu nennen, aus deren Bildern ich
nur den neuen „Organisten in einer schwedischen Dorfkirche"
von Nordenberg als eine in Charakteristik und Kolorit
treffliche Arbeit, die an Knaus'sche Behandlung erinnernde
„westphälische Bauernhochzeit" von Kels, und die vom
hiesigen Kunstverein angekaufte „Katechisation" von Sa-
lentin als vorzügliche Arbeiten hervorhebe. Den ein-
gesandten Bildern zufolge scheint Stammet sich an C.
Hübner's, Fagerlein an Jordan's Technik anzulehnen.
Hierher gehört auch der früher in Paris, jetzt in Düssel-
dorf ansäßige Karl Schlesinger, der sich ebenso tüchtig
in der Landschaft, wie im Genre beweist.

Viel kleiner als die Zahl der Düsseldorfer Genremaler
ist die der hier anwesenden Münchner; denn manche
tüchtige Meister, wie Kirner, Kaltenmoser, Marr,
der Feuermüller und der landschaftliche Bürkel fehlen.
Aber die vorhandenen sind zum Theil Meister ersten Ranges,
wie Reinhold Seb. Zimmermann, v. Enhuber,
Schoen, Hanno Rhomberg und der verstorbene Flüg-
en. Mit Ausnahme dieses Letzteren, von dem wir die
ekannte „Testaments-Eröffnung" nnd ein ebenfalls älteres,

unbedeutenderes, aber doch ergötzliches, „die überraschten
Diener" finden, sind die Werke der übrigen fast alle neu.
Von denen Zimmermann's läßt sich sagen: je neuer,
desto besser; wenigstens übertrifft die feine Charakteristik
und die Prägnanz der Motive in dem „Schrannentage"
alle früheren Bilder des Meisters. Ich würde Ihnen dies
neueste Resultat der psychologischen Beobachtungen — denn
die sind in derThat darin niedergelegt — genauer beschreiben,
wenn es nicht bereits kürzlich von Ihrem Münchnern Kor-
respondenten (in No. 32) geschehen wäre. Er und En-
huber und, wenn auch in geringerem Grade, Rhomberg
beweisen, wie die Genremalerei in's volle, frische Menschen-
leben hineinzugreifen, welche Situationen sie aufzufassen
hat, um eine geistige Wirkung hervorzubringen, die durch
lauschende, lesende, ausschauende, sich putzende Mädchen,
gemüthliche Großmütter und schmauchende Greise nie her-
vorgebracht werden kann. Selbst die meisterhafteste Technik
bietet keinen Ersatz für dergleichen Geistesarmuth. Diesen
„Schrannentag" und Enhuber's „Gerichtstag" hier zu
haben, ist eine wahre Freude. Ebenso ansprechend kom-
ponirt und geistvoll charakterisirt, aber in der Pinselführung
weniger breit sind die (in Hamburg gebliebenen) „Aus-
wanderer" von Schoen, bei denen dem Beschauer unwill-
kürlich die Freiligrath'schen Auswanderer, „der Bootsmann
winkt", einfallen. Rhomberg's Bilder „der Jongleur"
(1860) und „der Vogelfänger" (1861) sind gut, aber in
Vergleich mit einigen früheren im Gedankeninhalt und im
Kolorit flauer.

Eine eigenthümliche, für sich stehende Grupptz sind die
Wiener Genrebilder, ich meine die Dannhauser-Wald-
müller'schen einerseits, und die Schönn-Canon'schen
andrerseits. Volksleben und Volkskostüm ist bei jenen
Beiden so specifisch ausgeprägt, daß hier eine gewisse
einheitliche Anschauung nicht zu verkennen ist. Es ist eben
das niederösterreichische Volk. Hierher gehören insbesondere
Waldmüller's Bilder, die Schärfe nnd Klarheit des
Vortrags, aber auch eine gewisse Härte des Kolorits haben;
 
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