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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 6.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.13515#0444

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428

Verträge zur älteren Kunstgeschichte Verlin's.

Von äft. Sr.

Dagegen ist die nnter dem Thurm am Westende der Kirche
befindliche Vorhalle von Wichtigkeit, besonders durch das
Monument des im Jahre 1723 verstorbenen Finanz-
ministers Johann Andreas von Kraut. Es be-
findet sich in einer für das Erbbegräbniß besonders ein-
gerichteten Kapelle, welche durch ein hohes, theilweise ver-
goldetes Eisengitter verschlossen ist. Das Monument selbst
hat die Form eines in antikem Stil ansgeführten Portals,
das aus zehn jonischen Säulen und achtzehn Pilastern be-
steht, zwischen denen vorn zu beiden Seiten zwei marmorne
Statuen der Zeit und Ewigkeit in kolossaler Größe stehen.
An der Decke erblickt man mehrere allegorische Reliefs,
welche die christlichen Tugenden versinnlichen. Die Kuppel
enthält außerdem mehrere Gemälde, welche gleichfalls in
allegorischer Weise den Triumph des Glaubens durch das
Verdienst Christi darstellen. Im Hintergründe steht der
Sarkophag und darauf das marmorne Brustbild des Ver-
storbenen, von einem Cherub gekrönt, neben ihm die beiden
symbolischen Gestalten des Gottverlangens und der Welt-
verachtung. Das Denkmal ist ziemlich beschädigt. Ihm
gegenüber erblickt man das Denkmal des Kaufmanns
Beyer und seiner Gattin, gestorben 1712 und 1742,
welches ebenfalls einen Sarkophag darstellt, worauf die
Figuren des Glaubens und der Liebe sitzen, während sich
über ihm die Gestalt des Todes gegen die oberhalb an-
gebrachte Inschrift aufrichtet.

Ohne auf Pracht oder Kunstwerth Anspruch zu machen,
sondern eher durch ihre Einfachheit und Schmucklosigkeit
auffallend, sind die Denkmäler, welche wir derer wegen, die
darunter ruhen, nicht übergehen dürfen; es sind die Grab-
stätten Johann Caspar Schade's, Jakob Philipp
Spener's und Johann Joachim Spalding's. —
Schade, gestorben im Jahre 1686, durch seine feurige
Beredsamkeit, die er besonders gegen die Anhänger des
Beichtstuhls richtete, sowie durch seine unter dem Titel
Fasciculus cantionum nach seinem Tode erschienenen geist-
lichen Lieder bekannt, war Spener's Amtsgehülfe und Pre-
diger an der Nikolaikirche. Spener und Spalding,
deren Andenken noch heute im Andenken der Berliner fort-
lebt, gehörten zu den frömmsten Männern und gelehrtesten
Theologen ihrer Zeit. Der erstere starb in seinem 70. Jahre
1705, der letztere in seinem 90. Jahre 1804. In dem
Grabmal des erstcren befindet sich auch sein Schwiegersohn
Ambrosius Haude (gest. 1748), bekannt als der Gründer
der Haude- und Spenerschen Zeitung, und der Prediger
Fritsche.

3. Die Klosterkirche und das graue Kloster.

Wenn die Nikolaikirche in einzelnen Manertheilen auf
den Anfang des 13. Jahrhunderts zurückweist, so gehört
die Klosterkirche in ihrem Gesammtbau in dasselbe
Jahrhundert und ist somit als eines der ältesten und
zugleich als das schönste unter den Denkmälern der so-
genannten gothischen Baukunst in Berlin zu betrachten.
Was die Bestimmung der Zeit ihrer Erbauung betrifft,
so hat man angenommen, daß die letztere im Jahr 1271

(Fortsetzung.)

begann und im Jahre 1290 vollendet wurde, so daß diese
Kirche also noch älter war, als die im Jahre 1288 oder,
nach andern Nachrichten, 1313 erbaute Heilige Geistkapelle.
Es sind jedoch Gründe zu der Annahme vorhanden, daß
der Bau des Klosters und also auch bet Kirche nicht vor
1290 begonnen wurde und seine Beendigung in den Anfang
des 14. Jahrhunderts hineinreicht. Daß im Jahre 1271
die schon seit den Anfang des Jahrhunderts in Berlin
residirenden Franziskanermönche von den Markgrafen Otto
und Albrecht den Platz, welchen das graue Kloster ein-
nimmt, zum Geschenke erhielten, ist sicher, allein dies be-
weist noch nicht, daß der Bau auch schon in diesem Jahre
begann. Auf der einen 36 Fuß langen Jnschriftentafel,
welche sich über den Mönchssitzen auf der linken Seite des
Chorschiffes der Kirche hinzieht, und die weiter unten näher
beschrieben werden wird, findet sich die Nachricht, daß im
Jahre 1271 die Schenkung des Platzes stattfand. Weiter-
hin aber heißt es: „Nachher hat im Jahre 1290 der

„wackre Ritter (miles) Herr Jakob von Nebede den hiesigen
„Ordensbrüdern die Ziegelscheune zwischen Tempelhof und
„Berlin geschenkt, und so sind der gedachte Ritter und
„die genannten Fürsten die Stifter des Klosters".
Wäre also das Koster 1290 schon fertig gewesen, so wäre
den Mönchen die Ziegelscheune überflüssig gewesen und der
Ritter hätte nicht als Stifter des Klosters bezeichet werden
können. Vielmehr scheint erst in diesem Jahre der Bau
angefangen worden zu sein, mit einziger Ausnahme der *
Grundmauer deö nördlichen Seitenschiffs, welche aus Feld-
steinen errichtet ist und deren Ursprung daher im Gegensatz
zu den späteren Ziegelbau wohl schon in das das Jahr 1271
zurückgeht- Wann die Kirche vollendet wurde ist ebenfalls
ungewiß, doch wurde bereits 1339 ju dem frühestens gleich-
zeitig vollendeten Kloster das erste große Provinzialkapitel
gehalten.

Der Platz, welchen die Markgrafen den Mönchen schenk-
ten, erstreckte sich don der heutigen Parochialkirche bis nahe
au die Ecke der Königsstraße und umfaßte auch das heu-
tige Lagerhaus, welches bekanntlich die ehemalige churfürst-
liche Burg war. Von den darauf errichteten Gebäuden ge-
hört jedoch, außer einigen alten Mauern, nur die Kirche
dem ältesten Bau an, die Klostergebäude selbst stammen
theils aus den Jahren 1471—1474, wie die acht auf den
Säulen des Kapitelsaales befindlichen Inschriften be- ,
künden, theils aus den Jahren 1516—1518, wie aus einer
Inschrift in der Wand des Cdnventsaals sich ergiebt,
theils aus noch späterer Zeit.

Die Kirche, zu welcher wir uns jetzt im Besondern
wenden, hat seit ihrer Errichtung eine dreimalige Restau-
ration erfahren, die erste durch den berühmten Thurneisser
im Jahre 1584, die zweite im Jahre 1719 und die letzte
im Jahre 1842. Allein die ersten beiden Restaurationen
betrafen nur unwesentliche Aenderungen, die Pfeiler wurden
überkalkt, die Kirche gereinigt, die Gemälde und Bildwerke
erhielten andere Plätze u. s. f.; und was die neueste Re-
novation betrifft, so war ihr Zweck harrptsächlich der, die
durch diese Aenderungen allmälig hervorgebrachten Ber-
 
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