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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 6.1861

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https://doi.org/10.11588/diglit.13515#0215

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199

Vorläufer seines großen Werkes für die restaurirte Frauen-
kirche in München.

Knabl betheiligte sich an der großen deutschen und
historischen Ausstellung des Jahres 1858 daselbst, und die
Akademie der bildenden Künste ehrte den bescheidenen
Künstler durch die Wahl zu ihrem Ehrenmitgliede, welche
Wahl die Allerhöchste Bestätigung erhielt. Die Ausfer-
tigungs-Urkunde nennt Knabl einen den alten deutschen
Meistern verwandten und ebenbürtigen Künstler. Ein
schöneres und besser begründetes Lob konnte ihm nicht zu
Theil werden, keines konnte ihm nach seiner ganzen Rich-
tung erwünschter sein.

Kurz darauf begann der treffliche B erg er die Restau-
ration des Doms. Sollte das Werk ein harmonisches
werben, so mußte es aus der Seele eines Einzigen her-
vorgehen, und wo nach der Natur der Sache dessen Kräfte
nicht zureichen konnten, mußte es ihm überlasten bleiben,
verwandte beizuziehen. Der Hochaltar der Kirche sollte,
den besten Mustern nachgebildet, Malerei und Skulptur
vereinigen, und Berger konnte Angesichts der Meister-
werke Knabl's keinen Augenblick zögern, dahin zu wir-
ken, daß diesem der plastische Haupttheil desselben über-
tragen ward. Jede andere Wahl wäre ein entschiedener
Mißgriff gewesen.

Durch seine „Krönung Mariä" hat sich der Künstler
auf die höchsten Stufen der Kunst geschwungen und un-
sterblichen Ruhm erworben. Vor der aus lebensgroßen,
rund gearbeiteten Figuren bestehenden Gruppe in Betrach-
tung versunken stehend, überkommt den Beschauer jene
heilige stille Andacht, welche nicht nach Worten sucht, weil
sie deren nicht bedarf, und mit seinem ganzen Gefühle

eins ist. Die Madonna kniet, ihr Haupt voll unsäglicher
Anmuth gesenkt, zu Füßen ihres göttlichen Sohnes und
des Vaters. Beide sind im Begriff, ihr die himmlische
Krone vereint auf's Haupt zu setzen, während der heilige
Geist als Taube über ihnen schwebt. Kenner, welche
nebenbei bemerkt den entgegengesetztesten Kunstrichtun-
gen angehören, stimmen darin überein, daß selten
etwas geschaffen worden, was der überirdischen Anmuth
der Züge der Madonna gleichkäme nnd immer kehrt das
Auge selbst von dem hohen Adel der Gestalt Christi und
der milden und doch gewaltigen Kraft des Vaters zu der
wunderbaren Schönheit und Demuth der Himmelskönigin
zurück. Eine so kühn angelegte Gruppe von nicht weniger
als vier unten schwebenden Engeln hat noch kein Bild-
hauer vor ihm zu schaffen gewagt, und wie verstand er
es, das Charakteristische des Schwedens bis in die kleinste
Einzelnheit dieser Gestalten durchzubilden! Sein Werk
ist in jedem Zoll ein ächt deutsches. Es erinnert, und
muß dies um der künftigen Umgebung willen thun, an das
deutsche Mittelalter, aber der Künstler vermied, indem er
einerseits die ganze, im festen Glauben jener Zeit wur-
zelnde Innigkeit und die heilige Einfalt eines über dem
wüsten Treiben der Welt erhabenen, kindlich reinen und gott-
begeisterten Sinnes wiedergab, andrerseits alle die Härten
und Ecken, das Steife und Unbeholfene der Bewegung, das
Kleinliche und Knitterige des Faltenwurfs. Er zeigt uns,
was vielleicht die Begabtesten jener Kunstperiode geschaffen
haben würden, wenn sich ihnen der Adel und die Feinheit
der klassischen Welt schon erschlossen gehabt, und er steht
deshalb um so viel höher als sie, weil er beide Elemente
vereinigt.

Korrespondenzen.

$ München, 3. Juni. (Künstv erein.) Nach-
dem ich mit meinem Berichte über nicht weniger als sieben
Wochenausstellungen des Kunstvereins im Rückstände ge-
blieben bin, muß ich mich heute doppelt kurz fassen.

Um mit der Historie zu beginnen, will ich vor Allem
der drei Ihnen wohlbekannten Arbeiten Des Cond res',
Hübner's und Mart ersteig's erwähnen, welche im
Aufträge des Vereins für historische Kunst ausgeführt wurden.
Man kann den Münchenern (Künstlern wie Laien) wohl
nicht mit Recht zum Vorwurf machen, daß sie gegen
fremde d. h. auswärtige Kunsterzeugnisse ungerecht seien,
nnd da wir selten die Werke andrer Kunstschulen zu Ge-
sicht bekommen, fehlt es auch keineswegs an lebhaftem
Interesse daran. Gleichwohl haben die genannten drei
Werke hier wenig Erfolg gehabt. Wenn man auch bei
Des Coudres gerne den hohen Ernst der Komposition
anerkannte, so konnte man sich doch nicht mit der unna-
türlichen Lage des Leichnams Christi, welche die Mitte
zwischen Liegen und Sitzen hält, versöhnen. Hübner's
„heil. Stefan" erinnerte gar zu lebhaft an Paul Vero-
nese, dem nur so übertriebene Bewegungen fremd zu sein
pflegen, wie wir ihnen hier begegnen. Martersteig end-
lich hat kein historisches Kunstwerk geliefert, sondern nur ein
historisches Genrebild, in dem der Dichter trotz Lorbeer-
kranz und Staatskleid eine ganz und gar untergeordnete
Rolle spielt, und eher an einen Schauspieler dritten
Ranges als an den gedankenkräftigen Hutten gemahnt.

Im Genre war es ganz vorzüglich des trefflichen C. v.
Enhuber's „Gerichtstag", der vom Publikum förmlich
belagert war und deshalb die doppelte Zeit ausgestellt

bleiben mußte, um dem Wunsche der Kunstfreunde nur
halbwegs gerecht zu werden. Enhuber ist es gelungen,
in dem Lobe seines Werkes, das geradezu als ein Er-
eigniß bezeichnet werden muß, alle Parteien zu vereini-
gen. Man würde es hier allgemein als ein Unglück be-
trachten, wenn ein so durch und durch ausgezeichnetes
Bild nicht München erhalten bliebe und hat deshalb noch
nicht alle Hoffnung aufgegeben. — Hornemann hat
durch drei dem russischen Volksleben entnommene Bilder
sich als ein talentvoller Nachahmer jener Franzosen er-
wiesen, denen höchste Natnrtreue als das höchste Kunstziel
erscheint. — An ihn schließt sich Baumgartner mit
seinem „gestörten Mittagsmahl" an, das die Grenzen der
Karrikatur bereits überschritten hat und als Illustration
der fliegenden Blätter besser am Platze wäre. Ein armer
Teufel von Posten hat mit Weib und Kind sein frugales
Mittagsmahl neben dem Schilderhause gehalten und wird
nun vom gestrengen Herrn Hauptmann überrascht, ehe es
ihm noch gelungen ist, sich wieder in Positur zu werfen.
Wir lassen uns am Ende wohl noch die ziemliche Un-
wahrscheinlichkeit der Situation gefallen, aber die Rohheit
des Ganzen wird uns trotz aller technischen Vorzüge immer
anwidern. Nach der Theorie, daß das Sonnenlicht ab-
solut weiß ist, zeigen sich denn auch wieder alle von der
Sonne beschienenen Stellen auf dem Bilde wie mit Pul-
ver bestreut. — Richard Zimmermann wurde durch
sein außergewöhnliches Talent wieder einmal zu einem
Experimente hingerissen. Er führt uns in den Cirkus
einer Kunstreitergesellschaft und zwar vor und hinter die Cou-
lissen, wenn ich so sagen darf. Ueberall, dort wie hier

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