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Kunst-Chronik.
Berlin. — Auf Anordnung des Kultusministers wird
am Abend des Einzugtages auch die königsl. Akademie
der Künste illuminirt und mit schönen Transparenten de-
korirt werden, woran bereits namhafte Künstler arbeiten.
-Bei dem leider sehr geringen Interesse, welches
unters den Vornehmen und Reichen Berlins für die Kunst
und ihre Genüsse herrscht, ist es doppelt erfreulich für
die Kritik, auf einzelne Ausnahmen hinzuweisen, nament-
lich wenn sich dabei nicht, wie so häufig, Eitelkeit und
Prunksucht, sondern ein wahrhaft tieferer Sinn für die
ernsteren, gehaltvolleren Sphären der Kunst zu erkennen
giebt. Kürzlich hatten wir Gelegenheit, einen Blick in die
reizend gelegne und mit künstlerischer Einfachheit und Ge-
schmack eingerichtete Villa des Herrn P aul M e n d elssohn-
Barth oldy, des Bruders von Felix, zu thun, welche ab-
seits von dem geräuschvollen Treiben der Hauptstraße,
auf Lietzow in Charlottenbnrg am grünen Ufer der Spree
gelegen ist, und außer ihren höchst geschmackvollen Park-
und Gartenanlagen auch durch die echt künstlerische, aber
jede hohle Prunkentfaltung verschmähende Ausschmückung
der Baulichkeiten einen überraschend wohlthuenden Ein-
druck macht. Um nur Eines zu erwähnen, bemerkten wir
in dem Gartenhause zwei meisterhafte stereochromische Ge-
mälde vom Prof. Käse low ski, welche die Seitenwände der
ganz einfach in Weiß getünchten aber architektonisch durch
Pilaster gegliederten offnen Vorhalle schmücken. Nur zwei,
ebenfalls sehr einfache Bänke unter den beiden Bildern,
um dieselben mit Muße betrachten zu können, sowie eine
von der Decke herabhangende Ampel bilden die Aus-
stattung der kleinen Halle, welche aber durch die beiden
Gemälde zu einem wahren kleinen Kunsttempel gemacht
wird. Das eine derselben stellt, nach einer Komposition
von Schnorr, „Christus und die Jünger zu Emaus"
dar, nach der bekannten Stelle aus dem Evangel. Lucae
Kap. 24 B. 29: „Bleibe bei uns, denn cs will Abend
werden und der Tag hat sich gcneiget", das andere, Ori-
ginalkomposition, zeigt die in Tobias Kap. 5 V. 25. ge-
schilderte Scene, in welcher der junge Tobias mit seinem
Begleiter, dem (von ihnen ungenannten) Engel Raphael
von seinen Eltern mit den Worten entlassen wird: „So
zieht hin, Gott sei mit Euch auf dem Wege und seine
Engel geleiten Erichs. Nicht also eine jener frivolen Ro-
kokoscenen, wie sie unsere modernen Gartenhäuser und Vil-
len zeigen, oder eins jener konventionellen Arabeskenorna-
mente, welche an die Schablone erinnern, sondern ernste in-
haltsvolle, zum stillen Denken und sinnvoller Ruhe einladende
Motive, in deren Betrachtung man sich bei gesammeltem
Gemüth versenkt, und welche die von dem Tagesgeräusch
und dem geisttödtenden Wirrsal der Geschäfte niederge-
drückte Seele erheben und kräftigen, indem sie ihr die
Pforte eines reineren Lebens erschließen: Das sind die
Gegenstände, welche diesem bezaubernden Aufenthalt länd-
licher Stille eine wahrhaft höhere Weihe geben.
Die beiden Gemälde, in denen sich das Talent und
feine Gefühl des Meisters jener schönen Komposition
„Christus am Oelberge" auf unverkennbare Weise wieder-
spiegelt, verdienen in den weitesten Kreisen gekannt zu
werden. Denn abgesehen von dem ornamentalen Zweck,
den sie erfüllen, und vom rein künstlerischen Gesichtspunkt
aus betrachtet, bringen sie sowohl durch den ernsten, ge-
haltvollen Stil der Komposition wie durch die Schönheit
der Malerei eine überraschende Wirkung auf den Beschauer
hervor. Namentlich das zweitgenannte, in welchem der Künst-
ler seiner eignen Erfindung und seinem ursprünglichen Ge-
fühl für Poesie der Gestaltung freien Spielraum gewähren
konnte, macht einen überaus tiefen Eindruck von Ernst
und Lieblichkeit, dem man sich mit wahrem innerem Genuß
hingiebt. Wenn wir in Rücksicht auf die äußerliche Wir-
kung in ihrer Beziehung zu der umgebenden Architektur
eine Bemerkung machen dürften, so wäre es die, daß sich
die Bilder aus einem etwa 6 Zoll breiten dunkeln (als
Marmor gemalten) Rahmen herausheben möchten, und
daß oberhalb derselben, rings um die ganze Halle, der
dort befindliche Wandstreifen mit einem stilisirten Arabesken-
fries, grau in Grau, oder auch in Farben, dann jedoch
in maaßvollem Kolorit, geschmückt werden möchte. Dies
würde die Wirkung der ganzen Halle und auch der Bilder
selbst, wie wir glauben, bedeutend erhöhen.
-Von hiesigen Künstlern hat sich Prof. Adolph
Menzel im Allerhöchsten Aufträge nach Königsberg be-
geben, um den Krönungsfeierlichkeiten beizuwohnen, und
demnächst ein großes Gemälde des Aktes für die Königl.
Bilder-Galerie auszuführen. Der Kupferstecher und Zeich-
ner Fritz Werner aus Düsseldorf wird ihn begleiten.
Um Prof. A. Menzel in der Anfertigung seiner Skizzen
zu unterstützen, sind ihm, auf Anordnung des Ministers
v. Bethmann Hollweg,, in Königsberg mehrere Photo-
graphen zur Verfügung gestellt. Ob grade Menzel am
geeignetsten zur Darstellung eines Ceremonienbildes sei,
möchten wir übrigens nach seinem Bilde „Friedrich dem
Großen wird von schlesischen Ständen gehuldigt" bezweifeln.
Von Seiten Englands ist der Maler Thomas zu glei-
chem Zwecke nach' Königsberg gesandt.
— ■— Die Düsseldorfer scheinen mehr und mehr einen
Zug nach Berlin zu fühlen. Bereits ist der geniale Knaus
übergesiedelt; nun heißt es, Oswald Achenbach werde
sich auch unter uns niederlassen. Hoffentlich erhält unser
etwas stagnirendes Kunstleben durch solche kräftigen Ele-
mente eine frischere Bewegung.
—-Prof. Teschner hat kürzlich einen kleineren
Carton für den Dom zu Aachen vollendet. Er ist für das
Schlußfenster in der Reihe der kleineren Fenster des hohen
Chors bestimmt, welche einen Cyklus von Darstellungen
aus dem „Leben der Maria" umfassen. Das hier er-
wähnte Fenster stellt Maria als „Mate*- dolorosa“ dar.
Die Komposition zeigt Maria mit dem Leichnam Christi,
von zwei Engeln betrauert, und zeichnet sich durch große
Schönheit der Empfindung, stilvolle Behandlung und sorg-
fältige Durchführung in bemerkenswerther Weise aus. Das
Fenster wird in der hiesigen königlichen Glasmalereianstalt
ausgeführt werden.
Köln. — Bekanntlich soll die neue Rheinbrücke Hie-
selbst mit den Erzstatuen der beiden Preußischen Herrscher
geschmückt werden, unter deren Schirm das mächtige Bau-
werk begonnen und vollendet wurde, den kolossalen Reiter-
standbildern des hochseligen und des jetzt regierenden Kö-
nigs. Mit^ der Ausführung des letzteren Monumentes
wurde der Professor F. Drake, mit des erstern Professor
Gustav Bläser betraut. Des Letzteren kleines Modell
ist vollendet, von dem kolossalen das Pferd bereits über
die Anlage hinaus gebracht. Aus ruhig daherschreitendem
mächtigen.Roß sitzt der König Friedrich Wilhelm IV. in
fürstlicher Hoheit, den Helni mit wehendem Fedcrbusch
auf dem Haupte, welches, nach links gewendet, freundlich
und doch königlich-gebietend hinausblickt, den Hermelinman-
tel um die Schultern, in der Rechten nicht, wie sonst wohl
Fürstenbilder den Kommandostab, sondern eine Rolle: die
Verfassungs-Urkunde. Die Gestalt bat bei höchster Portrait-
Treue aller Formen und Verhältnisse in Haltung und
Bewegung einen großartig pathetischen, nahezu idealen
Charakter, Energie und Fülle. Diese Grnndauffassung
gestaltet auch den Hermelinmantel, der in großen reichen
Massen, die sich ziemlich ungesucht aus der Bewegung
seines Trägers ergeben, auf des Rosses Rücken und an
dessen Seiten niederfließt, zur modernen Generals-Uniform.
Im Sinne dieser Auffassung ist auch das Roß gewählt.
Manches von dem massigen Eindrücke seiner Gestalt wird
schwinden, wenn es als riesiges Erzbild erst die Brücke
schmücken wird. Ein Hintergrund von Lust und Wasser
Kunst-Chronik.
Berlin. — Auf Anordnung des Kultusministers wird
am Abend des Einzugtages auch die königsl. Akademie
der Künste illuminirt und mit schönen Transparenten de-
korirt werden, woran bereits namhafte Künstler arbeiten.
-Bei dem leider sehr geringen Interesse, welches
unters den Vornehmen und Reichen Berlins für die Kunst
und ihre Genüsse herrscht, ist es doppelt erfreulich für
die Kritik, auf einzelne Ausnahmen hinzuweisen, nament-
lich wenn sich dabei nicht, wie so häufig, Eitelkeit und
Prunksucht, sondern ein wahrhaft tieferer Sinn für die
ernsteren, gehaltvolleren Sphären der Kunst zu erkennen
giebt. Kürzlich hatten wir Gelegenheit, einen Blick in die
reizend gelegne und mit künstlerischer Einfachheit und Ge-
schmack eingerichtete Villa des Herrn P aul M e n d elssohn-
Barth oldy, des Bruders von Felix, zu thun, welche ab-
seits von dem geräuschvollen Treiben der Hauptstraße,
auf Lietzow in Charlottenbnrg am grünen Ufer der Spree
gelegen ist, und außer ihren höchst geschmackvollen Park-
und Gartenanlagen auch durch die echt künstlerische, aber
jede hohle Prunkentfaltung verschmähende Ausschmückung
der Baulichkeiten einen überraschend wohlthuenden Ein-
druck macht. Um nur Eines zu erwähnen, bemerkten wir
in dem Gartenhause zwei meisterhafte stereochromische Ge-
mälde vom Prof. Käse low ski, welche die Seitenwände der
ganz einfach in Weiß getünchten aber architektonisch durch
Pilaster gegliederten offnen Vorhalle schmücken. Nur zwei,
ebenfalls sehr einfache Bänke unter den beiden Bildern,
um dieselben mit Muße betrachten zu können, sowie eine
von der Decke herabhangende Ampel bilden die Aus-
stattung der kleinen Halle, welche aber durch die beiden
Gemälde zu einem wahren kleinen Kunsttempel gemacht
wird. Das eine derselben stellt, nach einer Komposition
von Schnorr, „Christus und die Jünger zu Emaus"
dar, nach der bekannten Stelle aus dem Evangel. Lucae
Kap. 24 B. 29: „Bleibe bei uns, denn cs will Abend
werden und der Tag hat sich gcneiget", das andere, Ori-
ginalkomposition, zeigt die in Tobias Kap. 5 V. 25. ge-
schilderte Scene, in welcher der junge Tobias mit seinem
Begleiter, dem (von ihnen ungenannten) Engel Raphael
von seinen Eltern mit den Worten entlassen wird: „So
zieht hin, Gott sei mit Euch auf dem Wege und seine
Engel geleiten Erichs. Nicht also eine jener frivolen Ro-
kokoscenen, wie sie unsere modernen Gartenhäuser und Vil-
len zeigen, oder eins jener konventionellen Arabeskenorna-
mente, welche an die Schablone erinnern, sondern ernste in-
haltsvolle, zum stillen Denken und sinnvoller Ruhe einladende
Motive, in deren Betrachtung man sich bei gesammeltem
Gemüth versenkt, und welche die von dem Tagesgeräusch
und dem geisttödtenden Wirrsal der Geschäfte niederge-
drückte Seele erheben und kräftigen, indem sie ihr die
Pforte eines reineren Lebens erschließen: Das sind die
Gegenstände, welche diesem bezaubernden Aufenthalt länd-
licher Stille eine wahrhaft höhere Weihe geben.
Die beiden Gemälde, in denen sich das Talent und
feine Gefühl des Meisters jener schönen Komposition
„Christus am Oelberge" auf unverkennbare Weise wieder-
spiegelt, verdienen in den weitesten Kreisen gekannt zu
werden. Denn abgesehen von dem ornamentalen Zweck,
den sie erfüllen, und vom rein künstlerischen Gesichtspunkt
aus betrachtet, bringen sie sowohl durch den ernsten, ge-
haltvollen Stil der Komposition wie durch die Schönheit
der Malerei eine überraschende Wirkung auf den Beschauer
hervor. Namentlich das zweitgenannte, in welchem der Künst-
ler seiner eignen Erfindung und seinem ursprünglichen Ge-
fühl für Poesie der Gestaltung freien Spielraum gewähren
konnte, macht einen überaus tiefen Eindruck von Ernst
und Lieblichkeit, dem man sich mit wahrem innerem Genuß
hingiebt. Wenn wir in Rücksicht auf die äußerliche Wir-
kung in ihrer Beziehung zu der umgebenden Architektur
eine Bemerkung machen dürften, so wäre es die, daß sich
die Bilder aus einem etwa 6 Zoll breiten dunkeln (als
Marmor gemalten) Rahmen herausheben möchten, und
daß oberhalb derselben, rings um die ganze Halle, der
dort befindliche Wandstreifen mit einem stilisirten Arabesken-
fries, grau in Grau, oder auch in Farben, dann jedoch
in maaßvollem Kolorit, geschmückt werden möchte. Dies
würde die Wirkung der ganzen Halle und auch der Bilder
selbst, wie wir glauben, bedeutend erhöhen.
-Von hiesigen Künstlern hat sich Prof. Adolph
Menzel im Allerhöchsten Aufträge nach Königsberg be-
geben, um den Krönungsfeierlichkeiten beizuwohnen, und
demnächst ein großes Gemälde des Aktes für die Königl.
Bilder-Galerie auszuführen. Der Kupferstecher und Zeich-
ner Fritz Werner aus Düsseldorf wird ihn begleiten.
Um Prof. A. Menzel in der Anfertigung seiner Skizzen
zu unterstützen, sind ihm, auf Anordnung des Ministers
v. Bethmann Hollweg,, in Königsberg mehrere Photo-
graphen zur Verfügung gestellt. Ob grade Menzel am
geeignetsten zur Darstellung eines Ceremonienbildes sei,
möchten wir übrigens nach seinem Bilde „Friedrich dem
Großen wird von schlesischen Ständen gehuldigt" bezweifeln.
Von Seiten Englands ist der Maler Thomas zu glei-
chem Zwecke nach' Königsberg gesandt.
— ■— Die Düsseldorfer scheinen mehr und mehr einen
Zug nach Berlin zu fühlen. Bereits ist der geniale Knaus
übergesiedelt; nun heißt es, Oswald Achenbach werde
sich auch unter uns niederlassen. Hoffentlich erhält unser
etwas stagnirendes Kunstleben durch solche kräftigen Ele-
mente eine frischere Bewegung.
—-Prof. Teschner hat kürzlich einen kleineren
Carton für den Dom zu Aachen vollendet. Er ist für das
Schlußfenster in der Reihe der kleineren Fenster des hohen
Chors bestimmt, welche einen Cyklus von Darstellungen
aus dem „Leben der Maria" umfassen. Das hier er-
wähnte Fenster stellt Maria als „Mate*- dolorosa“ dar.
Die Komposition zeigt Maria mit dem Leichnam Christi,
von zwei Engeln betrauert, und zeichnet sich durch große
Schönheit der Empfindung, stilvolle Behandlung und sorg-
fältige Durchführung in bemerkenswerther Weise aus. Das
Fenster wird in der hiesigen königlichen Glasmalereianstalt
ausgeführt werden.
Köln. — Bekanntlich soll die neue Rheinbrücke Hie-
selbst mit den Erzstatuen der beiden Preußischen Herrscher
geschmückt werden, unter deren Schirm das mächtige Bau-
werk begonnen und vollendet wurde, den kolossalen Reiter-
standbildern des hochseligen und des jetzt regierenden Kö-
nigs. Mit^ der Ausführung des letzteren Monumentes
wurde der Professor F. Drake, mit des erstern Professor
Gustav Bläser betraut. Des Letzteren kleines Modell
ist vollendet, von dem kolossalen das Pferd bereits über
die Anlage hinaus gebracht. Aus ruhig daherschreitendem
mächtigen.Roß sitzt der König Friedrich Wilhelm IV. in
fürstlicher Hoheit, den Helni mit wehendem Fedcrbusch
auf dem Haupte, welches, nach links gewendet, freundlich
und doch königlich-gebietend hinausblickt, den Hermelinman-
tel um die Schultern, in der Rechten nicht, wie sonst wohl
Fürstenbilder den Kommandostab, sondern eine Rolle: die
Verfassungs-Urkunde. Die Gestalt bat bei höchster Portrait-
Treue aller Formen und Verhältnisse in Haltung und
Bewegung einen großartig pathetischen, nahezu idealen
Charakter, Energie und Fülle. Diese Grnndauffassung
gestaltet auch den Hermelinmantel, der in großen reichen
Massen, die sich ziemlich ungesucht aus der Bewegung
seines Trägers ergeben, auf des Rosses Rücken und an
dessen Seiten niederfließt, zur modernen Generals-Uniform.
Im Sinne dieser Auffassung ist auch das Roß gewählt.
Manches von dem massigen Eindrücke seiner Gestalt wird
schwinden, wenn es als riesiges Erzbild erst die Brücke
schmücken wird. Ein Hintergrund von Lust und Wasser